EM 2024: Warum sich Spieler beim Freistoß hinter die Mauer legen

Wer den Auftakt der Europameisterschaft verfolgt hat, dem ist vielleicht ein merkwürdiger Trend aufgefallen. Immer häufiger legen sich Spieler bei gegnerischen Freistößen hinter die Mauer - doch warum?
Ein schottischer Spieler liegt im Spiel gegen Deutschland hinter der Freistoßmauer
Ein schottischer Spieler liegt im Spiel gegen Deutschland hinter der Freistoßmauer / Shaun Botterill/GettyImages
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Es ist die 25. Minute im Eröffnungsspiel der Europameisterschaft, es steht bereits 2:0 für die Gastgeber. Jamal Musiala dribbelt sich wieder einmal in den Strafraum der Schotten, wird aber gefoult und bekommt einen Elfmeter zugesprochen. Nach kurzer Rücksprache mit dem VAR revidiert Schiedsrichter Clement Turpin jedoch seine Entscheidung und zeigt mit einer Geste in Richtung Strafraumgrenze auf Freistoß, da der entscheidende Kontakt außerhalb des Strafraums stattgefunden hatte. Beim Freistoß stellen sich mehrere deutsche Spieler zum Ball, um mit einer Variante das nächste Tor zu erzielen.

Der Freistoß verpufft schließlich harmlos, doch aufmerksame Zuschauer könnten in dieser Situation etwas ganz anderes bemerkt haben. Hinter der schottischen Mauer, in der sich fast die gesamte Mannschaft befand, hatte es sich die Nummer 7 der Schotten, John McGinn, auf dem Boden bequem gemacht. Ein Phänomen, das in letzter Zeit im Profifußball immer häufiger zu beobachten ist - aber warum eigentlich?

Das Grundprinzip dieses taktischen Manövers ist eigentlich ganz einfach erklärt: Der Spieler hinter der Mauer soll die Chance erhöhen, einen Freistoß erfolgreich zu blocken. Da die meisten Freistoßtore durch hohe Bälle erzielt werden, gibt es die Freistoßmauer, in der je nach Position des Freistoßes mehr oder weniger Spieler stehen und die Ecke des Tores verteidigen, in der der Torwart nicht steht.

Um hohe Bälle so gut wie möglich abzuwehren, springt die Mauer in der Regel im Moment des Schusses hoch, um dem Freistoßschützen den Torschuss so schwer wie möglich zu machen. Das Hochspringen der Mauer ermöglicht jedoch auch einen Abschluss unter der Mauer hindurch, ein Trick, den sich vor allem ein Fußballstar zunutze gemacht hat.

Ein Freistoßtor gegen Werder Bremen als Ursprung

Der Hintergrund ist vor allem mit einem Namen verbunden: Ronaldinho. Der brasilianische Superstar griff in einem Champions-League-Spiel seines FC Barcelona in der Saison 2006/07 gegen den Bundesligisten Werder Bremen in die Trickkiste und verwandelte einen Flachschuss unter der Mauer hindurch zur 1:0-Führung für den FC Barcelona. Es war nicht der einzige Freistoß dieser Art eines der größten Fußballer aller Zeiten. Als Antwort auf Ronaldinho wurde schließlich auch die Antwort mit einem hinter der Mauer liegenden Spieler geboren.

Wie der Sportsender ESPN in einem Artikel aus dem Jahr 2021 recherchierte, geschah dies zunächst in Ronaldinhos brasilianischer Heimat. Nachdem Ronaldinho nach seiner Rückkehr in die Heimat auch in Brasilien mit einem ähnlichen Freistoßtor für Aufsehen gesorgt hatte, entwickelte sich im fußballverrückten Land ein Trend zum flachen Freistoß. Ricardinho, ein Spieler des Serie-B-Klubs Figueirense, entschied sich deshalb 2013 in einem Ligaspiel gegen Palmeiras dafür, sich auf den Boden zu legen. Der Trainer des Mittelfeldspielers hielt die Aktion für einen Scherz, doch Ricardinho selbst betont, dass er sich die vorherigen Spiele des Gegners angesehen und einen flachen Freistoßversuch beobachtet habe.

Auf jeden Fall hatte Ricardinho eine neue Taktik erfunden, die im brasilianischen, wie internationalen Fußball immer mehr Anwendung gefunden hat. Gerade in den letzten Jahren hat sich im europäischen Spitzenfußball das merkwürdig anmutende Freistoßverhalten eingebürgert. Bei fast jeder gefährlichen Freistoßposition gehört ein liegender Spieler mittlerweile genauso dazu wie die Mauer selbst.


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