Die besten Teams der EM-Geschichte seit 2000 - Frankreich bei der EM 2000
- Equipe Tricolore reist als Weltmeister in die Niederlande und Belgien
- Erste Mannschaft, die den EM-Titel nach dem WM-Titel holt
- Zinedine Zidane wird zum Spieler des Turniers gewählt
Von Hendrik Gag
Frankreich reiste als amtierender Weltmeister zur EM 2000. Zwei Jahre zuvor konnten Les Bleus sich im eigenen Land mit 3:0 gegen Brasilien im Finale durchsetzen. Zinedine Zidane war der Wegbereiter, er erzielte das 1:0 und das 2:0 per Kopfball nach Ecke.
In den Niederlanden und Belgien sollte die ultimative Krönung gelingen. Noch nie zuvor konnte sich eine Mannschaft den Europameistertitel direkt nach dem Gewinn der WM sichern. Nur Deutschland hielt bis dato beide Titel gleichzeitig, gewann die Turniere jedoch in unterschiedlicher Reihenfolge - bei der EM 1972 und der WM 1974.
In der 90min-Serie 'Die besten EM-Teams seit 2000' blicken wir auf insgesamt acht Mannschaften, die im neuen Jahrtausend die Geschichte der Europameisterschaft geprägt haben. Welche Nation hatte die beste Mannschaft auf dem Platz - unabhängig davon, ob es am Ende für den Titel gereicht hat?
Frankreich bei der EM 2000 - Die Krönung
Nach dem WM-Sieg 1998 war Trainer Aimé Jacquet auf die Position des Technischen Direktors gewechselt. Sein Co-Trainer Roger Lemerre übernahm den Chefposten. Lemerres Werdegang liest sich kurios. Nach mehreren Stationen in Frankreich und Tunesien, trainierte er von 1986 bis 1996 die Mannschaft der französischen Armee, bevor er über Lens zur Nationalmannschaft kam.
2004 wurde Lemerre der erste Trainer, der zwei verschiedene Kontinentalturniere gewinnen konnte, als er mit Tunesien beim Afrika-Cup triumphierte.
Im Kern setzte er auf die gleiche Mannschaft, die zwei Jahre zuvor den goldenen Pokal in den Pariser Nachthimmel recken durfte. Schlüsselspieler war weiterhin Zinedine Zidane, der zum besten Spieler des Turniers gewählt wurde.
Der Kader Frankreichs 2000
Tor
- Fabian Barthez (Monaco)
- Bernard Lama (PSG)
- Ulrich Ramé (Bordeaux)
Abwehr
- Vincent Candela (Roma)
- Bixente Lizarazu (FC Bayern)
- Laurent Blanc (Inter)
- Marcel Desailly (Chelsea)
- Lilian Thuram (Parma)
- Frank Lebouef (Chelsea)
Mittelfeld
- Patrick Viera (Arsenal)
- Youri Djorkaeff (Kaiserslautern)
- Didier Deschamps (Chelsea)
- Zinedine Zidane (Juventus)
- Robert Pires (Marseille)
- Johan Micoud (Bordeaux)
- Emmanuel Petit (Arsenal)
- Christian Karembeu (Real Madrid)
Sturm
- Nicolas Anelka (Real Madrid)
- Thierry Henry (Arsenal)
- Sylvain Wiltord (Bordeaux)
- David Trezeguet (Monaco)
- Christophe Dugarry (Bordeaux)
Der Weg bei der EM
Frankreich gewann seine beiden Auftaktspiele: Zuerst setzte sich die Mannschaft mit 3:0 gegen Dänemark durch, bevor man Tschechien, Finalist der EM 1996, mit 2:1 besiegte. Im letzten Gruppenspiel ging es gegen den bis dato ebenfalls makellosen Co-Gastgeber, die Niederlande.
