Ein Testspiel-Sieg und eine Neuverpflichtung geben den HSV-Fans die Hoffnung zurück

Einer der Gewinner der Vorbereitung: Manuel Wintzheimer
Einer der Gewinner der Vorbereitung: Manuel Wintzheimer / DeFodi Images/Getty Images
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Zugegeben: ein bisschen ungeduldig bin ich dann auch geworden, nach dem 2:3 des HSV gegen den VfB Stuttgart beim Helden-Cup im Kufsteinerland. Dabei hatte ich doch vorher auch, wie viele meiner Kollegen aus der schreibenden Zunft und wie viele der Fans des Vereins, ja, wie der Verein selbst, genau diese Geduld eingefordert. Ein Spiel und eine weitere Spielerverpflichtung später sieht das ganze Gebilde schon nicht mehr ganz so hoffnungslos aus. So schnell geht das manchmal mit den Stimmungen im Fußball.

Denn bis jetzt war es - um es mal vorsichtig zu formulieren - eine eher unruhig machende Vorbereitung. Ein Last-Minute-Sieg gegen einen Drittligisten, zwei Niederlagen gegen den Meister und ein Mittelklasse-Team aus unserem nördlichen Nachbarland Dänemark. Ja, und dann liegt man kurz vor der Halbzeit 0:3 gegen den VfB Stuttgart zurück - und macht als Fan vorm Bildschirm dicke Backen. Und wenn das einzig lobenswerte an diesem Spiel (gegen ein Team, mit dem man noch bis Juni die Klasse geteilt hat) die Tatsache ist, sich nach diesem 0:3 nicht völlig aufgegeben und wenigstens noch durch Terodde und Wintzheimer ein wenig Ergebniskosmetik betrieben zu haben, dann kommt man schon mal ins Grübeln, ob das alles jetzt völlig nach hinten geht - oder ob man "nur" etwas mehr Geduld walten lassen soll.

Traf in seinem ersten Spiel für den HSV: Simon Terodde
Traf in seinem ersten Spiel für den HSV: Simon Terodde / TF-Images/Getty Images

Aber mit der Geduld ist das in Hamburg, und speziell beim Hamburger SV, so eine Sache. Denn irgendwann ist sie aufgebraucht. Ob nach fünf oder zehn oder zwanzig Jahren. Ein jeder Fan, abhängig von seinem Alter und von dem Zeitpunkt, an dem er anfing, sich für diesen Sport und diesen Verein zu entscheiden, mag da seine eigene Zeitschiene fahren.

In meinem Fall sind es nun schon mehr als 33 Jahre, die ich auf einen Titel warte. Die der HSV auf einen Titel wartet. Zwei kleine Champions League-Ausflüge (2000 und 2006) und ein paar Teilnahmen am UEFA-Cup haben dieses Warten nur unwesentlich verkürzt. Und der HSV wäre nicht der HSV, wenn er nicht auch noch in diesen Wettbewerben, vor allem im UEFA-Cup, für weitere Enttäuschungen - on top sozusagen - gesorgt hätte. Bremen 2009 und Fulham 2010 schmerzen in der Retrospektive immer noch.

Etwas hoffnungslos nach den ersten vierzig Minuten gegen den VfB

Und so bin ich beim Spiel gegen die Schwaben nach knapp vierzig Minuten (da stand es, wie gesagt, 0:3) in eine Art inneres Exil geflüchtet und habe einfach mal den schlimmsten Fall angenommen: dass wir in diesem Jahr mal so gar nichts mit dem Aufstieg zu tun haben. Und dass das mit der Rückkehr in die Bundesliga vielleicht ähnlich lange dauert wie bei unseren englischen Kollegen von Leeds United, nämlich ganze 16 (!) Jahre. Soweit, die Mannschaft jetzt schon in Richtung Abstiegskampf in Liga 2 zu schreiben, wollte ich dann aber doch nicht gehen. Zumal die personelle Qualität im Kader das eigentlich nicht hergibt. Aber im Fußball hat es ja schon die dollsten Dinger gegeben.

