Ackern können sie auch: 6 Erkenntnisse zum deutschen Sieg gegen Spanien

Germany v Spain: Group B - UEFA Women's EURO 2022
Germany v Spain: Group B - UEFA Women's EURO 2022 / Anadolu Agency/GettyImages
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Deutschland konnte auch im zweiten Gruppenspiel einen Sieg einfahren und fügte den mitfavorisierten Spanierinnen damit die erste Niederlage seit 1.221 Tagen zu. Gegen Spanien zeigte Deutschland ein anderes Gesicht als im ersten Gruppenspiel gegen Dänemark und bewies, dass auch Kämpfen und Laufen für dieses Team kein Problem ist. Martina Voss-Tecklenburg bewies damit taktische Flexibilität und setzte auf die richtige Strategie - das sind sechs Erkenntnisse vom Spiel.


Voss-Tecklenburg stellt um - mit Erfolg

Deutschland spielte gegen Spanien deutlich defensiver als gegen Dänemark, das zeigen allein die nackten Zahlen: Der Ballbesitz-Anteil schrumpfte von 66% auf 30%, statt 22 Schüssen standen jetzt nur noch acht zu Buche. Zum Einen liegt das natürlich an Spanien, das auf einen ballbesitzorientierten Stil setzt und den Gegner am eigenen Strafraum einschnüren will. Andererseits hat Voss-Tecklenburg bewusst die Taktik verändert, um Spanien so wenige Räume wie möglich zu lassen.

Im Spiel zeigte sich immer wieder, dass das der richtige Ansatz war. Denn so richtig brenzlig wurde es für Deutschland nur, wenn Spanien Lücken in der Abwehr fand - so etwa bei Lucia Garcias Großchance in der 10. Minute. Oder die Verteidigerinnen einen Schritt zu spät kamen, wie in der 71. Minute, als Frohms stark gegen Mariona Caldentey rettete. Ein anderer Ansatz wäre es gewesen, mit eigenem Ballbesitz dagegenzuhalten und, wie schon gegen Dänemark, die Kombinationen aus dem Mittelfeld heraus zu suchen. Voss-Tecklenburg entschied sich dagegen und mutete es den Spielerinnen damit zu, sich an einen sehr anderen Spielplan anzupassen. Statt schneller Ballverarbeitung und dem Kreieren von Überzahlsituationen war jetzt auf dem Verschieben und Ackern der Fokus - und das DFB-Team löste diese Aufgabe sehr gut

Geschlossen über 90 Minuten dagegengehalten - Offensive schont sich nicht

Deutschland hielt über die gesamten 90 Minuten die Konzentration und den Willen zur Defensivarbeit aufrecht - abgesehen von den bereits erwähnten beiden Fehlern. Dort zeigte sich prompt, dass eine Leistung auf Topniveau auch nötig war, denn wenn nur eine Spielerin die Situation falsch einschätzte, wurde es direkt brandgefährlich. Besonders auffällig war die Leistung der deutschen Offensivspielerinnen, die sich selbst nicht schonten und viele Meter machten, um hinten zu klären und dann wieder in der Hoffnung auf einen schnellen langen Ball nach vorne zu sprinten.

Bei dem Arnold-Clark-Cup war es gegen Spanien ähnlich gewesen, auch dort sah Deutschland nur wenig vom Ball. "Für mich waren die vielen Läufe ohne den Ball zu bekommen beim Arnold-Clark-Cup noch wirklich schwer zu akzeptieren. Aber die Erfahrung hat mir heute sehr geholfen", sagte Torschützin Bühl nach dem Spiel. Genau wie Huth und Popp war sie sehr fleißig, störte immer wieder den spanischen Aufbau und half hinten bei der Absicherung des Flügels. Sie verzeichnete drei erfolgreiche Tackles, blockte einen Torschuss und holte acht Bälle wieder.

Auch die Verteidigerinnen kamen ihrer Aufgabe sehr gut nach, besonders die Spielerin des Spiels Marina Hegering. Sie war mit ihrer guten Antizipation und dem robusten Zweikampfverhalten eine der Garantinnen für den Sieg, sorgte auch dafür, dass trotz des spanischen Drucks immer wieder Bälle vorne ankamen. Mit einer Passgenauigkeit von 87% war sie wie so oft verlässlich, zudem auch von ihren langen Bällen sechs von acht eine deutsche Spielerin fanden.

Bei frühem Ausgleich kann das Spiel auch anders laufen - Spanien dominiert streckenweise

Bei all dem Lob, das gegen eine Weltklassemannschaft wie Spanien auch berechtigt ist, muss auch gesagt werden, dass das Spiel auch leicht einen anderen Verlauf hätte nehmen können. Bei Garcias Chance war Merle Frohms stark und drängte die Spanierin geschickt ab. Aber wenn sie den Ball im Tor untergebracht hätte, wäre das Spiel nochmal anders gewesen, Deutschland hätte mehr die Initiative ergreifen müssen. Das frühe Tor von Bühl, entstanden durch einen Patzer von Sandra Paños, spielte dem DFB-Team da natürlich in die Karten.

