FC Barcelona: Frischer Wind rund um das alte Landhaus!
Von Guido Müller
La Masia. Für die Fans des guten Fußballs hat dieser Name einen ganz speziellen Klang. Das alte Landhaus im Bezirk Les Corts, am westlichen Stadtrand Barcelonas (mittlerweile ersetzt durch eine modernere Anlage im Vorort Sant Joan Despí), ist immer noch das Symbol der hervorragenden Nachwuchsarbeit des FC Barcelona. Unter Ronald Koeman erlebt diese Kaderschmiede gerade eine Renaissance.
Initiiert wurde die Jugendakademie des FC Barcelona vom großen Rinus Michels - zu wirklichem Leben erweckt von seinem verlängerten Arm auf dem Feld, Johan Cruyff. Beide kannten es aus ihrer Heimat nicht anders, als dass ein Klub seine eigenen Spieler heranzieht.
Eine Mischung aus Pragmatismus (denn viel Geld war bei Ajax, geschweige im Rest der holländischen Liga, nie wirklich vorhanden) und Philosophie (warum nicht alle Jugendmannschaften unter der selben Spielidee kicken lassen?) sorgte also ab Ende der Achtzigerjahre, in der zweiten Schaffensperiode von König Johann, dafür, dass in den acht Jahren seiner Trainertätigkeit (zwischen 1988 und 1996) sage und schreibe 29 Spieler den Sprung aus La Masia in den Profikader des Klubs schafften.
2010: Der Höhepunkt der Nachwuchsarbeit
In den Jahrzehnten zuvor war es nur einer Handvoll Nachwuchskicker gelungen, sich für die erste Mannschaft zu empfehlen. Höhepunkt der unter Cruyff eingeleiteten Entwicklung war sicherlich die Saison 2009/10, als die Blaugrana mit zehn Spielern (!) aus dem eigenen Nachwuchs spanischer Meister wurden.
In den letzten Jahren jedoch ist es etwas ruhiger geworden rund um "das Landhaus". Vielleicht sollte es so sein. Und vielleicht hatten die Macher am Nou Camp auch schon im Hinterkopf, dass eventuell ein Holländer das System wieder auf Vordermann bringen könnte, als sie im Spätsommer vergangenen Jahres den Kontakt zur Klub-Legende Koeman aufnahmen.
Der Verein hatte gerade im Champions-League-Viertelfinale von Lissabon mit 2:8 gegen den FC Bayern verloren und eines der dunkelsten Kapitel in der über 120-jährigen Klubgeschichte geschrieben. Auch drei mittlerweile ein wenig in die Jahre gekommene canteranos (Absolventen der Nachwuchsakademie) waren bei der Schmach gegen die Münchener zugegen.
Und Jordi Alba, Sergio Busquets und Gerard Piqué hatten in den Wochen darauf beste Aussichten, in der von Zorn, Enttäuschung und Scham geprägten Stimmung innerhalb des Klubs (parallel lief ja auch das Messi-Drama ab) mit Schimpf und Schande vom Hof gejagt zu werden.
Piqué bot sogar seinen Rücktritt an. Jede Zukunft konnte in diesem Moment nur besser werden als die Gegenwart. Und dann kam Koeman. Der Held von Wembley 1992. Der Mann, der dem Klub dessen ersten Triumph im Europapokal der Landesmeister beschert hatte.
Koeman sorgt wieder für Durchlässigkeit zwischen Nachwuchs und Profis
Für einen kurzen Moment ging ein Ruck durch den Klub. Ausreichend, um dynamische Prozesse in den Weg zu leiten. Dann begann Koeman zu liefern. Zunächst versicherte er sich der Komplizenschaft des Fixsternes Lionel Messi. Dann machte er sich daran, den Kader umzukrempeln.
Arturo Vidal, Ivan Rakitic, Luis Suárez - auch vor großen Namen machte der 58-Jährige nicht halt. Doch sein Hauptverdienst liegt wohl tatsächlich in einer Wiederbelebung der einstmals so intensiven Verzahnung zwischen Talentschmiede und Profikader.
Kurioserweise begann es mit dem besagten Trio, das La Masia in den Nuller-Jahren dieses Jahrtausends bevölkerte. Jordi Alba, Sergio Busquets und Gerard Piqué blieben nämlich allesamt an Bord - und sind jetzt eine wertvolle Stütze für die nachkommende Generation.
Für Spieler wie Ansu Fati (19), mittlerweile A-Nationalspieler Spaniens, Ronald Araújo (22), der ab Dezember praktisch nicht mehr aus dem Team wegzudenken war und nur von Verletzungen gestoppt werden konnte, Óscar Mingueza (21), den noch nicht mal mehr Verletzungen stoppen können oder Ilaix Moriba (18), dem Pendler zwischen dritter und erster Liga.
Neue Werte am blauroten Horizont
Und am Horizont erscheinen schon neue Werte. Wie ein Juan Miranda (21), dem die Leihe zu Betis Sevilla ganz offenbar gut getan hat. Wie ein Eric Garcia (20), auf den Koeman seit seiner Ankunft bestanden hat und der nun von Manchester City zurück "nach Hause" kommt.
Oder auch ein Konrad de la Fuente (19), der in dieser Saison zu seinem Profi-Debüt kam. Oder ein Riqui Puig (21), dessen Lobbyisten im Klub bisweilen für Unruhe sorgten, der nun aber offenbar verstanden hat, was Koeman von ihm fordert. Alex Collado (21), Jandro Orellana (20), Alex Baldé (18), Iñaki Peña (22), Arnau Tenas (19) oder Nico González (19) sind weitere Namen, die für eine Wiederbelebung der La Masia stehen.
Und für eine bessere Zukunft des stolzen katalanischen Giganten. Und auch dafür, dass man manchmal ganz tief fallen muss, um wieder an Höhe zu gewinnen.