Deshalb blieb die Niederlande gegen Tschechien chancenlos - De Boer vor dem Aus?

Die Enttäuschung ob des Aus war den Niederländern anzusehen
Die Enttäuschung ob des Aus war den Niederländern anzusehen / Soccrates Images/Getty Images
facebooktwitterreddit

Mit dem 0:2 gegen Tschechien verabschiedet sich die Niederlande bereits nach dem Achtelfinale aus der Europameisterschaft. Das Team von Frank de Boer scheiterte einerseits an der Manndeckung des Gegners, andererseits auch an sich selbst. Die Niederlage von Oranje im Blick.


Leise haben sie bei der Elftal schon über die leichtere Seite des Turnierbaums nachgedacht, nun sind die Niederländer bereits im Achtelfinale gescheitert. Die 0:2-Niederlage gegen Tschechien war natürlich eine Überraschung, doch im Spiel selbst zeichnete sich zunehmend ab, dass die Elftal Probleme bekommen würde.

Besonders auffällig: Nicht ein einziger Schuss fand den Weg auf das Tor von Tomas Vaclik. Die eigentlich gut besetzte Offensive um Memphis Deplay, Donyell Malen und später noch Wout Weghorst blieb völlig blass. Für das Scheitern gibt es aber ein paar markante Punkte, die im Spiel auffällig wurden.


Tschechien mit Manndeckung: Mittelfeld um de Jong kann kaum agieren

Heutzutage eher selten zusehen, am Sonntagabend ein nicht nur legitimes, sondern effizientes Mittel: Die gute, alte Manndeckung. Tschechien entschied sich dazu, den Spielaufbau der Niederländer massiv zu stören. Das gelang auch noch so gut, weil das spielaufbauende Mittelfeld um Marten de Roon, aber insbesondere Frenkie de Jong im eins gegen eins zugestellt wurden.

Es gab keine Raumverteidigung vor den beiden, der Fokus lag auch nicht darauf, ihre Mitspieler zuzustellen. Beide wurden direkt in der Manndeckung attackiert. Die Folge: Ein Anspielen war deutlich seltener möglich als in den Spielen zuvor. War es mal möglich, gab es kaum Platz zum Aufdrehen, wodurch gerne mal ein, zwei Gegenspieler stehen gelassen werden. Kurze Pässe ohne nennenswerten Fortschritt in die Offensive folgten.

Frenkie De Jong, Tomas Soucek
Durch die Manndeckung Tschechiens hatte Frenkie de Jong kaum Platz / Soccrates Images/Getty Images

In der Gruppenphase hatte sich gezeigt, was eigentlich längst klar ist: De Jong ist für das Team von de Boer elementar wichtig, was die Verbindung zwischen Abwehr und Angriff angeht. Wird er aus dem Spiel genommen, stottert der ganze Motor. Und genau das schafften die Tschechen mit ihrer Manndeckung.

Georginio Wijnaldung etwa, der noch eine etwas offensivere Rolle einnimmt, fand überhaupt nicht statt. In 96 Minuten brachte er mickrige zehn Pässe (!) an, verlor den Ball jedoch sieben Mal. Ein schlechter Tag auf der einen, das Kaltstellen durch den Gegner auf der anderen Seite. Die Verbindung war gekappt, weshalb viel zu häufig auf lange Bälle ausgewichen werden musste. Darüber wiederum freuten sich gute Kopfballspieler wie Hoffenheims Pavel Kaderabek bei den Herausforderern.

Georginio Wijnaldum
Kapitän Georginio Wijnaldum stand nach dem Spiel besonders in der Kritik / Soccrates Images/Getty Images

Eine Möglichkeit, diese Manndeckung im Mittelfeld etwas zu umgehen, wären mehrmalige Tauschaktionen zwischen de Jong und Daley Blind gewesen. Hin und wieder taten die beiden das auch, aber eher eigenständig, als dass es eine vom Trainer geforderte Aktion gewesen wäre.

De Jong zog sich entweder direkt nach dem Anspiel auf ihn und somit mit dem Ball am Fuß einige Meter zurück, in den Raum von Blind. Der wiederum konnte dadurch etwas weiter auf die linke Seite ausweichen, wo Patrick van Aahnholt weit aufschob. Dort gab es dann mehr Platz, weil die Gegenspieler etwas mitgezogen wurden. Ein Aufdrehen und Überspielen war möglich. Ein Element, das aber zu wenig genutzt und früher oder später wohl durch die Tschechen angegangen worden wäre.


