Ein halbes Jahr Einarbeitung - Ein Kommentar zum Trainer-Beben beim BVB
- Sahin und Bender ergänzen Trainerstab
- Unterstützung für Terzic oder Einarbeitung der Nachfolger?
- Sportlich sinnvoll mit Konfliktpotenzial
Von Oliver Helbig
Der BVB verkündete kürzlich zwei Neuzugänge auf der Trainerbank. Mit Nuri Sahin und Sven Bender erhält Edin Terzic zwei Ex-Borussen die ihm helfen aber auch gefährlich werden könnten. Ein Kommentar.
Edin Terzic freute sich über die Verpflichtung der beiden neuen Co-Trainer Nuri Sahin und Sven Bender. Der BVB-Cheftrainer selbst soll sich die beiden für seinen Trainerstab gewünscht haben. Aber schaufelt er sich damit womöglich sein eigenes Grab? Oder ist das bereits ein gut durchdachter Vorgriff auf den kommenden Sommer?
Terzics Welpenschutz ist abgelaufen
Die kritischen Stimmen um Edin Terzic wurden im Laufe der Saison immer lauter und der Trainer wirkte zeitweise angeschlagen. Vieles deutete darauf hin, dass er nur bleiben darf, weil er als Dortmunder Junge und glühender Fan des Vereins eine große Identifikationsfigur ist (oder sein könnte). Auch bei den Fans genoss er aufgrund dieser Tatsachen lange Zeit einen enormen Kredit. Dieser scheint nun aber bei vielen verpufft zu sein und man verspürt den Wunsch nach Veränderung, um den vielleicht auch zu hohen Ansprüchen noch gerecht zu werden.
Der Kredit der Identifikation und des schwarz-gelben Herzbluts ist mit den Verpflichtungen von Nuri Sahin und Sven Bender nicht mehr gegeben. Zumindest nicht in diesem Ausmaß. Auch der Welpenschutz ist inzwischen abgelaufen. Sahin und Bender selbst sind als ehemalige BVB-Profis und Leistungsträger nicht nur zu Fanlieblingen aufgestiegen, sondern haben auch noch einen hohen Identifikationsgrad. Beide wurden mit dem BVB Deutscher Meister und waren Teil der Dortmunder Hochphase unter Jürgen Klopp. Die vielleicht glorreichste und schönste Zeit für Dortmunder Fans in den letzten Jahren. Sahin stammt sogar aus der Jugend des BVB. Mehr Identifikationshintergrund geht fast nicht.
Beginnt ein halbes Jahr der Einarbeitung?
Beide Neuzugänge auf der Trainerbank haben ihre Trainerkompetenz bereits angedeutet und gelten als große Trainertalente. Nuri Sahin hat als Cheftrainer des türkischen Klubs Antalyaspor in 92 Spielen einen Punkteschnitt von 1,49 vorzuweisen und konnte bereits wertvolle Erfahrungen sammeln. Auch Sven Bender hat bei der deutschen U16 und U17 schon Trainerluft geschnuppert und sprüht vor Ideen.
Kommen beide zur Unterstützung von Terzic oder sind sie die auserkorenen Nachfolger, die nun ein halbes Jahr von Terzic persönlich eingearbeitet werden? Sollte letzteres tatsächlich der große Plan hinter diesem Trainerdeal sein, weiß Terzic davon? Wie geht es dann weiter mit ihm? Zieht er sich aus eigenem Antrieb wieder vom Trainerstuhl zurück und übernimmt eine andere Rolle im Verein und würden dann an anderer Stelle Köpfe rollen? Oder sind die beiden nun der doppelte Boden für den Fall der Fälle?
Sportlich sinnvolle Verpflichtungen - mit Weitsicht?
Die jüngsten Personalentscheidungen um Sahin und Bender machen rein sportlich durchaus Sinn, bringen sie doch nicht nur durch ihre Namen frischen Wind in den zuletzt manchmal stotternden BVB-Kosmos. Neue, innovative Spiel- und Trainingsideen dürften von den Spielern wie ein Schwamm aufgesogen werden. Auch der Schulterschluss mit den zuletzt etwas mürrischen BVB-Fans wird wieder spürbarer werden. So gesehen macht die Borussia vieles, wenn auch nicht alles, richtig. Doch die große Unbekannte hinter all den glänzenden Vorzügen ist die Personalie Terzic und seine künftige Rolle dabei. Wenn es nicht läuft wird diese Konstellation unter Garantie in den Medien breitgetreten und dürfte den Druck auf alle Beteiligten nochmals erhöhen. Dann könnte diese Entscheidung dem BVB auch ganz schnell um die Ohren fliegen.
Ein weiteres großes Fragezeichen ist für mich somit natürlich auch: Was passiert, wenn der Erfolg in der Rückrunde ausbleibt? Wie lange halten die BVB-Bosse an Terzic fest? Wie lange hält Terzic selbst durch? Geht man das Risiko ein und befördert die mäßig erfahrenen Neuzugänge oder gibt es vielleicht doch eine größere Lösung im Hinterkopf? Könnte der Plan so aussehen, dass im Sommer vielleicht eine große Lösung wie Glasner oder Nagelsmann kommt und die beiden schon mal die Aufgabe haben, die Mannschaft auf die jeweilige Spielweise vorzubereiten? Sahin und Bender sind wie eine gute Hausratversicherung. Man sollte besser eine haben, umso mehr, wenn man sie dann tatsächlich braucht.
Ein Schuss mehr "echter Liebe"
Irgendwie ist es gefühlt aber gerade noch wie in jedem Sommer. Man nickt bewundernd in Richtung Dortmund, gratuliert zu grandiosen Transfers und doch bleiben die Früchte aus und ein Gefühl der Enttäuschung bleibt zurück. Ein bitterer Nachgeschmack der Unvollendung. Aber vielleicht wird ja jetzt alles besser. Zumindest wird es anders. Mit ein bisschen mehr echter Liebe.
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