Die Hertha wieder im Tabellenkeller - der kontinuierliche Stillstand des Möchtegerns
Von Christian Gaul

Nach der absoluten Horror-Saison im Vorjahr hatte sich Hertha BSC einiges vorgenommen. Ein Großteil der Tennor-Millionen wurden in den Kader investiert, um den nächsten Schritt in Richtung des gewünschten "Big-City-Clubs" zu gehen. Nach fünf Spieltagen hängt man jedoch wieder im Tabellenkeller der Bundesliga fest und auch abseits des Platzes ändert sich wenig.
Die laufende Saison begann schon mit einem Nackenschlag, als die Hertha in der ersten Runde des DFB-Pokals mit 4:5 bei Zweitligist Braunschweig ausschieden. Zum Liga-Auftakt konnte man jedoch mit einem 4:1 bei Werder Bremen ein Ausrufezeichen setzen und von einer ambitionierten Spielzeit träumen.
Seitdem verloren die Berliner aber vier Spiele in Serie und liegen in der Tabelle auf Rang 15 - hinter ihnen befinden sich nur noch die absoluten Krisen-Klubs aus Köln, Gelsenkirchen und Mainz. Nicht gerade das Umfeld, dass man sich vor der Saison erhoffte. Doch die aktuellen Aussagen und Handlungen in der bedrohlichen Lage lassen nur einen Schluss zu: Bei der Hertha wird weitergemacht wie bisher - auch wenn man dringend Veränderung anstrebt.
Gegenbauer hilft Preetz, Preetz hilft Labbadia - wer hilft der Hertha?
Denn neben der sportlichen Talfahrt gibt es auch im Bezug auf die Führungsebene des Vereins wenig Neues zu berichten. Auf der Mitgliederversammlung am Sonntag wurde der langjährige Präsident Werner Gegenbauer wiedergewählt - von über 1000 wahlberechtigten Mitgliedern stimmten allerdings nur 542 für Gegenbauer und 421 gegen ihn bei 49 Enthaltungen.
Die weitere Amtszeit Gegenbauers wird besonders Michael Preetz gefallen, denn der Geschäftsführer Sport der Hertha bekommt aufgrund der Nähe der beiden eine verlängerte Job-Garantie. Diese wiederum hilft dem in der Kritik stehenden Trainer Bruno Labbadia, denn Preetz betonte auf der Versammlung, dass er weiterhin hinter dem Coach steht.
"Wir haben einen spannenden, talentierten Kader zusammen. Das ist eine gute Truppe, die Jungs müssen nun schnell eine Einheit werden. Durch den schlechten Start fehlt ein Stück Leichtigkeit, es gab Licht, aber auch viel mehr Schatten. Ich kann ihnen versichern, dass wir weiter hart arbeiten werden, die Auftritte in mehr Punkte umzumünzen. Die bisherigen drei Punkte können und dürfen keinen von uns zufrieden stellen. Aber ich sage ganz klar: Ich bin von jedem Einzelnen unserer Jungs überzeugt. Wir brauchen nun alle Geduld und Vertrauen, und ich vertraue unserem Trainerstab und dieser Mannschaft", forderte Preetz - mal wieder - Geduld.
Nur zur Erläuterung: Michael Preetz ist der, der seit einem Jahrzehnt Geduld einfordert und ständig betont, Fortschritte machen zu wollen. Werner Gegenbauer ist der, der unlängst den öffentlichen Meisterschaftsambitionen des Investors Lars Windhorst entgegnete: "Lars Windhorst spricht über Hertha BSC, wir sprechen für Hertha BSC." (Quelle: hier)
Diese Aussage traf Gegenbauer gegenüber dem Mann, der über seine Tennor-Gruppe in den letzten Monaten mehrere einhundert Millionen Euro in den Verein pumpte und mittlerweile zwei Drittel der Anteile des Klubs hält - ein fragwürdiger Umgang.
Zudem ist die Funktion von Arne Friedrich weiterhin zu wenig definiert. Offiziell wurde der Ex-Herthaner Ende 2019 - noch unter Klinsmann - als "Performance Manager" eingestellt. Seit dem Sommer 2020 trägt er nun den Titel "Sportdirektor", doch öffentliche Statements sind rar und werden lieber von Preetz gehandhabt.
Achterbahn auf und neben dem Platz - Labbadia als Bauernopfer
Die aktuellen sportlichen Auftritte lassen sich gut auf das Werkeln neben dem Platz übertragen. Eine schwache Vorbereitung mit dem Pokal-Aus als Höhepunkt folgte ein 4:1 zum Liga-Auftakt in Bremen. Danach gab es eine 1:3-Pleite zu Hause gegen Frankfurt, gefolgt von einem starken Auftritt bei den Bayern, der unglücklich mit 3:4 endete. Nach dem 0:2 gegen den Aufsteiger Stuttgart spielte man zuletzt 1:2 in Leipzig - trotz starker erster Hälfte.
Strukturell stabilisierte man sich in der Zeit unter Trainer Pal Dardai in der Bundesliga, nach dessen Entmachtung scheiterte man mit Ante Covic und bekam neuen Wind durch den Inverstor und die Inthronisierung von Klinsmann - was bekanntlich in einem sportlichen und medialen Debakel endete. Labbadia übernahm nach dem Kurzauftritt von Alexander Nouri und rettete die Hertha vor dem Gang in die 2. Bundesliga, nur um nach fünf Spieltagen der laufenden Saison - trotz hoher Investitionen in den Kader - wieder im Tabellenkeller zu stecken.
Aufs und Abs in erschreckender Regelmäßigkeit führen letztendlich zum Stillstand. Diese Achterbahn wird nun seit über einem Jahrzehnt von den selben Verantwortlichen betrieben, namentlich Gegenbauer (Präsident seit 2008) und Preetz (Geschäftsführer Sport seit 2009). Die aktuellen Entwicklungen lassen nicht darauf hoffen, dass die beiden die gewünschte Entwicklung einleiten können - doch bei anhaltender Ergebniskrise wird es einen anderen treffen.
Denn sollte Bruno Labbadia nicht bald Punkte einfahren, dann werden die obligatorischen Mechanismen greifen und ein neuer Trainer von Michael Preetz auserkoren. Immerhin stellte ihm die sportliche Führung ja einen Kader zur Verfügung, der die europäischen Plätze angreifen kann.
Dass der eher als Stabilisator bekannte Labbadia von Vornherein kein Macher für die gewünschte glorreiche "Big-City-Zukunft" war, wird die auf ihrem Stuhl klebenden Verantwortlichen dann nicht mehr interessieren. Noch schlimmer: Die erneute Fehlbesetzung wird ihnen nicht einmal auf die Füße fallen - dafür scheint das Gesamt-Konstrukt "Hertha" zu sehr auf kontinuierlichen Stillstand zu setzen.