90min-Interview mit Alexander Ludwig - Teil 2: Aues Kampf um Talente und Florian Krüger

Erzgebirge Aue etabliert sich mit guter Jugendarbeit in der 2. Bundesliga
Erzgebirge Aue etabliert sich mit guter Jugendarbeit in der 2. Bundesliga / Pool/Getty Images
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In seiner aktiven Karriere absolvierte der heute 37-jährige Alexander Ludwig 140 Zweitligaspiele für den FC St. Pauli oder 1860 München. Als langjähriger Profi entdeckte er die Faszination am Trainerberuf. Nach seiner Laufbahn sammelte er bei Rot-Weiß Erfurt erste Erfahrungen an der Seitenlinie. Seit dem vergangenen Sommer war er als Jugendtrainer bei Erzgebirge Aue tätig. Im Mai übernahm er den Cheftrainer-Posten beim Verbandsligisten Wacker Gotha.

Im ersten Teil des exklusiven Gesprächs mit 90min sprach der Thüringer über den Werdegang junger Spieler, den steigenden Leistungsdruck und den jugendlichen Alltag abseits des Platzes.

(Anmerkung: Geführt wurde das Interview mit Alexander Ludwig kurz vor seinem Wechsel zu Wacker Gotha - Ludwigs Aussagen sind daher noch aus seiner Rolle als U15-Trainer von Erzgebirge Aue heraus zu verstehen. Wir haben im Interesse des Leseflusses davon Abstand genommen, das Interview in die Vergangenheitsform umzuwandeln.)


Auch in dieser Saison hat Erzgebirge Aue mit einem gesicherten Platz im Mittelfeld der zweiten Liga früh die Weichen für die neue Saison gestellt. Einen wesentlichen Anteil an den überwiegend ausgeglichenen und zufriedenstellenden Leistungen hatten auch einige Youngster, die sich ihren Platz über die letzten Jahre im Kader erarbeitet haben.

Dabei ist es ausgerechnet mit der wachsenden Konkurrenz in Sachsen sehr schwer für den Zweitligisten, gestandene Talente zu locken. "Aue liegt natürlich total ungünstig, da liegst du nicht weit auseinander mit Dresden, Chemnitz, Zwickau und Red Bull Leipzig. Klar hast du dann deine Augen und Ohren offen, wo jemand Fußball spielen kann. Aber wenn man da ehrlich ist, dann ist es ja so, dass – das interessante Alter ist ja 14, 15 – alle, die jetzt schon gut sind und wo du sagst, die haben richtig Potenzial, wo du schon siehst 'die könnten was werden‘, nicht in Aue sind", so Ludwig.

"Die sind dann wohl oder übel in Dresden oder in Leipzig bei Red Bull." Gerade schon hoch gehandelte und begehrte Jungspieler sind meistens früh vom Markt. "Du musst dann gucken, dass du nicht auf dieselbe Beutejagd gehst wie Red Bull oder Dresden, weil da hast du keine Chance."

Der Blick geht eher zu Spielern, die zwar großes Potenzial mit sich bringen, aber noch einige Entwicklungsschritte zurücklegen müssen. Anders als bei anderen Stars, ist ein Durchbruch dann nicht immer der Fall. "Du musst dann in ein oder zwei Jahren gucken, ob da etwas draus wird oder nicht."

Aues Standort ist auch ein Vorteil

In Sachen Attraktivität oder finanzieller Schlagkraft kann Aue nicht wirklich prahlen, wie Ludwig erklärt. Doch neben dem vielversprechenden Angebot, bietet der Standort auch charmante Vorteile. "Mit der Stadt kannst du nicht punkten. Das Gute ist: Du bist ein vernünftig und gut geführter Zweitligist. Du kannst ruhig arbeiten, die Jungs können in Ruhe in die Schule oder auf die Sportschule gehen."

An Konzentration mangelt es den Nachwuchskickern deshalb nicht. "Die werden nicht abgelenkt, weil es eine coole Stadt ist. In Leipzig gibt es ja ein bisschen mehr zu sehen und zu machen. Und das hast du in Aue nicht. Die Jungs sind dann schon fokussiert die Woche über und das ist schon ein Plus." Dieser Zustand ist für das Gesamtbild durchaus einflussreich, um die Spieler schon früh mental auf den harten Alltag vorbereiten.

