Neues Elfmeter-Drama für England: Wo waren die erfahrenen Spieler?

Bukayo Saka, der Jüngste der Three Lions, musste die größte Verantwortung schultern - und scheiterte!
Bukayo Saka, der Jüngste der Three Lions, musste die größte Verantwortung schultern - und scheiterte! / Carl Recine - Pool/Getty Images
facebooktwitterreddit

Penalties - what else? In Verfremdung eines schon zum Klassiker gewordenen Werbespots aus den Achtzigerjahren für einen bekannten Aperitif könnte man diesen Spruch auf das Schicksal von Englands Nationaltrainer Gareth Southgate anwenden. Denn vor allem Strafstöße haben die Karriere des 50-Jährigen bis heute geprägt. Nicht unbedingt zu seinem Vorteil.


Rückblick: Am Abend des 26. Juni 1996 war es der damals 25-jährige Verteidiger von Manchester United, der als Einziger im Elfmeterschießen des EM-Halbfinals zwischen England und Deutschland scheiterte.

Andi Möller machte dann mit seinem eiskalt verwandelten Strafstoß den deutschen Einzug ins Finale perfekt - während nur wenige Meter von ihm entfernt ein völlig niedergeschlagener Southgate mit seinem Schicksal haderte und gleichzeitig mit den Tränen der Enttäuschung kämpfte.

Schlechtes Coaching von Southgate

Beim gestrigen Shoot-out zwischen Engländern und Italienern kam der Trainer der Three Lions zwar nicht in die Verlegenheit, selber vom Punkt aus verwandeln zu müssen - aber er war als Chef der Gruppe dafür verantwortlich, die richtigen Leute für den entscheidenden Showdown auszusuchen.

Der Plan Southgates wurde in den Schlussminuten der von angsterfüllter Lähmung (auf beiden Seiten) geprägten Verlängerung erkennbar. Für die Routiniers Kyle Walker und Jordan Henderson (der erst 36 Minuten zuvor für Declan Rice eingewechselt worden war) schickte Southgate die Youngsters Jadon Sancho und Marcus Rashford auf den Platz.

Gareth Southgate, Marcus Rashford, Jadon Sancho
Dieser Plan ging daneben: Southgate wechselte Sancho und Rashford fürs Elfmeterschießen ein / Robbie Jay Barratt - AMA/Getty Images

Nicht etwa um in den verbleibenden Sekunden einen wie auch immer gearteten Lucky Punch zu landen - denn dafür war die Luft zu sehr aus der Partie rausgelassen worden. Nein, vielmehr waren beide Spieler als Elfmeterschützen vorgesehen.

Vor ein paar Wochen noch hätte das auch niemanden überrascht. Schließlich galten Rashford und Sancho im Vorfeld der EURO 2020 als zwei der potentiellen Garanten der Engländer auf den finalen Erfolg.

Doch wirklich zum Zuge kamen sie während dieses Turniers eigentlich nie. Insgesamt 83 Einsatzminuten, verteilt auf vier Spiele, stehen bei Rashford zu Buche, 97 bei Sancho, der nur beim 4:0 über die Ukraine im Viertelfinale über die volle Spielzeit auf dem Platz stand.

Torvorlagen oder gar eigene Treffer gelangen dem Duo während dieser Spielminuten keine. Warum also bürdete Southgate seinen Youngstern diese enorme Verantwortung auf? Auch ZDF-Experte Christoph Kramer fand darauf keine befriedigende Antwort.

Man muss keinen Doktortitel in Psychologie haben, um zu der Erkenntnis zu gelangen, dass eine solche Situation einen jungen Spieler einfach überfordern muss.

Für Sancho und Rashford verdichtete sich die gesamte EURO in einem Schuss

Jadon Sancho
Ein Elfmeter mit Ansage: ein sichtlich eingeschüchterter Jadon Sancho scheitert an Donnarumma / Marc Atkins/Getty Images

Plötzlich sollst du im Hexenkessel eines mit 65.000 Zuschauern gefüllten Wembley-Stadiums, im alles entscheidenden Penalty-Schießen die ganze Last der Verantwortung tragen. Sollst dafür sorgen, dass sich eine jahrzehntelange Frustration per Elfmeterkick in Wohlgefallen auflöst.

Der Jüngste als Schluss-Schütze

Too big to manage. Oder in heimischer Sprachwahl: zu groß, um nicht daran zu scheitern. Den i-Punkt auf ein schlechtes Team-Management in der entscheidenden Phase des Spiels setzte dann der Umstand, dass mit Bukayo Saka (19) ausgerechnet der Jüngste im englischen Kader den so oft so ominösen fünften Elfmeter seines Teams nehmen musste.

Wo waren die erfahreneren Spieler der Engländer wie Raheem Sterling oder Jack Grealish, als es an die Einteilung der Schützen ging? Ängstlich weggedukt? Oder nur halblaut die "Bereitschaft" zum Schießen angemeldet? Wo war der Psychologe in Southgate in diesen Momenten?

Im Nachhinein betrachtet schien es so, als ob alle froh waren, überhaupt fünf Freiwillige zusammen zu bekommen. Egal welchen Alters. Wahrlich kein Ruhmesblatt für eine Mannschaft (in toto, den Trainer eingeschlossen), die sich vor etwas mehr als fünfzehn Stunden noch anschickte, die Krone Europas zu erobern.