Beide Mannschaften waren schon weiter. Roger Lemerre entschied sich dazu, seine Stars zu schonen. Unter anderem blieben Zinedine Zidane und Thierry Henry über 90 Minuten auf der Bank. Die Elftal spielte hingegen mit der ersten Elf und gewann 3:2.
Für Frankreich bedeutete das Platz zwei in der Gruppe und ein Hammerlos im Viertelfinale: Spanien wartete. Nach der ersten Hälfte führten Les Blues durch Treffer von Zidane und Djoerkaeff mit 2:1. Lange schien sich nichts mehr am Spielstand zu ändern, bis zur 90. Minute: Dann zeigte der Schiedsrichter auf den Punkt. Elfmeter für Spanien. Real-Superstar Raul trat an und schoss den Ball in den Nachthimmel von Brügge. Frankreich stand im Halbfinale! Dort traf die Mannschaft auf Portugal.
Erneut war ein später Elfmeter Gesprächsthema Nummer eins. Mit 1:1 ging das Spiel in die Verlängerung, in der Frankreich fünf Minuten vor Ende einen kontroversen Handelfmeter zugesprochen bekam. Abel Xavier hatte den Schuss von Sylvain Wiltord mit der Hand abgewehrt und für seinen bereits geschlagenen Keeper gerettet. Die Portugiesen protestierten vehement. Benfica-Stürmer Nuno Gomes schubste sogar den Schiedsrichter - er erhielt die Rote Karte und eine siebenmonatige Nationalmannschafts-Sperre.
Zidane ließ sich von dem Trubel nicht beeindrucken und verwandelte souverän. Da die EM 2000 noch mit Golden Goal gespielt wurde, war der Elfmeter auch automatisch der Siegtreffer. Frankreich stand im Finale! Dort ging es gegen Italien.
Im Endspiel erreichte die Dramaturgie ihren Höhepunkt. Nach einer torlosen ersten Hälfte brachte Marco Delvecchio die Italiener in der 55. Minute in Führung. Bis in die Nachspielzeit blieb es beim 0:1, dann kam der eingewechselte Sylvain Wiltord. Nach einer Kopfballverlängerung des ebenfalls eingewechselten David Trezeguet zog Wiltord aus spitzen Winkel ab. Mit Glück fand der Ball seinen Weg ins Netz, Italien-Keeper Francesco Toldo machte keine gute Figur. Der Weltmeister hatte sich im letzten Moment in die Verlängerung gerettet.
Dort standen erneut zwei französische Joker im Mittelpunkt. In der 103. Minute ließ Robert Pires auf dem linken Flügel zwei Verteidiger aussteigen, anschließend brachte er den Ball flach in die Mitte, dort haute Trezeguet den Ball mit einem wuchtigen Schuss aus der Drehung in die Maschen. Frankreich war Europameister!
Die Topelf Frankreichs bei der EM 2000
TW: Fabien Barthez - Barthez war mit 1,83m ein eher kleiner Keeper. Die fehlende Größe konnte er jedoch durch seine beeindruckende Athletik wettmachen. Zudem war er sehr gut mit dem Ball am Fuß und schaltete sich immer wieder ins Aufbauspiel seiner Mannschaft mit ein. Er wurde bei der EM 2000 ins All-Star-Team der UEFA gewählt. Insgesamt bestritt er 87 Länderspiele. Im Verein spielte er unter anderem für Manchester United, die AS Monaco und Olympique Marseille.
RV: Lilian Thuram - Bis zur WM 2022 war Thuram der Rekordspieler Frankreichs. 142-mal streifte er das Trikot der Nationalmannschaft über. Hugo Lloris überholte ihn in Katar. Kurios: Trotz der zahlreichen Länderspiele traf Thuram nur zweimal für Les Blues. Im WM-Halbfinale 1998 erzielte er gegen Kroatien einen Doppelpack, als seine Mannschaft 0:1 hinten lag.
