Die besten Teams der EM-Geschichte seit 2000 - Spanien 2008
- Mit Tiki-Taka zum EM-Titel
- Der letzte spanische Titel lag über 40 Jahre zurück
- Beginn einer spanischen Dominanz
Von Lennart Sörnsen
Die Europameisterschaft 2008 war die zweite EM, die in zwei Nationen stattfand. Erstmals durften Österreich und die Schweiz zusammen ein Turnier austragen. 16 Nationen nahmen am Turnier teil, als großer Favorit bei allen Buchmachern galt im Vorfeld die deutsche Mannschaft.
In der 90min-Serie 'Die besten EM-Teams seit 2000' blicken wir auf insgesamt acht Mannschaften, die im neuen Jahrtausend die Geschichte der Europameisterschaft geprägt haben. Welche Nation hatte die beste Mannschaft auf dem Platz - unabhängig davon, ob es am Ende für den Titel gereicht hat?
Ballbesitz-Dominanz der Spanier
Die Spanier zeichneten sich vor allem mit ihrem technisch anspruchsvollen Tiki-Taka-Kurzpassspiel aus, die Gegner wurden mit erdrückend hohem Ballbesitz müde gespielt. Mit einer insgesamt jungen Mannschaft rund um die Barcelona-Stars Carlos Puyol in der Abwehr sowie Andres Iniesta und Xavi Hernandez im Mittelfeld trat Spanien unter Trainer Luis Aragonés zumeist in einem klassischen 4-4-2 auf, stellten in einigen Spielen jedoch auf ein 4-1-4-1 um - so auch im Finale. Die Europameisterschaft war der Startschuss einer spanischen Dominanz im Weltfußball die mit zwei weiteren Titeln für die Nationalmannschaft endete.
Der Kader Spaniens 2008
Tor
- Iker Casillas (Real Madrid)
- Pepe Reina (FC Liverpool)
- Andrés Palop (FC Sevilla)
Abwehr
- Raul Albiol (FC Valencia)
- Fernando Navarro (RCD Mallorca)
- Carlos Marchena (FC Valencia)
- Carlos Puyol (FC Barcelona)
- Joan Capdevila (FC Villareal)
- Sergio Ramos (Real Madrid)
- Alvaro Arbeloa (FC Liverpool)
- Juanito (Betis Sevilla)
Mitteldfeld
- Andrés Iniesta (FC Barcelona)
- Xavi (FC Barcelona)
- Cesc Fábregas (FC Arsenal)
- Santi Cazorla (FC Villareal)
- Xabi Alonso (FC Liverpool)
- Marcos Senna (FC Villareal)
- David Silva (FC Valencia)
- Rubén de la Red (FC Getafe)
Sturm
- David Villa (FC Valencia)
- Fernando Torres (FC Liverpool)
- Sergio Garcia (Real Saragossa)
- Daniel Güiza (RCD Mallorca)
Der Weg bei der EM
Spanien traf in der Gruppe auf Russland, Schweden und Griechenland. Am schwersten taten sich die Spanier mit Schweden. Erst in der Nachspielzeit konnte David Villa einen Fehler eines schwedischen Verteidigers zum 2:1-Siegtreffer nutzen. Bereits im ersten Gruppenspiel gegen Russland hatte Villa bei einem ungefährdeten 4:1-Sieg dreifach getroffen. Im letzten Gruppenspiel traf Spanien auf den amtierenden Europameister Griechenland und konnte einen Rückstand aus der ersten Halbzeit noch in einen 2:1-Erfolg ummünzen.
Im Viertelfinale wartete am 22. Juni mit Italien so etwas wie ein Angstgegner der Spanier, noch dazu ging die Partie nach 120 Minuten Tiki-Taka gegen Abwehrkunst ins Elfmeterschießen, ebenfalls eine Angst der Spanier. Und das alles auch noch am 22. Juni. Bereits 1986,1996 und 2002 waren die Spanier an diesem Datum jeweils im Viertelfinale einer EM oder WM und ebenfalls im Elfmeterschießen ausgeschieden. Doch an diesem 22. Juni wurden all diese Flüche gebrochen. Iker Casillas parierte zwei Elfmeter ehe Cesc Fabregas den entscheidenden spanischen Elfer verwandelte.
