"Fußball kann sehr hart sein": Alvaro Morata, Spaniens tragische Figur
Von Stefan Janssen
Alvaro Morata hat während der Euro 2020 alles erlebt: Zunächst schlug ihm Hass entgegen, dann wurde er zum Helden - und im Halbfinale schließlich zur tragischen Figur, die erst ein wichtiges Tor erzielte und dann vom Punkt scheiterte.
Erleichterung ist wahrscheinlich gar kein Ausdruck für das, was Alvaro Morata am Dienstagabend in der 80. Spielminute im EM-Halbfinale zwischen seinen Spaniern und Italien empfand. Gerade hatte der Angreifer einen Doppelpass mit Dani Olmo gespielt und den perfekt in den Lauf servierten Ball eiskalt zum Ausgleich versenkt. Danach lief er hinters Tor, schnappte sich eine Kamera und brüllte seine Freude in die Linse. Dann lief er weiter, rutschte auf die Knie und wurde dort schließlich von seinen Mitspielern eingefangen.
In diesem Torjubel steckte vieles, was während der Euro 2020 auf ihn eingeprasselt war. Nach der Gruppenphase war Morata so etwas wie der Depp der Nation, der zahlreiche Großchancen liegen ließ und gegen die Slowakei, als es unbedingt einen Sieg brauchte, beim Stand von 0:0 einen Elfmeter verschoss.
Anfeindungen gegen Morata und seine Familie
"Ich verstehe, dass ich kritisiert werde, wenn ich nicht treffe. Ich bin der Erste, der das weiß und akzeptiert", hatte der 28-Jährige danach bei Cadena Cope gesagt und dann eröffnet, welchem Hass er sich gerade in den sozialen Netzwerken ausgesetzt sah: "Ich würde mir aber wünschen, dass die Leute sich in mich hineinversetzen, welche Auswirkungen solche Drohungen und Beleidigungen gegen die Familie haben. Einige Leute haben gesagt, sie wünschen meinen Kindern den Tod. Ich musste mein Telefon weglegen."
Doch es gab einen, der glaubte immer an Morata: Trainer Luis Enrique. "Ich denke nicht, dass es irgendwo auf der Welt einen Nationaltrainer gibt, der Morata nicht wertschätzen würde", sagte er. "Wir müssen froh sein, einen Stürmer wie ihn zu haben." Im Achtelfinale gegen Kroatien wurde dieses Vertrauen zurückgezahlt, als Morata nicht nur endlich traf, sondern in der Verlängerung das so wichtige 4:3 erzielte und Spanien damit auf die Siegerstraße brachte.
Bis ins Halbfinale rückte "La Roja" schließlich vor, und auch hier schien Morata sein Land mit seinem Ausgleich wieder einmal den Hintern zu retten. Doch bleibt eben leider auch festzuhalten, dass dieser Treffer seine einzige besondere Aktion war. ARD-Kommentator Tom Bartels schwärmte zwar, wenn Morata am Ball sei, gebe es mal so etwas wie Dynamik. Aber eben auch Ballverluste oder Dribblings bis ins Toraus.
Und dann kam eben das Elfmeterschießen. Als vierter spanischer Schütze trat Morata an und als hätte Bartels es geahnt, sprach er schon beim Anlauf des Stürmers von Juventus von Höhen und Tiefen. Nach dem Hoch beim 1:1 gab es nun nämlich wieder ein Tief - Morata verschoss und gab Jorginho den Matchball für Italien, den er nutzte.
"Die zwei Gesichter von Morata"
Vom Helden wurde Morata also wiederum zur tragischen Figur, die italienische Zeitung Tuttosport schreib sogar, er habe Luis Enrique verraten. Die spanische Marca tielte: "Die zwei Gesichter von Morata", bescheinigte ihm aber zumindest einen guten Charakter.
Morata selbst hat sich bei Instagram nach seinem Fehlschuss auch schon zu Wort gemeldet. "Wie für ganz Spanien war es auch mein Traum, unser Traum", schrieb er dort. Die Mannschaft habe viel mehr verdient. "Ich kann nur sagen, dass ich stolz bin, Teil dieses Teams zu sein. An diejenigen, die an uns geglaubt haben: Danke! Fußball kann manchmal sehr hart sein."
Wie hart, das hat Morata in den vergangenen knapp vier Wochen mal wieder am eigenen Leib erfahren. Vom Deppen zum Helden und wieder zurück.