"Die werden nicht abgelenkt, weil es eine coole Stadt ist."

Alexander Ludwig

Durch die erfolgreiche Arbeit mit einigen Talenten hat sich der Verein in der zweiten Liga etabliert. Der dadurch entstandene Ruf eines Ausbildungsvereins ist laut Ludwig nicht gerade einfach abzulegen. "Das Prinzip von Aue ist ja erst einmal, auf dem Boden zu bleiben und das zu machen und zu bezahlen, was man auch nur kann. Die sind jetzt seit zehn Jahren in der zweiten Liga, die Jungs verdienen vernünftig Geld. Aber auf lange Sicht kannst du jemanden, der dann mal so richtig einschlägt, nicht halten." Vor allem wirtschaftlich würde dies den Verein zurückwerfen.

Talentförderung als Einnahmequelle - Paradebeispiel Krüger

Alle "vier oder fünf Jahre" käme ein solcher Spieler zu den Profis hoch. Viel Auswahl bleibt Aue und seinem Präsidenten Helge Leonhardt dann nicht. "Den musst du dann quasi verkaufen, damit du das Geld hast für die nächsten fünf Jahre. Von daher bleibt dem Herrn Leonhardt nicht viel übrig", so Ludwig eindeutig.

Einen dauerhaften Kurswechsel in Richtung eines Vereins, der komplett von der eigenen Jugendarbeit lebt, hält Ludwig für ausgeschlossen. "Ich glaube nur mit dem Ausbilden und mit den Jungs, die du im eigenen Verein hast, wirst du es nicht schaffen. Das ist nicht möglich. Im Profikader sind glaube ich drei oder vier, die aus der eigenen Jugend kommen. Der Rest ist gekauft. Da wirst du auch in Zukunft nicht darum herumkommen, zu investieren."

Auch für andere Vereine sei dies ohne einen ungemein hohen Aufwand nicht in den Profi-Ligen umsetzbar. "Dann setzt du die Zukunft des Vereins auf das Spiel." Stattdessen konzentriert sich ein Verein lieber auf die gezielte Ausbildung von Spielern, wie Florian Krüger. Der Angreifer kickt seit 2018 in Aue und hat den Sprung zum Leistungsträger geschafft.

Seine 18 Torbeteiligungen in der abgelaufenen Saison und ein stattlicher Marktwert von vier Millionen Euro überraschen Ludwig nicht. "Im Moment explodiert er ja. Er ist auch ein Deutscher, das spielt auch immer eine Rolle. Er ist vernünftig, er ist kein Extrovertierter, der sich die Haare rot oder blau färbt. Er macht sein Ding, ist glaube ich auch sehr konstant für sein Alter. Und er weiß, wo das Tor steht, das macht ihn sehr attraktiv."

Die Entwicklung junger Stars hängt vor allem am Trainer

Krüger steht exemplarisch für einen Youngster, der es in Aue bis nach ganz oben geschafft hat. Trotz seines Potenzials konnte er die Verantwortlichen durchaus überraschen. Doch Ludwig weiß, wie sehr die Entwicklung an seinen Förderern hing. "Die Sache ist natürlich auch immer: Was hast du für einen Trainer? Du hast einen guten Jungen und so, aber wenn du einen Trainer hast, der nicht auf den baut oder sagt, er kann mit jungen Spielern nicht arbeiten, dann hast du gar keine Chance als junger Spieler, ganz egal, ob du die Qualitäten hast."

"Wenn du einen Trainer hast, der nicht auf dich baut, dann hast du gar keine Chance."

Alexander Ludwig

Doch bei Krüger ging alles planmäßig auf. Speziell die Chemie innerhalb der Mannschaft ließ ihn in dieser Spielzeit aufblühen. "Ich denke, dass er bei dem Schuss da ganz gut reinpasst. Er hat natürlich auch in den richtigen Spielen gut getroffen, damit der Trainer auch nicht mehr an ihm vorbeikommt. Die Entwicklung, die er jetzt macht; das ist schon sehr sehr gut."


In Teil 3 des Gesprächs berichtet Alexander Ludwig davon, wie ein Profi-Verein mit schwer verletzten Jugendspielern umgeht und was er über die kommende Entwicklung im Talentbereich und Nachwuchsfußball denkt.