Im Halbfinale trafen die Spanier erneut auf Russland und erneut wurde die Partie zu einer klaren Angelegenheit. Es dauerte zwar bis in die zweite Halbzeit, bevor das erste Tor fiel, am Ende stand aber ein klarer sowie verdienter 3:0-Sieg für die Spanier. Somit qualifizierte sich das spanische Team für ihr drittes EM-Finale. Dort wartete der WM-Dritte von 2006, Deutschland.
Das Finale begannen die Spanier merklich nervös, Deutschland übernahm zunächst das Zepter. Doch nach einer knappen Viertelstunde steigerte sich La Roja zunehmend und nach bereits einigen Hochkarätern schüttelte Fernando Torres in der 33. Minute Philipp Lahm nach einem seltenen Stellungsfehler des Linksverteidigers ab und setzte den Ball mit einem Heber über Jens Lehmann in den Kasten. Auch in der zweiten Halbzeit erspielte sich vor allem die spanische Auswahl weitere Chancen, das zweite Tor blieb jedoch aus und so musste Spanien zittern, konnte am Ende aber den ersten Titel seit über 40 Jahren feiern.
Die Topelf der Spanier bei der EM 2008
TW: Iker Casillas - Der damals 27-Jährige war zu diesem Zeitpunkt trotz seines, für einen Torhüter, noch recht jungen Alters, bereits viele Jahre Stammtorhüter bei Real Madrid und gilt gemeinhin als einer der besten Keeper der 2000er Jahre. Trotz seiner kleinen Körpergröße von 1,82m war der Spanier auf der Linie einer der besten Torhüter aller Zeiten und ein absoluter Erfolgsgarant bei seinem Verein sowie bei der Nationalmannschaft. In seiner Vita stehen 167 Länderspiele und unfassbare 725 Spiele für Real Madrid - nur Raul machte mehr. Dabei gewann 'San Iker' den WM-Titel, zwei EM-Titel und dreimal die Champions League.
RV: Sergio Ramos - Auf der Rechtsverteidiger-Position stand mit Sergio Ramos eine weitere absolute Vereinsikone Real Madrids. Selbst mit seinen damals gerade einmal 22 Jahren war Ramos fester Bestandteil der Spanier. Damals noch auf außen, dominierte Ramos später vor allem aus der Innenverteidigung über viele Jahre den Weltfußball als einer der besten auf seiner Position. Der 38-Jährige ist auch heute noch auf Spitzenniveau für den FC Sevilla aktiv. 180 Länderspiele stehen für Spaniens Rekordspieler Ramos zu Buche. Für Real Madrid, PSG und Sevilla stand er bislang in 580 Partien auf dem Rasen. Herausstechen tun hierbei vor allem die für einen Verteidiger beeindruckenden 81 Tore sowie 174 Gelbe und 23 Rote Karten. Die Titelsammlung lässt sich mit WM-Titel, zwei EM-Titel und vier CL-Titeln ebenfalls sehen.
IV: Carlos Marchena - Marchena geht bei den ganz großen Namen dieser spanischen Mannschaft ein wenig unter, doch auch der damals 28-Jährige spielte ein starkes Turnier und wurde zusammen mit Nebenmann Puyol und sieben weiteren Spaniern in das UEFA-All-Star-Team der besten 23 Spieler des Turniers gewählt. Der Verteidiger spielte fast seine gesamte Karriere in Spanien. Die meisten Spiele leistete Marchena für den FC Valencia (316 Spiele), doch auch für seinen Jugendklub FC Sevilla, FC Villareal und Deportivo La Coruna lief der Spanier in der Heimat auf. Mit dem FC Valencia wurde Marchena zweifacher spanischer Meister, spanischer Pokalsieger und gewann den UEFA-Cup (heutige Europa League). Für die spanische Nationalmannschaft machte Marchena 69 Spiele und gewann neben dem EM-Titel 2008 auch die WM 2010, jedoch als reiner Ersatzspieler.
