Nach England-Debakel gegen Ungarn: Trainer Gareth Southgate massiv in der Kritik
Von Simon Zimmermann
England erlebt gegen Ungarn eine historische Heimpleite. Von der EM-Euphorie ist auf der Insel 159 Tage vor dem WM-Start nichts mehr zu spüren. Vielmehr steht Three-Lions-Coach Gareth Southgate im Mittelpunkt der Kritik.
In der Nations-League-Gruppe A3 tummeln sich mit Deutschland, Italien und England drei große Fußball-Nationen. Tabellenführer nach den ersten vier Partien ist allerdings Außenseiter Ungarn. Während die Stimmung beim DFB-Team nach dem Kantersieg über Italien wieder positiv ist, herrscht bei den beiden Finalisten der Europameisterschaft im vergangenen Sommer Tristesse.
Italien hat es gar nicht erst zur WM in Katar geschafft und bastelt am Umbruch. Bei den Three Lions ist ein solcher eigentlich gar nicht nötig. Der englische Kader trieft vor Qualität - eigentlich. Nach der 0:1-Pleite in Ungarn erlebte der Vize-Europameister am Dienstagabend aber ein wahres Debakel. Mit 0:4 ging man gegen die Magyaren im heimischen Stadion unter. Es war die heftigste Heimpleite seit einem 1:5 gegen Schottland 1928! Und die erste Heimniederlage gegen Ungarn seit dem legendären 3:6 von Wembley 1953, als die Ungarn noch das beste Team der Welt waren.
Noch während des Spiels: England-Fans schimpfen gegen Southgate
Im Fokus der Kritik: Englands Nationaltrainer Gareth Southgate. "Am Morgen entlassen!" "Du weißt nicht, was du tust!"
Der 51-Jährige wurde von den eigenen Fans im Molineux Stadium zu Wolverhampton noch während der Partie scharf angegangen. Die englische Presse war wenig überraschend nicht viel gnädiger, auch wenn sie sich nicht direkt auf den Trainer bezog. "Enland Goulashed" titelte die Daily Mail. Die Sun schrieb "The Hungar Shames".
Doch Southgate erhielt auch Rückendeckung. "Klappe, ihr Clowns", twitterte der ehemalige Nationalspieler und Liverpool-Verteidiger Jamie Carragher, der heute als TV-Experte arbeitet. "Dieser Trainer hat das Land in zwei Turnieren zu den besten Ergebnissen seit 1966 geführt", merkte Carragher an.
In der Tat war England unter Southgate bei der WM 2018 ins Halbfinale gekommen. Bei der Europameisterschaft im vergangenen Jahr verpasste man den Titel nur denkbar knapp im Elfmeterschießen gegen Italien.
Kane stellt sich hinter Southgate: "Das steht außer Frage"
Kapitän Harry Kane wollte eine Diskussion um Southgate ebenfalls nicht aufkommen lassen. "Das steht außer Frage. Um ehrlich zu sein, sollte das nicht mal eine Frage sein, die ich zu beantworten habe", so der Spurs-Torjäger. Schließlich sei "Gareth maßgeblich daran beteiligt, diese englische Mannschaft zu einer der erfolgreichsten Mannschaften der letzten 50 Jahre zu machen. Es ist nicht die Zeit, panisch zu werden. Wir müssen es mit Fassung tragen", meinte Kane weiter.
Doch es gab natürlich auch andere Stimmen - gegen Southgate. "Es gibt andere Kandidaten, die besser geeignet sind - und ich bin sicher, Gareth Southgate steht heute Nacht unter Druck", meinte etwa der ehemalige Liverpool-Profi Stephen Warnock gegenüber BBC-Radio.
Southgate: "Ich kenne diese schwierigen Zeiten"
Englands Trainer selbst wusste schon direkt nach dem Abpfiff, dass es ungemütlich um ihn werden dürfte. "Das ist eine sehr unangenehme Nacht. Wir haben nicht viele Fußballspiele verloren, und wenn man mit England so hoch verliert, vor allem zu Hause, dann ist das sehr schmerzhaft", meinte er gegenüber der BBC.
Southgate führte weiter aus: "Ich bin mir darüber im Klaren, was für uns als Gruppe funktioniert und was nicht - heute Abend ist ein schwieriger Abend. Meine Vorgänger haben solche Abende erlebt, ich habe sie als Kind vom Sofa aus und als Spieler miterlebt, und ich kenne diese schwierigen Zeiten. Aber man kann nicht nur an der Spitze stehen, wenn es gut läuft, und nicht aufstehen, wenn man schwierige Erfahrungen macht. Das ist ein Teil des Fußballs, das ist ein Teil des Lebens."
"Es ist mir nicht gelungen, die richtige Balance zu finden"
Ob diese Ausflüge in die Geschichte der Three Lions Southgate weiterhelfen? Fraglich! Immerhin folgte dann doch so etwas wie Selbstkritik: "Es ist ein schwieriger Abend für die Spieler. Ich fühle mit ihnen, weil ich vor allem in den beiden Ungarn-Spielen versucht habe, den Kader auszubalancieren und jungen Spielern eine Chance zu geben, und es ist mir nicht gelungen, die richtige Balance zu finden, damit sie auf dem Niveau spielen konnten, das sie brauchten, um diese Spiele zu gewinnen."
Vor allem die enorme Belastung der zurückliegenden Saison und die vier eng aufeinander folgenden Spiele führte der 51-Jährige als Grund für die bitteren Ergebnisse an.