IV: Laurent Blanc - Der Abwehrchef der Mannschaft. In Marseille bekam er von den Fans den Spitznamen "Le President". Fuhr als 34-Jähriger zur EM, ließ sich dort jedoch sein Alter nicht anmerken. Wurde nach dem Turnier ins All-Star-Team gewählt.
IV: Marcel Desailly - Desailly war ein physisch beeindruckender Innenverteidiger, er war sowohl körperlich stark, also auch schnell. Er wurde bei der EM wie sein Innenverteidiger-Partner ins All-Star-Team gewählt. Nach dem Turnier übernahm er die Kapitänsbinde von Didier Deschamps.
LV: Bixente Lizarazu - Von 1997 bis 2004 und von 2005 bis 2006 spielte Lizarazu beim FC Bayern. Sowohl bei der WM 1998 als auch bei der EM 2000 war er auf der Linksverteidigerposition gesetzt.
ZM: Patrick Vieira - Bei der WM 1998 kam Vieira als 22-jähriger Youngster nur zu zwei Einsätzen. Zwei Jahre später war er zum Stammspieler aufgestiegen. Vieira bestritt fünf der sechs Spiele von Beginn an und wurde ins All-Star-Team gewählt.
ZM: Didier Deschamps - Der Kapitän der Mannschaft. Wurde von Eric Cantona als Wasserträger für seine Mitspieler bezeichnet, weil er sich größtenteils auf die Defensivarbeit fokussierte. In dieser Rolle war er aber ohne Frage unheimlich wichtig für den Doppeltriumph aus WM und EM. Im Verein gewann er zweimal die Champions League: 1993 mit Marseille und 1996 mit Juventus Turin. Nach der EM trat er aus der Nationalmannschaft zurück. Der perfekte Abschluss!
RA: Youri Djoerkaeff - Der damalige Lauterer war ein hoch veranlagter Spielmacher, der wegen Zidane jedoch oftmals auf den Flügel ausweichen musste. Dort wusste er trotzdem zu überzeugen. Seine beste Zeit erlebte er von 1996 bis 1999 bei Inter Mailand. Auf dem Betzenberg überwarf er sich nach einer starken ersten Saison mit Trainer Andy Brehme.
OM: Zinedine Zidane - Zizou war Anfang der 2000er-Jahre die Ikone des Weltfußballs. In Belgien und den Niederlanden er war vielleicht sogar auf dem Höhepunkt seines Schaffens. Zwei Tore und eine Vorlage steuerte Zidane zum Titelgewinn bei. Besonders im Halbfinale gegen Portugal zeigte er eine beeindruckende Leistung. Von der UEFA wurde er als bester Spieler des Turniers ausgezeichnet. "Zidanes wichtigste Beiträge in Endspielen kamen in 1998 und 2006. Sein bestes Turnier insgesamt war jedoch die Euro 2000", schreibt The Athletic.
LA: Christope Dugarry - Insgesamt kommt Dugarry auf 55 Länderspiele und 8 Tore. Bei der EM stand er dreimal in der Startelf, unter anderem im Viertelfinale und im Finale. Im Halbfinale musste er weichen, weil Lemerre auf eine Doppelspitze bestehend aus Thierry Henry und Nicolas Anelka umstellte.
ST: Thierry Henry - Bei der WM 1998 war Henry noch zwischen Startelf und Bank gependelt. Nach dem Achtelfinale war er nur noch Joker, im Finale spielte er gar nicht. Zwei Jahre später sah es anders aus: Henry war 1999 zum FC Arsenal gewechselt und schaffte dort den Durchbruch. Bei der anschließenden EM war er einer der Leistungsträger und trug maßgeblich dazu bei, dass Les Blues im Vergleich zur WM offensiv deutlich gefährlicher daherkam. Insgesamt traf er dreimal und bereite ein Tor vor. Für seine Leistungen wurde er ins All-Star-Team des Turniers gewählt.
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