Deutschland war streckenweise in der ersten Halbzeit sehr weit nach hinten gedrängt und fand in diesen Phasen kaum Mittel zur Gegenwehr. Spanien gelang es in diesen Phasen gut, die Viererkette auseinanderzuziehen, sodass der Raum zwischen Außen- und Innenverteidigerin groß war. Auch hier reagierte Voss-Tecklenburg wieder und stellte nach der Pause auf ein 4-5-1 um, was für noch mehr Kompaktheit sorgte.

Torhüterinnen und Effizienz entscheidend

Die Torhüterinnen spielten eine große Rolle bei Deutschlands Sieg. Für Paños war auch der Kopfball von Alexandra Popp nicht komplett unhaltbar, Frohms dagegen war ein sicherer Rückhalt und konnte sich auch bei Marionas Volley mit einem sehr guten Reflex auszeichnen. Spaniens xG war mit 1,38 höher als der Deutschlands (0,79), eine Mischung aus spanischer Schwäche im Abschluss, einer starken Frohms und deutscher Effizienz ermöglichte aber dennoch den Sieg.

Spanien musste erneut feststellen, dass der Mangel einer Weltklasse-Mittelstürmerin ein großes Problem für sie ist. Vilda setzte zunächst Lucia Garcia ein, die gegen Finnland noch auf dem Flügel gespielt hatte, aber sie konnte auch nicht mehr Argumente für sich sammeln als Esther im ersten Gruppenspiel. Bühl und Popp dagegen zeigten sich nervenstark und eiskalt vor dem Tor.

Gegen den Ball stark, mit Ball noch Luft nach oben

Gegen den Ball konnte Deutschland als Kollektiv überzeugen, Hegering und Gwinn waren in der Defensive besonders stark. Mit dem Ball war bei Deutschland aber noch Luft nach oben, sodass noch die ein oder andere Möglichkeit mehr hätte herausspringen können. Viele Konter wurden etwas überhastet ausgespielt, die spanische Unsortiertheit hätte noch besser ausgenutzt werden können. Angesichts der starken Leistung vielleicht Jammern auf hohem Niveau, aber eine Passquote von 61% ist noch ausbaufähig - auch wenn viele Teams, die eher auf Umschaltmomente setzen, eher schwache Passquoten haben, weil mehr ins Risiko gegangen werden muss.

Deutschland schaffte es teilweise gut, die spanischen Angriffe zu unterbinden (18 Bälle abgefangen), aber aus diesen Momenten hätte dann noch öfters Gefahr entstehen können. Aus dem freien Spiel heraus kreierte Deutschland kaum Gelegenheiten. Andererseits hatten sie auch Pech, dass das Foul von Irene Paredes an Alexandra Popp, die frei vor dem Tor durch war, nicht als Foul geahndet wurde.

Linke Seite tendenziell anfälliger, Aitana Bonmati dagegen gut neutralisiert

Wie auch schon beim Spiel gegen Dänemark war die linke Seite von Deutschland anfälliger als die rechte. Mit Sheila Garcia und Außenverteidigerin Ona Battle, die an diesem Abend eine von Spaniens besten Spielerinnen war, kombinierte sich die La Roja mehrmals in die Nähe des deutschen Strafraums. Felicitas Rauchs Zweikampfquote von 50% war nicht überragend, die Wolfsburgerin machte nicht immer einen souveränen Eindruck, auch wenn sie erneut mit dem Assist zum 2:0 ihre Fähigkeit für hervorragende Hereingaben bewies. Die eingewechselte Sophia Kleinherne zeigte sich zweikampfstärker und gewann fünf von sechs Duellen.

Über die Mitte dagegen kam Spanien nicht ganz so oft durch, und wenn doch, dann eher mit Einzelaktionen wie Patri Guijarros Distanzschüssen oder Mariona Caldenteys Ballmitnahmen. Aitana Bonmati, gegen Finnland noch zur Spielerin des Spiels gewählt, wurde dagegen ganz gut neutralisiert. Teilweise spielte sie in einer tieferen Rolle als sonst, wohingegen Patri Guijarro von der Sechser- auf die Achterposition rückte. Eine personelle Rochade, die sich für Vilda aber nicht wirklich auszahlte, abgesehen von ihrem genialen Steckpass auf Lucia Garcia zu Anfang hatte Aitana weniger gefährliche Aktionen als sonst und konnte nur 40% ihrer Zweikämpfe gewinnen.


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