DFL-Boss Seifert spricht sich für Beschränkungen im Profifußball aus - "Wollen nicht weitermachen wie bisher"
Von Simon Zimmermann
Mehr Demut im Profi-Fußball - Rufe, die in der aktuellen Krise umso lauter hallen. DFL-Chef Christian Seifert will ein 'weiter so' mit der Gründung einer Taskforce 'Zukunft Profifußball' entgegentreten. Und auch der Beschränkung von Gehältern und Berater-Honoraren steht Seifert offen gegenüber.
"Wenn es möglich ist, Managergehälter zu deckeln, dann muss es auch möglich sein, Gehälter von Beratern und Spielern zu deckeln", erklärte DFL-Chef Christian Seifert in einem Interview mit der FAZ auf die Frage, ob er eine Gehaltsbeschränkung trotz restlicher Hürden im Profifußball für möglich betrachte.
In der aktuellen Corona-Krise wurde die finanzielle Situation der Klubs schamlos offen gelegt: Nach eineinhalb Monaten Spielpause schlittern viele Vereine an den Rand der Existenzgrundlage. Das liegt vor allem an der sich in den letzten Jahren immer weiter drehenden Finanzspirale nach oben - mit teils schwindelerregenden Zahlen.
Seifert fordert Mut und Ausdauer für Veränderungen im Profifußball
Für die Kritiker des Systems des modernen Profifußballs ist das Wasser auf die Mühlen. Seifert selbst hatte auf der letzten DFL-PK rhetorisch gefragt, was der Profifußball in den letzten Jahren alles falsch gemacht habe. In der Krise offensichtlich geworden sind die Wirtschafts-Gebaren der Klubs, die in einer solchen Situation akut existenzbedrohend sind.
Dennoch sagte Seifert: "Es ist gar nicht leicht, eine Diskussion über mögliche Fehlentwicklungen in einem System zu führen, das in den vergangenen Jahren derart erfolgreich war wie der Profifußball." Und führte weiter aus:
"Ich meine damit gar nicht die steigenden Einnahmen durch Medienrechte, sondern zu 90 Prozent ausverkaufte Stadien, stabile Einschaltquoten in einer erodierenden Medienlandschaft und eine ungebrochene Sponsorennachfrage. Wenn ein System von so vielen Seiten positive Resonanz bekommt, dann braucht es vielleicht sogar eine echte Krise, um innezuhalten, um sich zu überprüfen. Doch wenn wir jetzt den Mut und die Ausdauer haben, Veränderungen im Profifußball zu denken und auch über eine lange Strecke vorzunehmen, dann kann aus dieser Krise auch etwas Positives entstehen."
Damit geht Seiferts Denkansatz zumindest in die von vielen Kritikern gewünschte Richtung. Finanzielle Rücklagen bei den Klubs suchte man vor Corona offensichtlich vergebens. Der Profi-Fußball schwebte in seinen finanziellen Sphären in einer Scheinwelt, deren Blase nun vorerst geplatzt ist.
Seifert warnt: "Dürfen nicht zu Ankündigungsweltmeistern werden"
Doch eines ist auch klar: Sollte man so weitermachen wie zuvor, wird sich der Profi-Fußball wahrscheinlich wieder erholen und die Spirale würde sich erneut unaufhaltsam nach oben drehen.
"Die am stärksten wahrnehmbare Kritik findet sich derzeit an der Schnittstelle Sport und Wirtschaft. Da geht es um Spielergehälter, schamlos zur Schau gestellten Reichtum, Ablösesummen sowie Berater, die Millionen kassieren für einen Musterarbeitsvertrag, den sie bei uns aus dem Internet herunterladen können. Und das einfach nur deshalb, weil sie den richtigen Dreiundzwanzigjährigen kennen. Das sind für uns alle die neuralgischen Punkte", befand Seifert.
"Wir brauchen dafür Lösungen, die im Alltag tragen. Wir dürfen jetzt nicht zu einem Ankündigungsweltmeister werden. Es sollten Lösungen sein, die nach einem objektiven Maßstab fragwürdige Entwicklungen identifizieren und dann zumindest begrenzen, vielleicht auch korrigieren. Und nicht Symbolpolitik. Symbolpolitik hilft niemandem."