IV: Carles Puyol - Der Abwehrchef schlechthin und eine der größten Vereinsikonen des FC Barcelona, für die er von der Jugend bis zum Karriereende tätig war. 593 Spiele machte Puyol für Barcelona, war dabei unfassbare zehn Jahre von 2004 bis 2014 Kapitän. Auch in der Nationalmannschaft war Puyol zu dieser Zeit gänzlich unumstritten. Auf genau 100 Länderspiele kommt Puyol, der auch beim WM-Sieg 2010 einer der absoluten Leistungsträger war. Neben diesen beiden Titeln mit Spanien kommen weitere Titel auf Vereinsebene mit drei Champions-League-Erfolgen sowie sechs spanischen Meisterschaften. Bekannt war Puyol außerdem auch für seine Anführerqualitäten und seine überaus faire Spielweise.
LV: Joan Capdevila - Capdevila verbrachte ebenfalls den großteil seiner Karriere in der Heimat und brachte es auf über 400 Einsätze in La Liga für Deportivo La Coruna, FC Villareal, Espanyol Barcelona und Atletico Madrid. Im Vergleich mit Größen wie Puyol, Ramos und Casillas ist seine Titelsammlung zwar weniger beachtlich, ein spanischer Pokalsieg mit La Coruna gelang dem Linksverteidiger jedoch. Wie die gesamte spanische Verteidigung bei diesem Turnier war auch Capdevila im gesamten Turnier gesetzt und war neben Gerard Pique und Iker Casillas der einzige Spieler, der beim WM-Titel 2010 in jeder Minute beim Titelträger auf dem Platz stand.
RM: David Silva - Je nach Gegner spielte David Silva mal rechts, mal links im Vierermittelfeld der Spanier - auf der anderen Seite kam jeweils Andres Iniesta zum Einsatz. Auch bei der WM 2010 und der EM 2012 gehörte Silva dem Kader der Spanier an und gewann somit alle drei Titel mit der spanischen Auswahl, insgesamt stand er 125 Mal zwischen 2006 und 2018 für Spanien auf dem Rasen. Auf Vereinsebene hinterlies David Silva vor allem bei Manchester City bleibende Eindrücke, bei den Skyblues brachte es Silva auf 436 Einsätze - nur Joe Corrigan schaffte in den 80ern mehr Spiele für den englischen Meister. Mit City wurde Silva vierfacher Meister und zweifacher FA-Cup-Sieger. Doch auch in La Liga bringt es der 38-Jährige, der im vergangenen Sommer sein Karriereende bekannt gab, auf 227 Spiele, die meiste davon für den FC Valencia.
ZM: Marcos Senna - Einer der unbekannteren Namen in diesem spanischen Team. Der defensive Mittelfeldspieler mit Wurzeln in Brasilien nahm 2006 die spanische Staatsbürgerschaft an um für die Nationalmannschaft auflaufen zu können. 2008 nahm er die wichtige defensive Rolle im spanischen Team ein - mit der klaren Aufgabe den physischen Zweikämpfer im ansonsten zwar technisch starken aber schmächtigen Mittelfeld zu geben. Diese Rolle ging auf, Senna war wichtiger Bestandteil des EM-Siegers und wurde ebenfalls ins All-Star-Team des Tuniers gewählt und zudem zu Spaniens Fußballer des Jahres 2008 ausgezeichnet. Auf Vereinsebene war Senna zunächst in seiner Heimat Brasilien tätig, wechselte 2003 jedoch zum FC Villareal, für die er zehn Jahre lang die Schue schnürte. Insgesamt 361 Spiele machte der Mittelfeldspieler für Villareal und wurde 2008 mit dem 'Gelben Uboot' Vizemeister.
