Two-Face-Pogba - oder: das größte Rätsel im Weltfußball

Paul Pogba dominiert für Les Bleus
Paul Pogba dominiert für Les Bleus / Markus Gilliar/Getty Images
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Ein Unterschied wie Les Bleus und Red Devil ist es, wenn Paul Pogba auf dem Fußballplatz auftaucht. Hier, bei der französischen Nationalmannschaft, löst er das Versprechen ein, das er einst der Fußballwelt gab. Dort, bei Manchester United, sorgt er mehr abseits des grünen Rasens für Schlagzeilen. Der 28-Jährige bleibt damit das größte Rätsel der jüngeren Fußball-Geschichte.


Wir schreiben den 4. Juli 2014. Deutschland trifft im legendären Maracanã-Stadion in Rio de Janeiro auf Frankreich. WM-Viertelfinale, das Duell zweier Mitfavoriten auf den Titel. Dem deutschen Team reicht der Kopfballtreffer von Mats Hummels zum umkämpften 1:0-Sieg. Der Rest ist Geschichte.

Auf den Rängen dieses Fußballtempels fieberte ich damals mit Jogis Jungs. Und war umso erleichterter, als wir uns gegen den "Erzfeind" aus Frankreich durchsetzen konnten und die Reise in Brasilien weiterging. Lange vor dem Freudentaumel nach dem Schlusspfiff und der anschließenden Feier an der Copacabana, begleitet von "Adieu Les Bleus"-Sprechchören der deutschen Fans, durften die Zuschauer im Stadion einen Spieler bewundern, der dafür bestimmt zu sein schien, den Weltfußball über Jahre zu prägen: Paul Pogba.

Dafür bestimmt, den Weltfußball zu dominieren

Es war unfassbar, welche Power und Athletik der damals 21-Jährige zeigte. Die Gegenspieler wurden wie lästige Fliegen vom Ball fern gehalten, jede Bewegung strotzte vor Selbstvertrauen und Eleganz. Dieser Mittelfeldspieler ist eine absolute Maschine, dachte ich mir.

Zwei Jahre stand Pogba damals schon bei Juventus Turin unter Vertrag. Der italienische Meister schnappte sich den Franzosen - der vier Jahre später Weltmeister werden sollte - ablösefrei aus der U21 von Manchester United. Ein absoluter Glücksgriff der Alten Dame! 34 Tore und 40 Vorlagen legte er als zentraler Mittelfeldspieler in 178 Pflichtspielen auf. Vier Scudetti, zwei Coppa-Italia-Titel und zwei italienische Superpokalsiege holte Pogba mit Juve in seinen vier Jahren in Turin. Lediglich der ganz große Wurf in der Champions League fehlte zum perfekten Glück.

Pogba kann in Manchester nicht nachhaltig überzeugen

In Manchester erinnerte man sich schließlich an das Eigengewächs, das man 2009 aus der U17 von Le Havre verpflichtete und das 2013 U20-Weltmeister wurde. Jenen Spieler, den man vor vier Jahren ablösefrei vom Hof jagte und der inzwischen zu einem der dominantesten Mittelfeldspieler im Weltfußball geworden war, holte man 2016 für über 100 Millionen Euro (!) zurück!

Es schien, als sei Pogba nun endlich bereit, auch das Old Trafford zu erobern. Doch der Schein trügte. Trotz des Europa-League-Titels in der ersten Saison nach seiner Rückkehr und zwei Triumphen im englischen Liga-Pokal warten sie bei den Red Devils noch heute auf den "wahren Pogba".

Ärger mit den Trainern, Rumgeschiebe auf verschiedene Mittelfeldpositionen und kolportierte Abgänge zeichnen Pogbas zweites Engagement bei Man United bis heute aus. Wirklich konstant auf dem Niveau, das er mir einst an diesem 4. Juli 2014 im Maracanã versprach und das er bei Juventus regelmäßig zeigte, kam Pogba bis heute nicht im Red-Devil-Trikot heran.

Der andere Pogba für Les Bleus

Zu sehen bekommen es die United-Fans nur, wenn Pogba das rote gegen ein blaues oder wahlweise weißes Leibchen eintauscht. Dann kickt er bei Les Bleus zusammen mit Pferdelunge N'Golo Kanté und kann sein "Mittelfeld-Reich" beherrschen. Mit Eleganz, Power und dieser unglaublichen Dominanz.

(Seit Dienstagabend sind es 28 Spiele und 22 Siege)

Eindrucksvoll zu sehen war das mal wieder beim EM-Auftakt gegen Deutschland, wo Pogba völlig zurecht als Man of the Match ausgezeichnet wurde. Toni Kroos versuchte Pogba zu folgen wie ein Kettenhund. Ausschalten konnte ihn aber weder der eigentliche Stratege noch sonst ein Spieler im deutschen Team. Pogbas ganze Klasse in einer Aktion:

Vielleicht ist es das Vertrauen von Didier Deschamps, die Sicherheit, die ihm Kanté bietet oder die Möglichkeit, im französischen Trikot seinen Instinkten zu folgen. Wahrscheinlich ist es eine Kombination aus allem.

Doch irgendwie bleibt es aus neutraler Sicht extrem schade, dass Pogba seinen weniger talentierteren Zwillingsbruder zurück nach Manchester geschickt zu haben scheint. Den "wahren Pogba" bekommt die Fußballwelt nur in Häppchen und alle paar Jahre bei einem großen Turnier zu sehen. Seine Versprechung - die Fußball-Welt zu dominieren - kann er trotz aller Erfolge nur bedingt einlösen.

Aber vielleicht schafft er es ja doch noch. Ob in Manchester oder an einem anderen Ort. Zeit wäre für den 28-Jährigen noch vorhanden. Und Frankreich hätte auf Anhieb den nächsten heißen Anwärter für den Ballon d'Or.

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