Die wechselhafte Saison der Eintracht-Frauen: Chancenwucher das einzige Problem?

Zwischen Champions-League-Taumel und enttäuschenden Auftritten: Die Frauen von Eintracht Frankfurt erleben eine seltsame Saison. Die mangelhafte Chancenverwertung zieht sich wie ein roter Faden durch die Saison. Der einzige Grund für die vielen Punkteverluste?
Die SGE diese Saison: mal Jubel, mal Kopfschütteln
Die SGE diese Saison: mal Jubel, mal Kopfschütteln / Christian Kaspar-Bartke/GettyImages
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Niko Arnautis kann auch mal emotional werden. Bei der 1:2-Niederlage seiner Eintracht-Frauen gegen Bayern München war der Coach etwa sichtlich aufgebracht, nach einem aus seiner Sicht unverdienten Sieg der Gäste: Auf dem Heimweg sollten die Bayern doch "auf dem Rückweg an einer Kirche halten und eine Kerze anzünden." Wenige Wochen später hat seine Eintracht erneut verloren, diesmal aber in der Favoritenrolle.

Nach dem 0:2 gegen Leverkusen war Arnautis aber weniger emotional und wütend als enttäuscht: "Im Endeffekt haben wir heute gegen uns selbst verloren", sagte der 44-Jährige. Mindestens genauso enttäuscht waren die zahlreichen angereisten Eintracht-Fans: Durch die Niederlage hat Frankfurt seine gute Ausgangslage verspielt, die TSG Hoffenheim kann mit einem Sieg gegen Köln auf vier Punkte Vorsprung davonziehen.

Der dritte Platz und die damit verbundene Champions-League-Qualifikation sind noch nicht weg, denn Hoffenheim muss noch das direkte Duell und zum Abschluss ein Spiel gegen Bayern hinter sich bringen - ein hartes Restprogramm. Aber Frankfurt ist beim Aufeinandertreffen Anfang Mai nun zum Siegen verdammt. Eine komfortable Ausgangslage sieht anders aus - zumal von dem heiß ersehnten dritten Platz viel abhängt.

Champions-League-Qualifikation lang- und kurzfristig wichtig

Wirtschaftlich noch am wenigsten, denn die 400 000 Euro Prämie für das Erreichen der Gruppenphase decken nicht viel mehr als die entstandenen Kosten ab. Und vor der Gruppenphase will erstmal die knifflige Qualifikation hinter sich gebracht werden. Aber das sportliche Projekt am Main zielt darauf ab, die SGE sich als dritten Topklub neben Bayern und Wolfsburg zu etablieren. Ein Verfehlen der Gruppenphase wäre da ein empfindlicher Rückschlag.

Der Eintracht ist es gelungen, Leistungsträgerinnen wie Nicole Anyomi oder Lara Prasnikar von den guten Erfolgsaussichten der Zukunft zu überzeugen. Dafür gebührt den Verantwortlichen Respekt. Der bisherige Weg seit Übernahme der Lizenz des FFC Frankfurt im Jahr 2020 beruht maßgeblich auf einem stabilen, eingespielten Gerüst. Aber das Gerüst kann in der modernen Fußballwelt schneller als gedacht zu wanken beginnen, wenn dann doch die sportlichen Ziele verfehlt werden.

Nicole Anyomi, Lara Prasnikar
Bleiben in Frankfurt: Die SGE-Stürmerinnen Prasnikar und Anyomi / Christian Kaspar-Bartke/GettyImages

Rätselhafte Saison: Höhen, Tiefen und ein roter Faden

Dass es nichts wird mit der Champions League, ist alles andere als klar. Aber der Saisonverlauf der SGE ist so oder so kurios: Starke Leistungen, wie gegen Bayern im März, streckenweise gegen Barcelona in der Champions League oder im Hinspiel gegen Hoffenheim, wechseln sich mit schwachen Spielen wie gegen Benfica oder Essen ab.

Zwischen den zwei Extremen steht ein Muster, das immer wiederkehrt: Die Chancenverwertung. Fast schon scheint es, als wären bei der Eintracht kleine, böswillige Saboteure am Werk, die immer wieder den Ball an den Pfosten lenken, die gegnerischen Torhüterinnen zu starken Paraden anstacheln und beste Chancen versemmeln.

