Fast schon dreist: Ex-Boss Bartomeu kritisiert Barça wegen Messi-Abgang

Ist sich offenbar keiner Schuld bewusst: Barças Ex-Präsident Josep Maria Bartomeu
Ist sich offenbar keiner Schuld bewusst: Barças Ex-Präsident Josep Maria Bartomeu / Quality Sport Images/GettyImages
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Viel ist nach der Amtsübernahme Joan Laportas als neuer (alter) Präsident des FC Barcelona über das Erbe der vorherigen Klubführung um Josep Maria Bartomeu gesprochen worden. Jetzt nutzte der 58-Jährige die Gunst der Stunde, gegenüber dem katalanischen Fachblatt Sport selbst Stellung zu beziehen. Mit durchaus überraschenden Statements.


Ein Schuldenberg von mehr als einer Milliarde Euro, der Verlust des Superstars, Gerüchte über gekaufte Berichterstattung (um sich selbst ins rechte Licht zu rücken), sündhaft teure Transfers ohne solide Gegenfinanzierungen und zuletzt der mögliche Skandal über fahrlässige Tatenlosigkeit angesichts baulicher Mängel im Nou Camp: Wenn es um die Aktivitäten der vorherigen Klubführung ging, war in den letzten sieben Monaten fast alles an Negativem dabei.

Umso bemerkenswerter, dass der vielgescholtene Bartomeu das Interview mit einer Kritik an der aktuellen Führungsriege einleitet. Nach dem Motto: Angriff ist die beste Verteidigung.

"Ich wollte nicht, dass Messi geht!"

"Koeman hat Messi verloren. Ich als Präsident wollte nicht, dass Messi geht, und ich habe alles in meiner Macht stehende getan, damit er den Klub nicht verlässt. Ich dachte, es sei gut für Barça und auch für ihn selbst, dass er bleibt. Doch sie haben ihn in diesem Sommer gehen lassen, und das halte ich für eine schlechte Entscheidung. Ohne Messi zu spielen, heißt, viele Dinge zu ändern."

Wie zum Beispiel, die durch Messis Präsenz in bedrohliche Schieflage geratene Ökonomie des Vereins wieder auf halbwegs solide Füße zu stellen? Über die offensichtliche finanzielle Unmöglichkeit, den Großverdiener zu halten, verliert Bartomeu - er wird wissen, warum - kein Wort.

Viel lieber lässt er sich im weiteren Verlauf des Gesprächs über nicht-finanzielle Themen aus. Wie über den Trainer.

"Koeman kam inmitten einer sehr schwierigen Phase, nach einer sehr schmerzhaften Niederlage [dem 2:8 gegen die Bayern] und nahm die Herausforderung an. In seiner ersten Saison hat er es gut gemacht und den Pokal gewonnen. Warum wir am Ende nicht auch die Liga gewonnen haben, weiß ich bis heute nicht. Ich fand es seltsam, nach dieser guten Spielzeit, die die Jungs absolviert haben. Die Champions League hingegen war ein anderes Thema."

Doch natürlich konnte das Thema des Wechsels an der Vereinsspitze nicht ausgespart bleiben. Auch hier beeindruckte Bartomeu durch eine sehr selektive Wahrnehmung der Realitäten.

"Haben die beste Frauen-Abteilung der Welt hinterlassen!"

"Während des Wahlkampfes hieß es immer 'desaströses Erbe', das hinterlassen worden sein. Aber das sehe ich nicht. War dies auf das Sportliche bezogen? Nun, in zehn Jahren wurden 22 Titel gewonnen. Die einzelnen Sektionen haben mehr gewonnen als je zuvor, und wir haben die beste Frauenabteilung der Welt hinterlassen, mit diesem Triple, das sie gewonnen haben."

Nach diesem für sich sprechenden Verweis auf die erfolgreiche Frauen-Abteilung des Vereins, der wohl eher darauf abzielte, von den eigentlichen Problemen des Klubs, bei den Herren, abzulenken, kam Bartomeu dann auf die zahlreichen neuen Talente des Klubs zu sprechen.

"Schauen wir doch einfach mal, wie viele Talente aus den Nachwuchsmannschaften hochgekommen sind: Ansu, Araújo, Riqui, Mingueza, Pedri, der gekommen ist, oder Ilaix, mit dem der Klub Einnahmen generieren konnte, Konrad..."

"Oder die, die jetzt kommen: Gavi, Nico, Collado - sie sind allesamt jetzt schon Gegenwart und Zukunft des Klubs, weil sie sehr viel Talent haben. Das ist auch Teil unseres Nachlasses. Im Nachwuchsbereich wurde großartige Arbeit geleistet."

Dem ist nicht zu widersprechen. Doch abermals kam Bartomeu nicht auf den Kern des Problems zu sprechen. Nämlich dass der Klub in den vergangenen Jahren schlichtweg über seine Verhältnisse gelebt hat - und nun quasi gezwungen ist, einen bescheideneren Weg, mit eigenen Talenten, einzuschlagen.

Sündhaft teure Transfers, wie die von Ousmane Dembélé (135 Millionen Euro), Philippe Coutinho (135 Millionen), Antoine Griezmann (120 Millionen Euro), - um nur mal die drei teuersten der letzten vier Jahre zu nennen -, die allesamt keinen sportlichen Mehrwert lieferten, die Konten der Katalanen aber immer stärker belasteten.

Für einen neuen Vertrag für Lionel Messi war da am Ende schlicht und einfach kein Geld mehr da.

Ousmane Dembele
Transfer-Flop 1: Ousmane Dembélé / Quality Sport Images/GettyImages
Philippe Coutinho
Transferflop 2: Philippe Coutinho / Soccrates Images/GettyImages
Antoine Griezmann
Transferflop 3: Antoine Griezmann / Quality Sport Images/GettyImages

Doch darüber wollte Bartomeu offenbar nicht sprechen. Oder er bekam die entsprechenden Fragen nicht gestellt. Wie dem auch sei. Bartomeu beschloss seine Selbst-Beweihräucherung mit einem kurzen Verweis auf die ganz allgemeine institutionelle Ebene.

Kein Wort über den maroden Zustand des Nou Camp - dafür viel Eigenlob!

"Wir müssen auch über den Nachlass der Stiftung oder über das vermögensbezogene Erbe sprechen: Wir haben La Masia [das Nachwuchszentrum der Blaugrana] vollendet, haben neue Pavillons errichtet, haben die Bauflächen in Sant Joan Despí erweitert, das Stadion Johan Cruyff erneuert und das Projekt Espai Barça so hinterlassen, dass jetzt nur noch die Baumaschinen reinfahren müssen. Sogar das Finanzmodel dieses Projekts, mit Goldmann Sachs, ist unser Nachlass, denn es setzt weiterhin auf Barça."

Da ist ganz offenbar jemand mit sich und der Welt im Reinen. Die Suppe auslöffeln muss jetzt jedoch die aktuelle Führungsriege.