Die DFB-Elf 100 Tage vor dem EM-Start: Diese Probleme gilt es für Joachim Löw noch zu lösen
Von Dominik Hager
Der Countdown für Joachim Löw und die DFB-Elf läuft. Noch sind es exakt 100 Tage, bis die Fußball Europameisterschaften beginnt. Um Wiedergutmachung für das blamable Vorrunden-Aus bei der WM 2018 betreiben zu können, muss jedoch noch einiges passieren. Bei der harten Gruppenphase, mit Spielen gegen Frankreich und Portugal, droht also erneut früh Ungemach. Demnach hat vor allem Bundestrainer Löw noch einiges zu tun, um zumindest den Rahmen für eine erfolgreiche WM zu schaffen.
Mit dem großen Vorhaben, die Mission 2022 mit jungen hungrigen Spielern anzutreten, setzte Joachim Löw seinen Weg als DFB-Trainer vor knapp zwei Jahren fort. Ein Vorhaben, dass aber spätestens nach der 0:6-Pleite gegen Spanien gescheitert zu sein scheint. So erklärte sogar Führungsspieler Toni Kroos zuletzt, dass das Vorhaben des Trainerteams nicht aufgegangen sei und betonte die Wichtigkeit, die besten Spieler im Land auch mitzunehmen. Eine Äußerung, die nach einem verzweifelten Ruf nach Jerome Boateng, Mats Hummels und Thomas Müller klang. Nun liegt es an Löw selbst, dieses Problem nicht nur aus der Welt zu schaffen, sondern auch zu lösen.
Als einzig richtige Lösung zeichnet sich jedenfalls die Rückkehr des Trios ab. Dies gilt vor allem für Thomas Müller, der mit zehn Toren und zwölf Vorlagen eine herausragende Saison spielt und das Zusammenspiel mit den anderen Offensiv-Eckpfeilern Serge Gnabry und Leroy Sané kennt. Doch auch Jerome Boateng und Mats Hummels wären für das Team wichtig. Selbst wenn das erfahrene Duo ein paar Schwankungen aufweist, präsentierte sich eigentlich nur Matthias Ginter auf ähnlich hohem Niveau. Während Niklas Süle und Antonio Rüdiger im Nationaldress zuletzt einige Böcke schossen, sind auch Jonathan Tah oder Robin Koch nicht bereit für einen Stammplatz.
Nationalteam mit Hierarchie-Problem: Wie kann Löw vorhandene Spannungen lösen?
Jedoch reicht es auch nicht, die drei erfahrenen Stars zurückzuholen und zu glauben, alles liefe jetzt wieder von selbst. Schließlich würde die Rückkehr dreier Alpha-Tiere einiges im Team durcheinander würfeln. So ist der Trainer nun gefragt, eine funktionierende Hierarchie zu bilden und den Teamspirit aufrecht zu erhalten. Auf keinen Fall darf sich die Situation von 2018 wiederholen, bei dem die Nationalelf laut zahlreichen Berichten in zwei Teile gespalten war. Jedoch muss Bundestrainer Löw dieses Risiko eingehen. So fehlten der Mannschaft ganz offensichtlich Führungsspieler, die auch auf dem Platz Kommandos geben und ihre Nebenmänner auch mal wachrütteln können.
Stimmung in Deutschland auf dem Tiefpunkt: Löw und Co müssen die Fans erreichen
Zuletzt war jedoch nicht nur die Stimmung in der Mannschaft angespannt, sondern auch das Verhältnis zu den Fans deutlich unterkühlt. So schienen Länderspiele für die meisten Fans gerade zu lästige Abwechslungen im Vergleich zum spannenden Liga-Alltag zu sein. Joachim Löw, dem vor allem fehlende Selbstreflexion und Sturheit vorgeworfen wird, genießt so schlechte Umfragewerte wie noch nie und auch dem Team gelingt es nicht mehr, den Funken zu übertragen. Tatsächlich kann man sagen, dass es eine ähnlich miese Stimmung vor einem großen Turnier zuletzt 2004 gab. Mit dem Ergebnis, dass das Nationalteam prompt in der Vorrunde ausschied. Selbst wenn bei der EM möglicherweise gar keine Fans in den Arenen sein werden, gilt es die Stimmung in der Bevölkerung zu verbessern und zumindest ein wenig Vorfreude zu entflammen. Starke und leidenschaftliche Vorstellungen gegen Island und Rumänien (Ende März) wären hierfür ein Anfang.
Die drei Fragezeichen für Löw: Wer spielt in der Außenverteidigung und im Angriff
Da wären jedoch auch noch die Probleme mit dem Spielermaterial, die nicht so einfach zu lösen sind. So besitzt die Nationalelf mit den beiden Außenverteidiger und der Stürmerposition drei Problemstellen. Hierfür die richtige Lösung zu finden, wird auch für Joachim Löw schwer. Unglücklich ist hierbei vor allem die Tatsache, dass die beiden Leipziger Klostermann und Halstenberg, die Rolle in Leipzig nicht mehr ausfüllen. Ansonsten bleibt dem Coach die Wahl zwischen etatmäßigen Innenverteidigern, wie Ginter, Rüdiger oder Süle und den offensiv ausgerichteten Max, Gosens und Baku. Einen kompletten Außenverteidiger verkörpert aktuell keiner der genannten. Doch auch eine asymmetrische Kette mit einem offensiveren und einen defensiveren Part kann funktionieren. Dennoch ist auch eine Rückkehr von Joshua Kimmich in die Viererkette denkbar. Schließlich tummeln sich im Mittelfeld mit Kroos, Gündogan oder Goretzka die Stars nur so.
Viele Offensivspieler, kein Stürmer: Können Gnabry, Sané und Werner die Rolle im Verbund ausfüllen?
Noch immer ungelöst ist auch die Suche nach einem echten Neuner. Zwar stehen mit Gnabry, Sané, Werner und vielleicht auch Müller herausragende Offensivkräfte zur Verfügung, so ist keiner von ihnen ein klassischer Neuner. Eine Spielidee, die auf einen Fixpunkt im Zentrum gerichtet ist, wird es also nicht geben. Daher sind nun Variabilität und Geschwindigkeit gefordert, wodurch das Wort Konterfußball für die Löw-Elf noch wichtig werden könnte.
Eine abwartende und auf Gegenangriffe ausgerichtete Spielweise, scheint aufgrund der Abwehrschwäche ohnehin nicht verkehrt. Problem bei der Sache: Alle vier Spieler sind es gewohnt in Teams mit viel Ballbesitz und mit einem echten Mittelstürmer auf den Platz zu stehen. So liegt es am Trainerteam, die Laufwege der Spieler so vorzugeben, dass diese auch in der Box gefährlich sein können. Allerdings ist es auch notwendig, einen echten Stürmer als Alternative zu haben. Dieser könnte Kevin Volland sein, dessen Leistungen von Joachim Löw jedoch bereits seit Jahren wenig Beachtung finden. Der 28-Jährige spielt in Monaco groß auf (13 Tore und 8 Vorlagen) und sollte zumindest als Back-up im Kader stehen.