EM-Senkrechtstarter: Die Top-Elf der Turnier-Überraschungen
Von Dominik Hager
Ein Großereignis wie die EM ist immer auch die perfekte Möglichkeit für junge Spieler, den Weg auf die große Fußball-Bühne zu finden. Doch auch erfahrenere Akteure, die in den letzten Jahren eher unauffällig agierten, sorgten bei der Europameisterschaft im positiven Sinne für Erstaunen. Hier ist die Top-Elf der größten EM-Überraschungen.
1. Tomáš Vaclík
Die Tschechen hatte vor der EM wahrlich niemand auf der Rechnung. Dank einer starken Defensiv-Leistung und vor allem auch Torwart Tomáš Vaclík gelang dem Team der Sprung in die K.o.-Runde.
Bereits gegen die Schotten (2:0) war der 32-Jährige einer der Matchwinner. Nach unauffälligeren Partien gegen Kroatien und England, sorgte der erfahrene Keeper in den K.o-Spielen wieder für Furore. Sowohl gegen die Holländer, als auch gegen die Dänen hielt Vaclik stark, wenngleich es für das Halbfinale dann doch nicht ganz reichte.
Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass der tschechische Schlussmann zuletzt nur noch die Nummer zwei beim FC Sevilla war und lange an Knieproblemen litt. Inzwischen ist er vereinslos, was allerdings nach dieser EM nicht lange so bleiben sollte.
2. Denzel Dumfries
Denzel Dumfries startete wie die Feuerwehr ins Turnier. Beim ersten Spiel der Niederländer gegen die Ukraine sorgte er mit seinem Kopfballtor in der 85. Minute für den 3:2-Siegtreffer. Mit einem Tor und einem Assist avancierte er auch gegen Österreich (2:0) zum Matchwinner.
Von da an sollen zahlreiche Klubs, darunter auch der FC Bayern, am dynamischen und offensivstarken Außenverteidiger Interesse bekundet haben. Gegen Nordmazedonien und Tschechien war Dumfries dann nicht mehr ganz so auffällig.
Wir dürfen gespannt sein, ob wir den 25-Jährigen im nächsten Jahr bei einem Top-Klub sehen. Derzeit soll Inter Mailand Interesse an Dumfries als Hakimi-Ersatz zeigen. Aktuell steht der Rechtsverteidiger bei der PSV Eindhoven unter Vertrag.
3. Tomáš Kalas
Tomáš Kalas ist beim englischen Zweitligisten Bristol City aktiv. Allerdings zeigte der 28-Jährige bei den EM-Matches durchgängig, dass die 2. Liga nicht vor Leistung schützt.
Kalas ging als Abwehr-Leader vorne weg und war mit seinen zahlreichen Rettungsaktionen mitverantwortlich für die über weite Strecken sensationelle Defensiv-Leistung der Tschechen. Mit seinem Assist gegen Holland trat er auch Offensiv in Erscheinung.
4. Jannik Vestergaard
Der Ex-Gladbacher fiel in der Bundesliga zum einen mit seinen vielen Kopfballtoren und zum anderen aber auch immer wieder mit Fehlern auf. Bei der EM blieb der fast zwei Meter große Innenverteidiger vom FC Southampton jedoch fast fehlerfrei und bildete mit Christensen und Kjaer ein kaum bezwingbares Trio.
Vor allem gegen England agierte der Abwehr-Hüne wie ein Fels in der Brandung. Während man eine solche Leistung von Christensen und Kjaer erwarten konnte, zeigte Vestergaard, dass er auch auf diesem Niveau abliefern kann.
5. Leonardo Spinazzola
Leonardo Spinazzola ist so etwas wie der tragische Held der EM. Der Linksverteidiger agierte furios und verkörperte mit Tempo, Offensivdrang, gutem Kombinationsspiel und defensiver Stabilität alles, was man von einem Außenverteidiger sehen will.
Im Turnierverlauf steuerte er zudem zwei Assists bei. Gegen die Belgier zog sich der 28-Jährige vom AS Rom allerdings einen Achillessehnenriss zu und wird lange ausfallen.
Die Italiener haben aber keinesfalls vergessen, was Spinazzola geleistet hat, sodass er mit Sprechhören gefeiert wurde und bei der Pokal-Übergabe als Erster auf die Bühne durfte.
6. Pierre-Emile Højbjerg
Unter José Mourinho hat Pierre-Emile Højbjerg bei Tottenham Hotspur nochmal einen weiteren Schritt nach vorne gemacht. Das sensationelle Auftreten bei der EM kam aber dennoch überraschend.