Rote Karte für de Ligt: "Wir haben wegen mir verloren"

Selbstverständlich ist auch die frühe Rote Karte aus der 55. Minute eine große Schwächung der Elftal gewesen. Matthijs de Ligt geriet im Zweikampf mit Patrik Schick ins Straucheln und rutschte aus. Um die freie Bahn für den Stürmer zu verhindern, versuchte er den Ball mit der Hand etwas wegzuschieben. Nach VAR-Intervention gab es den Platzverweis, es stand das absichtliche Verhindern einer klaren Torchance.

Dadurch musste das Team nicht nur mit einem Mann weniger agieren, sondern auch ohne einen Führungsspieler aus der Abwehr heraus. Für die defensive Stabilität, aber auch Offensivgefahr bei Standards ist de Ligt von großer Bedeutung gewesen. Ein weiterer Faktor, auf den nicht mehr zurückgegriffen werden konnte. Stattdessen musste sein Fehlen sogar kompensiert werden.

Matthijs de Ligt
Enttäuscht musste Matthijs de Ligt vorzeitig das Feld verlassen / ANP Sport/Getty Images

"Ich fühle mich schlecht. Das Spiel haben wir wegen mir verloren. Bis dahin hatten wir das Spiel unter Kontrolle", erklärte der 21-Jährige nach der Partie (via NOS). Seine Teamkollegen halfen ihm mit unterstützenden Worten, wie Denzel Dumfries: "Matthijs ist ein toller Verteidiger. Es ist einfach, nun mit dem Finger auf ihn zu zeigen, aber ich würde das nicht machen. Wir haben kollektiv versagt und hätten unsere Chancen nutzen sollen."


De Boer verpasst die Umstellung - nun droht sein Aus als Bondscoach

Mal wieder startete die Niederlande im von Trainer de Boer neu entdeckten 5-3-2. Das hatte er vor der Partie, wie vor den Spielen in der Gruppenphase, auch schon lauthals angekündigt. Eine Herangehensweise, die erst für Bauchschmerzen und durch das Auftreten in der Vorrunde für etwas Zuversicht gesorgt hatte.

Zur zweiten Halbzeit wurde aber ersichtlich, dass eine Umstellung nötig gewesen wäre. Das klassisch niederländische 4-3-3 hätte beim noch offenen Spielstand einen bis dato kaum benötigten Verteidiger loslösen und ins Mittelfeld bringen können. Dadurch wäre die dortige Manndeckung vielleicht nicht ganz aufgebrochen, aber durchaus löchrig geworden. Die Chancen für das Überspielen in die Offensive wären vermutlich größer gewesen.

Frank de Boer
Frank de Boer dürfte bei der Elftal vor seinem Aus als Trainer stehen / ANP Sport/Getty Images

Vorne wäre das Spiel nicht mehr ganz so zentral und zugemauert gewesen. Die klaren Flügelspieler hätten eher Läufe hinter die Kette anbieten können. Dort wären sie entweder anspielbar gewesen, oder sie hätten die Abwehrreihe der Tschechen weiter auseinandergezogen - Lücken wären entstanden.

"Ich wollte eigentlich im 4-3-3 agieren lassen, dann haben sie das 0:2 erzielt. Dadurch sind meine Pläne in den Müll gewandert", erklärte de Boer nach dem Spiel. Dennoch versicherte er, dass er an die Zukunft des 5-3-2 in der niederländischen Nationalelf glaube. Die Entscheidungen vor und im Turnier dazu würde er auch erneut treffen, betonte er auf der anschließenden Pressekonferenz.

Ob er die Chance haben wird, mit der Mannschaft weiter an seinen Plänen zu arbeiten, ist zurzeit offen. Dass er weiterhin im Amt bleibt, darf zumindest angezweifelt werden. Laut Fußball-Reporter Nicolo Schira soll das Aus des Trainers bevorstehen. Zu viele Mitglieder des Verbands seien unzufrieden, twitterte er.

Nach dem Spiel äußerte sich de Boer selbst noch verschlossen zu dem Thema. "Im Moment ist man voller Emotionen. Wir haben alle einen großen Kater und müssen gemeinsamen darüber nachdenken", so seine Worte (via Sportbuzzer). Zwar sei er "am Ende des Tages verantwortlich", doch sei dies ein Gedanke, der sich für ihn zu dem Zeitpunkt nicht stelle.