Es ist halt nun mal so in einem ergebnisorientierten Sport (wobei ja eigentlich jeder Sport auf eine gewisse Weise ergebnisorientiert ist) : zwischen dem letzten Spiel und dem nächsten Spiel versucht man sich die Dinge als Fan schön zu reden, und bekommt bei jedem weiteren schwachen Auftritt seiner Herz-und Seelenmannschaft genau diese Wundergläubigkeit um die Ohren gehauen.

Ein Freitag, der Mut gemacht hat

Aber der gestrige Freitag hat mir tatsächlich wieder etwas Mut für die Zukunft gemacht. Gegen die, vom Papier her, wohl beste Mannschaft, gegen die der HSV in diesem Sommer getestet hat, gelang endlich wieder ein Sieg. Vier Niederlagen am Stück, Vorbereitung hin oder her, hätten das Klima in der kommenden Woche sicher nicht entspannter gemacht. Trotz aller Beteuerungen, dass es ja nur die Vorbereitung sei. Auch hier das Schönreden nach dem Motto: je schlechter die Generalprobe, um so gelungener die Premiere.

Zwar hat man jetzt gegen Feyenoord Rotterdam auch kein Feuerwerk abgespielt - aber das war auch gar nicht erwartet worden. Das, was man erwarten konnte - nämlich mal über neunzig Minuten stabil und konzentriert in der Defensive zu arbeiten, sich die eine oder andere Chance herauszuarbeiten und davon die eine oder andere dann auch mal eiskalt zu nutzen - das hat die Mannschaft hervorragend umgesetzt. Zwar gab es ein paar Blackouts (Gjasula, Vagnoman und Pollersbeck in Halbzeit 1, Mickel und Jung in Halbzeit 2), doch wusste der Gegner die Geschenke nicht anzunehmen. Und statt mit 2:0 oder 3:0 zu führen, mussten die Holländer in der zweiten Halbzeit sogar erkennen, dass auch ein eher fürs Grobe zuständige Spieler bisweilen richtig gute Ideen haben kann. Den perfekt temporierten Pass von Gjasula auf Wintzheimer (mit einer Packing-Rate von vier, meine ich zu erinnern) hätte auch ein Aaron Hunt in Top-Form nicht besser spielen können.

Und wie es Wintzi (3 Tore in 5 Testspielen) dann macht, ist einfach nur großartig: in jeder Sekunde dieser Aktion sah man ihm den unbedingten Willen an, diese Chance zu verwerten. Den holländischen Abwehrspieler hält er sich sehr abgezockt mit fair arbeitenden Armen vom Hals und hat dann auch noch die Ruhe und Übersicht, den Ball ins lange Eck einzuschweißen. Ein Tor des Willens. Ein Tor eines echten Mittelstürmers. Ein Tor, das für Wintzheimer der endgültige Büchsenöffner gewesen sein könnte. An Lukas Hinterseer jedenfalls hat sich der 21-Jährige in der internen Stürmer-Hierarchie mittlerweile vorbeigeschoben.

Am Ende feierte der HSV einen Achtungserfolg gegen eine in der kommenden Champions League vertretene Mannschaft. Und als Sahnehäubchen obendrauf - hat die sportliche Führung endlich den langgesuchten Innenverteidiger präsentieren können: Toni Leistner, früher bei Union Berlin und zuletzt leihweise beim 1.FC Köln unterwegs, verlässt die Queens Park Rangers - und schließt sich ablösefrei dem Dino an. Heute trainierte der 30-Jährige bereits zum ersten Mal mit seinen neuen Kollegen. Kurios: während seiner gesamten Laufbahn hat Leistner keinen Cent an Ablösezahlungen generiert. Stets wechselte der gebürtige Dresdner seine Klubs auf Leihbasis oder als vertragsloser Spieler.

Verstärkt ab jetzt die HSV-Defensive: Toni Leistner
Verstärkt ab jetzt die HSV-Defensive: Toni Leistner / DeFodi Images/Getty Images

Gute Performance auf dem Transfermarkt - es dringt weniger nach außen!