Højbjerg agierte in Abwesenheit von Eriksen als absoluter Führungsspieler im Mittelfeld der Dänen. Dabei war er sowohl für defensive Härte als auch für das Aufbauspiel und die Kreativität zuständig. Seine vielen Jobs erledigte der 25-Jährige tadellos und steuerte zudem drei Assists bei.
Højbjerg hat gezeigt, dass er ein kompletter Mittelfeldspieler ist. Die Bayern dürften sich rückblickend über den Verkauf mächtig ärgern.
7. Pedri
Wenn es einem 18-Jährigen gelingt, Stars wie Thiago Alcántara auf die Bank zu verweisen, dann weiß man schon, dass dieser Fußball-Knirps wahrlich außergewöhnliches Potenzial besitzt.
Pedri glänzte mit tollen Pässen und einem für sein Alter unfassbares Spielverständnis. Im oft eher einfallslosen spanischen Ballbesitz-Spiel war Pedri neben Dani Olmo der Spieler mit den meisten kreativen Momenten.
Kein Wunder, dass der Youngster von zahlreichen Experten gefeiert wird. Mit dem jungen Super-Techniker haben die Spanier und der FC Barcelona wieder einen Spieler, der in die Fußstapfen von Xavi und Iniesta treten kann.
8. Andriy Yarmolenko
'Totgeglaubte leben länger', ist wohl die treffende Glückskeksweisheit zu den Leistungen von Andriy Yarmolenko. Der 32-Jährige schien nach bestenfalls mäßigen Spielzeiten im Klub-Fußball eigentlich deutlich über seinem Zenit zu sein.
Bei der EM packte der Spieler von West Ham aber nochmal sein gesamtes Skill-Set aus. Besonders beeindruckend war sein Tor gegen Holland, als er von der rechten Seite nach innen zog und den Ball punktgenau ins lange Eck schlenzte.
Insgesamt gelangen Yarmolenko zwei Tore und zwei Vorlagen, darunter der entscheidende Assist beim 2:1 n.V. gegen Schweden.
9. Mikkel Damsgaard
Mikkel Damsgaard agierte sozusagen als Ersatz-Eriksen. Damsgaard glänzte im Anschluss mit Kreativität, toller Ballführung und Abschlussstärke.
Besonders in Erinnerung bleibt natürlich sein sehenswerter Freistoß gegen England. Doch auch darüber hinaus überzeugte Damsgaard mit seiner spielerischen Klasse und einer feinen Klinge. Fähigkeiten, die dem dänischem Offensivspiel ansonsten enorm abgegangen wären.
Einige Spitzenklubs sollen den 21-jährigen Mittelfeldspieler von Sampdoria Genua bereits auf dem Zettel stehen haben.
10. Steven Zuber
Steven Zuber fiel in der Bundesliga eigentlich schon seit vielen Jahren nicht mehr groß auf. Meist spielte der Schweizer ordentlich, ohne aber wirklich in Erscheinung zu treten. Ein Bundesliga-Durchschnittskicker, wie er im Buche steht, sollte man also meinen. Demnach saß Zuber zu Turnierbeginn auch nur auf der Bank.
Als er dann aber im dritten Gruppenspiel gegen die Türkei von Beginn an auflaufen durfte, wandte sich für ihn und die ganze Schweiz das Blatt. Der Frankfurter markierte drei Assists und war somit Matchwinner beim 3:1-Erfolg gegen die Türken.
Im Achtelfinale gegen die Franzosen war es ebenfalls seine punktgenaue Flanke, die für das zwischenzeitliche 1:0 durch Haris Seferović sorgte und die Schweiz auf die Siegesspur brachte.
11. Patrik Schick
Patrik Schick hat bei Leverkusen eine eher enttäuschende Saison hinter sich gebracht, in der er sich mit Alario um Spielzeit streiten musste. Bei den Tschechen fungierte er jedoch als klarer Stürmer Nummer eins und wurde letztlich einer der Stars des Turniers.
Schick erzielte fünf von sechs tschechischen Toren und schoss sein Team damit ins Viertelfinale. Zudem sorgte er mit seinem irren Tor aus 52 Metern gegen die Schotten für den spektakulärsten Turnier-Treffer.
Letztlich wurde Schick nur nicht Top-Torjäger, weil Cristiano Ronaldo neben seinen fünf Toren noch einen Assist beisteuerte. Dies schmälert seine herausragende Leistung aber keineswegs.