Wenn es in der Frankfurter Kabine ein Phrasenschwein gibt, dann ist es diese Saison wohl schon wohlgenährt worden. Vor allem durch die Begriffe "Chancenverwertung", "Effizienz", "unglücklich" und "Punch". Sie fallen nach dem Großteil der Frankfurter Spiele - ob nach Niederlagen wie gegen Leverkusen oder knappen Siegen (etwa gegen Bremen, Köln, Essen, Duisburg).

Die Ratlosigkeit steht Spielerinnen wie Trainer ins Gesicht geschrieben, wenn wieder mal ein sattes "Plong" ertönt und der Ball gegen Pfosten oder Latte klatscht. Aber wie gravierend ist die Chancenverwertung der Frankfurterinnen eigentlich: Prinzipielles Übel oder nur eins von mehreren Problemen?

Niko Arnautis
Trainer Niko Arnautis verzweifelte diese Saison oft an der Chancenverwertung seines Teams / Christian Kaspar-Bartke/GettyImages

Chancenwucher: Ein großes Problem, ja...

Die nackten Zahlen von The Analyst sprechen eine klare Sprache. Aus dem offenen Spiel heraus hat sich Frankfurt einen Expected-Goals-Wert von 23,19 herausgespielt, damit liegen sie auf Platz drei der Tabelle - so weit, so gut. Anders als von dem statistischen Modell prognostiziert, machte die SGE aber nur 21 Treffer.

Damit liegt sie fünf Tore hinter der TSG Hoffenheim - obwohl diese nur einen xG-Wert von 20,85 hat. Auch Bayern und Wolfsburg übertreffen ihren xG-Wert. Frankfurt und Freiburg sind die zwei einzigen Teams, die in der Liga ihren Wert deutlich unter-performen. Bei Chancen aus Standardsituationen sieht die Lage etwas besser aus, dort ist Frankfurt im Soll. Die Chancenverwertung ist also ein Problem.

... aber nicht das Einzige

Besonders gravierend ist die Chancenverwertung von den reinen Zahlen her aber nicht. Problematisch ist aus Eintracht-Sicht auch, dass die anderen Teams nicht nur ihre Chancen nutzen, sondern besser nutzen als statistisch erwartet. In vielen Spielen liegt es aber nicht nur am Pech oder an starken Paraden der gegnerischen Nummer 1.

Die Expected-Goals-Werte von Frankfurt diese Saison in den Frauen-Bundesliga-Partien, die sie nicht gewonnen haben, sind da aufschlussreich: Nur in einem Spiel - gegen Wolfsburg in der Hinrunde - erreichte die SGE einen xG-Wert von mehr als 1. In vielen Spielen hatte Frankfurt also schlicht nicht genug gute Chancen, um Tore zu machen.

Dazu kommt, dass die SGE gerne aus Verzweiflung Schüsse aus schlechten Positionen nimmt, statt den Angriff besser auszuspielen. Die Gründe für diese Probleme im Aufbauspiel sind divers. Auffällig ist aber, dass Frankfurt fast immer mit einer 4-4-2-Raute spielt, Arnautis' Lieblingssystem. Warum auch nicht, denn ein eingespieltes System hat seine Vorteile - allerdings wäre mehr Flexibilität nicht schlecht. Das zeigt sich auch bei den Wechseln, die oft sehr spät erfolgen.

Harmlosigkeit bei Standards fällt auf

Was beim Blick auf die Zahlen noch auffällt: Gravierender als die Chancenverwertung ist eigentlich Frankfurts Harmlosigkeit bei Standardsituationen. The Analyst vergleicht, wie viele der Chancen insgesamt aus Ecken und Freistößen kommen - bei Leverkusen liegt die Quote bei 31%, auch Köln und Bremen kreieren viele ihrer Möglichkeiten aus Standards.

Frankfurt dagegen liegt mit 15% auf dem letzten Platz, ist also bei ruhenden Bällen viel ungefährlicher als aus dem offenem Spiel. Während die Probleme bei der Chancenverwertung sich im Laufe der Zeit wieder ausgleichen könnten, sind das Ausspielen der Möglichkeiten, die Flexibilität und die Standards also weitere Baustellen, die Frankfurt angehen muss, um weiter oben mitzuspielen.