""Wir dürfen jetzt nicht zu einem Ankündigungsweltmeister werden. Es sollten Lösungen sein, die nach einem objektiven Maßstab fragwürdige Entwicklungen identifizieren und dann zumindest begrenzen, vielleicht auch korrigieren. ""
- Christian Seifert
Forderungen nach Salary Cap: Die Politik ist gefordert
Eine Lösung ist das von vielen Seiten geforderte Salary-Cap-System. Ähnlich wie beispielsweise in den Profi-Ligen in Nordamerika würde das maximale Gehalt dadurch beschränkt werden. NFL oder NBA dienen da aber nur bedingt als Vorbild: Hier ist mit dem (stetig steigenden) Salary Cap lediglich geregelt, wie viel ein Klub insgesamt ausgeben darf. Die Folge: Wichtige Positionen erhalten die dicke Kohle (z.B. der Quarterback im Football), andere Mitspieler dagegen nur einen winzigen Bruchteil.
Will man das System Profifußball also grundlegend und zum besseren ändern, braucht es wohl eher eine Obergrenze des individuellen Spielergehalts - und ganz wichtig: Beschränkungen für die Honorare der Spielerberater.
Bislang steht dem aber noch geltendes EU-Recht entgegen, gibt Seifert zu bedenken. "Tatsache ist, dass ein Salary Cap gegen europäisches Recht verstößt. Sollten neue Signale seitens der Politik gesendet werden, gebe ich Ihnen Brief und Siegel, dass UEFA-Präsident Aleksander Ceferin zur EU fährt und dort sagt: Lasst uns über Salary Caps, über die Begrenzungen von Ablösesummen und Beraterhonoraren sprechen. Und ich bin der Erste, der ihn begleitet."
""Lasst uns über Salary Caps, über die Begrenzungen von Ablösesummen und Beraterhonoraren sprechen.""
- Christian Seifert
Seifert glaubt, dass die Möglichkeit bestünde, notwendige Gesetze europaweit zu verabschieden - gerade nach den sichtbar gewordenen Auswirkungen der Krise:
"Zunächst müsste die EU signalisieren, dass sie diese spezielle Branche, die der Fußball nun einmal ist, auch entsprechend regulieren will. Das wurde über Jahre als nicht durchsetzbar im europäischen Rechtsrahmen dargestellt. Aber diese Krise sollte auch dafür eine Chance sein. In einigen europäischen Ländern gibt es zum Beispiel schon die Begrenzung von Beraterhonoraren, in anderen nicht. Das muss jetzt im europäischen Kontext reglementiert werden, dafür muss aber der politische Wille da sein."
Spielerberater drohen Seifert
Gerade einer Gruppe aus dem Profi-Fußball-Universum würde aber mit Sicherheit nicht sonderlich glücklich über solche grundlegenden Änderungen reagieren. Seifert hat bereits tiefblickende Erfahrungen gemacht:
"Sicher ist, dass der Widerstand groß sein wird und auch Berater aus Deutschland sofort antreten würden, diesen Plan anzufechten. Ich bin als Mitglied des sogenannten FIFA Professional Football Stakeholders Committee schon angeschrieben und mit einer persönlichen Klage bedroht worden, falls ich in diesem Gremium für eine Begrenzung der Beraterhonorare stimmen würde. Unterzeichnet übrigens von sehr prominenten Spielerberatern.
Taskforce 'Zukunft Profifußball': Kein weitermachen wie bisher
Bei der DFL will man sich davon aber nicht beirren lassen, versichert Seifert. Eine Taskforce 'Zukunft Profifußball' soll die Rahmenbedingungen definieren "unter denen wir künftig spielen wollen.
Im DFL-Präsidium haben wir schon besprochen, dass wir, sobald wir wieder atmen können, diese 'Taskforce Zukunft Profifußball' schaffen sollten. Klar ist aber: Das können wir als DFL nicht vorgeben. Das muss in einen strukturierten Diskurs eingeführt werden. Am Ende dürfen aber keine Überschriften stehen, sondern konkret nachverfolgbare Maßnahmen."
""In jeder Präsidiumssitzung war zuletzt das Thema: Was lernen wir aus dieser Krise, worüber müssen wir nachdenken? Die Liste wird mit jeder Sitzung länger ... Wir wollen nicht einfach nur irgendwie durch die Krise kommen und dann weitermachen wie bisher.""
- Christian Seifert