Nach dem Kiel-Schock: Hecking erklärt seine umstrittenen Auswechslungen
Von Guido Müller
Noch hallt in Hamburg der Schock über den Last-Minute-Gegentreffer und damit zwei abermals in der Nachspielzeit verloren gegangene Punkte gegen Holstein Kiel nach. Ein Gutteil der Kritik der Fans fokussiert sich dabei auch auf den Trainer der Rothosen und seine - sagen wir mal - unglücklichen Wechsel.
Denn als nach gut einer Stunde Spielzeit auf der Auswechseltafel des vierten Assistenten an der Seitenlinie die Zahl "14" aufleuchtete, dürften sich so einige der vielen Zuschauer vor den heimischen Bildschirmen verwundert die Augen gerieben haben. Hunt raus? Der Hunt, der in der Partie gegen die Störche (gefühlt) am meisten von allen Spielern gelaufen ist? Der Hunt, der beim Elfmeter in der 21. Minute Nerven wie Stahlseile hatte und den Strafstoß souverän verwandelte? Der Hunt, der mit seiner Ballsicherheit dem Spiel der Hamburger bis dahin Stabilität verliehen hatte?
Hunts Herausnahme brachte Kiel wieder ins Spiel
Ja, genau diesen Hunt nahm Hecking vom Feld - und brachte Dudziak. Der am Montagabend leider nicht an die guten Leistungen der Vorwochen anknüpfen konnte. Und der Wechsel zeigte Wirkung - leider nicht die von Hecking gewünschte. Denn der HSV hatte sich nach Hunts Herausnahme noch nicht wieder sortiert, als Iyoha den Ausgleich für die Gäste markieren konnte. Zwar gelang Pohjanpalo kaum drei Minuten nach dem Gleichstand schon wieder die neuerliche Führung für die Gastgeber - doch die Statik im Hamburger Spiel war nun endgültig durcheinander geraten und sollte sich auch bis zum Schlusspfiff nicht mehr zusammenfügen.
"Hinterher ist man immer schlauer!"
"Hecking verwechselt sich" (Bild-Zeitung) war eine der Schlagzeilen, denen sich der Coach am nächsten Tag ausgesetzt sah. Dabei hatte er sich durchaus etwas dabei gedacht, seinen Kapitän bereits eine knappe halbe Stunde vor Spielschluss vom Feld zu nehmen. "Nachher ist man immer ein bisschen schlauer", gesteht Hecking laut Bild seinen Fehler durch die Blume ein. "Die Überlegungen waren eindeutig: Aaron Hunt hatte Gelb. Es bestand die Gefahr, dass wir 10 gegen 11 spielen. Dass Aaron gerade gut im Spiel war, als ich ihn ausgewechselt habe, darüber ärgere ich mich auch."
Heckings Angst vor Platzverweis für Hunt
Wie ihn gleichsam geärgert haben dürfte, dass Jeremy Dudziak am Montagabend leider nicht zum gleichwertigen Ersatz des Oldies wurde. Und leider wurde es mit den folgenden Wechseln auch nicht besser. In der 76. Minute entschied der Coach, gleich drei neue Kräfte einzutauschen. Hinterseer kam für den Doppeltorschützen Pohjanpalo, Jung für den gegen seine alten Kameraden blass gebliebenen Kinsombi und Amaechi sollte anstelle von Kittel ein wenig Betrieb in die Offensive und somit Entlastung für die Defensive der Hanseaten bringen.
"Wir wollten noch mal neuen Wind reinbringen. Pohjanpalo hatte viel gearbeitet, deshalb kam Hinterseer. Jung sollte Stabilität auch im Kopfballspiel bringen. Und Amaechis Schnelligkeit sollte Entlastung bringen", bietet Hecking auch für diesen Dreifach-Wechsel eine theoretisch durchaus schlüssige Erklärung.
Aufbauarbeit für Amaechi - falscher Ort, falsche Zeit!
Allein - gut gemeint ist meistens das Gegenteil von gut gemacht. Warum die psychologische Aufbauarbeit für ein Talent wie Amaechi, der in der bisherigen Saison so gut wie keine Rolle gespielt hat, ausgerechnet in einem so entscheidenden Spiel gegen einen besonderen (Angst-)Gegner stattfinden muss, könnte man sich an dieser Stelle auch fragen. Zumal bei diesem doch sehr knappen Spielstand und in einer Phase, in der absehbar war, dass bei fast allen Spielern das Zittern einsetzen würde. Einen Amaechi kannst du bringen, wenn du fünf Minuten vor Schluss mit zwei oder drei Toren führst - aber nicht, um auch ihn in die Verantwortung zu zwingen, einen knappen Vorsprung gegen anstürmende Gäste über die Zeit zu bringen.
A propos über die Zeit bringen: Auch Martin Harnik dürfte mit dieser Stallorder in der ersten Minute der Nachspielzeit für Jatta aufs Feld geschickt worden sein. Keine zwei Zeigerumdrehungen später musste er zusammen mit seinen Teamkollegen mit ansehen, wie die Kieler tatsächlich noch einen Punkt aus dem Volkspark retteten. Fünf Wechsel - nach denen aus einer 2:1-Führung ein 3:3 wurde. Macht ein Partial von 1:2. Natürlich kann man auch von den eingesetzten Spielern insgesamt ein wenig mehr erwarten, als sie während ihrer Einsatzzeit gezeigt haben - dennoch wird sich diesen doppelten Punktverlust vor allem der Trainer ankreiden lassen müssen. Im kommenden Auswärtsspiel bei Dynamo Dresden (Fr., 18.30 Uhr) hat Hecking hoffentlich ein besseres Händchen.