ZM: Xavi Hernandez - Der Lenker des FC Barcelona zog auch im Mittelfeld der Spanier die Fäden und wurde zum besten Spieler des Turniers ausgezeichnet. Zusammen mit Teamkollege Andres Iniesta war Xavi über viele Jahre hinweg einer der besten Mittelfeldspieler der Welt und hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg der spanischen Nationalmannschaft sowie des FC Barcelona, die unter Pep Guardiola vielleicht beste Vereinsmannschaft aller Zeiten. 133 Länderspiele und 767 Einsätze für Barcelona - einzig Lionel Messi hat mehr - sprechen eine eindeutige Sprache. Achtfacher spanischer Meister, vierfacher Champions-League-Sieger, zweifacher Europameister, Weltmeister. Xavi war das Herz dieser spanischen Mannschaft.
LM: Andrés Iniesta - Neben Xavi steht wohl vor allem Andrés Iniesta für die Dominanz dieser spanischen Elf. Auch Iniesta war bei allen drei Titeln 2008, 2010 und 2012 dabei, auch Iniesta dominierte im Mittelfeld des FC Barcelona jahrelang den Weltfußball. Vor allem die Kombination des genialen Taktgebers Xavi und die Eleganz des offensiver denkenden Dribbelkünstlers Iniesta machte Spanien und Barcelona so erfolgreich. Gäbe es da nicht Lionel Messi und Cristiano Ronaldo hätten heute wohl Xavi und Iniesta die Balon d'Or-Auszeichungen unter sich ausgemacht. Iniesta brachte es auf 131 Länderspiele und 647 Einsätze für den FC Barcelona, gewann neun spanische Meisterschaften und vier Champions-League-Titel. Zudem wurde Iniesta 2012 zu Europas Fußballer des Jahres ausgezeichnet.
ST: Fernando Torres - Im entscheidenden Moment war er es der für Spanien zur Stelle war und das Finaltor zum Titel, dem ersten großen Titel dieser spanischen Nationalmannschaft seit vielen Jahrzehnten erzielte. Zusammen mit Sturmpartner David Villa lief Torres 2008 zumeist im Doppeltsturm auf, im Finale jedoch vertraute Trainer Aragonés im 4-1-4-1 auf Torres als alleinige Sturmspitze, nachdem sich Toptorschütze David Villa im Halbfinale verletzt hatte. Umso wichtiger also, dass Torres lieferte. Auch auf Vereinsebene hat Torres große Erfolge gefeiert. Den Durchbruch schaffte er 2001/02 bei Atletico Madrid bevor es ihn in die Premier League zog, wo er zunächst bei Liverpool mit 81 Toren in 141 Spielen zu einem der besten Stürmer der Liga wurde bevor er 2012 mit dem FC Chelsea die Champions League gewann. Zusätzlich gewann er 2013 und 2018 die Europa League mit Chelsea und Atletico Madrid und wurde 2012 FA-Cup-Sieger.
ST: David Villa - Letztlich bleibt noch David Villa. Der Stürmerstar begann die EM auf beeindruckende weise mit einem Dreierpack im Auftaktspiel und legte im zweiten Spiel bereits den vierten Treffer nach. In den entscheidenden Momenten konnte Villa jedoch nur zuschauen, der damals 26-Jährige verletzte sich früh im Halbfinale und musste so auch das Finale ausetzen. So konnte er im weiteren Verlauf des Turniers auch keine weiteren Treffer beisteuern - für die Trophäe als bester Torschütze des Turniers reichte es dennoch. Wie der Großteil dieser Mannschaft kann auch Villa auf eine beachtliche TItelsammlung blicken. Drei spanische Meistertitel mit Barcelona und Atletico Madrid sowie ein Champions-League-Titel mit Barcelona stehen ebenso zu Buche wie der WM-Titel 2010.