Und hier sei einmal ein lobendes Wort über die sportliche Führung um Sportvorstand Jonas Boldt, Sportdirektor Michael Mutzel und Chef-Scout Claus Costa gesagt. Wobei letzterer mit der Leistner-Verpflichtung wohl nicht so viel zu tun gehabt haben wird. Aber generell ist positiv festzustellen, dass es kaum noch Phasen mit wochenlangen und über alle Medien ausgebreiteten Spekulationen um Spieler X oder Spieler Y gibt, sondern die Spieler - zack! - einfach präsentiert werden, wenn der Moment gekommen ist. Selbst beim Thema Terodde ging es am Ende verhältnismäßig schnell. Mit Amadou Onana, Klaus Gjasula, Simon Terodde und nun Toni Leistner hat sich der HSV zudem in allen Mannschaftsteilen mindestens in der Breite verstärkt. Terodde könnte bei vergleichbarer Torquote wie aus Stuttgarter oder Kölner Zeiten sogar die offensive Aufstiegsgarantie verkörpern. Und Leistner, den auch die klassenhöheren Eisernen aus Berlin gerne zurück an die Alte Försterei geholt hätten, die langgesuchte Säule in der zentralen Defensive.

In allen Mannschaftsteilen das Team in der Breite verstärkt - ohne einen Cent an Ablöse gezahlt zu haben!

Und das beste: alle vier kamen für lau. Der HSV hat es also geschafft, sich in allen drei Mannschaftsteilen breiter und besser aufzustellen - ohne dafür einen Cent in die Hand genommen zu haben. Da wohl ein paar Euro noch in den Kassen schlummern bzw. über Sponsoren, Spielerverkäufe oder Verkaufsbeteiligungen (Kostic) noch generiert werden können (und auch müssen), kann der Klub nun, ganz in Ruhe und ohne Zeitdruck angesichts der in zwei Wochen beginnenden Saison, an die Deals gehen, die einen weiteren, noch spürbareren Qualitätssprung bedeuten würden. Dabei kann alles, aber muss nichts.

Heißt: selbst wenn es bei diesen vier Neuzugängen bliebe, hätte ich keine all zu großen Bauchschmerzen mehr. In der Innenverteidigung haben Jonas David und mit Abstrichen auch Stephan Ambrosius gezeigt, dass man in der Zukunft auf sie bauen kann. Im tumorbefreiten Brasilianer Ewerton bekommen wir demnächst vielleicht dessen beste Version seit seiner Ankunft in Hamburg zu sehen. Und mit Rick van Drongelen hätten wir, nach der Winterpause, noch eine weitere Option in der Hinterhand. Mit dem gestern verpflichteten Toni Leistner erweitert sich das personelle Spektrum hier auf insgesamt sechs Spieler. Für zwei Positionen. Akuter Handlungsbedarf besteht hier somit erstmal nicht.

Wie auch im Mittelfeld. In der defensiven Zone desselben hat man den für die Zweite Liga notwendigen Typus des dazwischenfegenden Abräumers gefunden. Dass zwischen einem Klaus Gjasula und einem Adrian Fein fußballerisch ganze Galaxien liegen, ist auch klar. Aber wohin uns der Weg über den rein spielerischen Ansatz in bisher zwei Jahren Zweitligazugehörigkeit geführt hat, haben wir ja auch gesehen. Und Spieler, die eine feine Klinge fechten können (Hunt, Dudziak, Kittel) sind ja weiterhin an Bord.

Vorne im Sturm hat man einen zweifachen Zweitliga-Torschützenkönig ablösefrei verpflichten können. Und erntet in dieser Saison vielleicht die Früchte, was die Entwicklung junger Talente (Wintzheimer) betrifft. Selbst ein Bobby Wood wirkt unter Daniel Thioune wieder etwas integrierter in die Gruppe als noch unter den vorherigen Übungsleitern.

Ganz nah dran an der ersten Elf: Mit drei Toren in fünf Vorbereitungsspielen ist Manuel Wintzheimer der Top-Torjäger des HSV
Ganz nah dran an der ersten Elf: Mit drei Toren in fünf Vorbereitungsspielen ist Manuel Wintzheimer der Top-Torjäger des HSV / DeFodi Images/Getty Images

Kurz gesagt: mittlerweile freue ich mich schon fast, dass es bald wieder los geht. Und in mir mehrt sich die Hoffnung, dass diese Vorfreude nicht, wie so oft in der Vergangenheit, gleich wieder nach der ersten DFB-Pokal-Runde einen jähen Dämpfer erhält.