EM-Start naht: Diese 5 Probleme muss Löw vor Turnierstart lösen
Von Dominik Hager
Nur noch gut zwei Wochen bleiben dem DFB-Team, um sich für die Europameisterschaft in Schwung zu bringen. Bislang ist weder die Erwartungshaltung noch die Euphorie sonderlich groß. Die Hammer-Gruppe mit Portugal und Frankreich hält zudem gleich zu Beginn echte Gradmesser bereit. Die Nationalmannschaft muss beim Turnierstart also sofort auf Hochtouren laufen.
Die letzten Tests gegen Dänemark (2. Juni) und Lettland (7. Juni) stehen bevor. Dabei wird es jedoch um mehr gehen, als nur noch ein wenig Feintuning zu betreiben. Hier sind fünf Punkte, die das DFB-Team vor dem Turnierstart in den Testspielen und Trainingseinheiten noch umsetzen muss.
Vorab gelöst wurde das Problem mit den Legionären aus England - zumindest teilweise. Das österreichischen Gesundheitsministerium hat die eigentlich verpflichtende Quarantäne bei Einreisenden von der Insel erlassen. Für Deutschland gibt es noch keine Lösung. Dort findet in Düsseldorf die EM-Generalprobe gegen Lettland statt.
1. Das Team muss die Fans rechtzeitig abholen
Generell ist es keine sonderliche Neuigkeit, dass die Deutschen eher mürrisch und pessimistisch auf ein Großereignis blicken und sich keiner sonderlich großen Euphorie hingeben.
Nach dem peinlichen WM-Auftritt 2018, der dürftigen Vorstellung in der Nations League und den blamablen Pleiten gegen Spanien und Nordmazedonien hat die Stimmung jedoch einen neuen Tiefpunkt erreicht. Wir sprechen dabei tatsächlich auch sportlich wieder über derartige Tiefpunkte, die vor knapp 18 Jahren zum legendären Wut-Interview von Rudi Völler geführt haben.
Die Stimmung ist den letzten Leistungen entsprechend schlichtweg schlecht. Das einzige Mittel, das jetzt also helfen kann, wäre die Stimmung mit guten Leistungen wieder besser zu machen. Das Team hat lediglich die Möglichkeit, die Fans vor dem Turnierstart hinter sich zu bringen, wenn es schon in den Testspielen Feuer versprüht und den Funken zu den Fans überträgt.
2. Hummels und Müller müssen integriert werden
Auf den letzten Drücker hat Joachim Löw Thomas Müller und Mats Hummels doch noch zurückgeholt. Jeder geht zudem davon aus, dass beide als Stammspieler eingeplant sind. Nach etwa zweieinhalb Jahren Pause müssen sich die zwei Platzhirsche aber sowohl sportlich als auch menschlich erst wieder einsortieren.
Kurz vor dem Turnier die Mannschaftshierarchie derart auf den Kopf zu stellen, ist keine leichte Angelegenheit. Demnach müssen sowohl Müller und Hummels als auch die verbliebenen Führungsspieler aufeinander eingehen und an einem Strang ziehen.
Doch auch was den spielerischen und taktischen Bereich betrifft, wird das ein oder andere Detail ein wenig eingerostet sein. In der Innenverteidigung muss sich Mats Hummels mit seinem Partner einspielen, während Müller sein Spiel aufgrund der Abwesenheit von Lewandowski umstellen muss.
3. Löw muss sich auf zwei Außenverteidiger festlegen
Die letzten Jahre waren geprägt von Experimenten auf der Außenverteidiger-Position. Einen wirklich etablierten Stammspieler gibt es derzeit noch nicht. Auf der rechten Seite stehen Joachim Löw Klostermann, Ginter und Süle zur Verfügung, während auf links Günter, Halstenberg und Gosens mit dabei sind. Zudem könnte auch Emre Can auf beiden Seiten eine Rolle spielen.
Wirklich einspielen und aufdrängen konnte sich jedoch keiner der Beteiligten. Dennoch wäre es wichtig, dass sich der Bundestrainer früh auf seine zwei Stammkräfte festlegt und ihnen das Vertrauen ausspricht. Die beiden Testspiele sind für diese Spieler sehr bedeutend, damit sie einfach nochmal an Routine im DFB-Dress und in dieser Rolle gewinnen.
Jeder weiß, dass die beide Außenverteidiger-Positionen wunde Punkte sind. Für einen erfolgreichen Turnierverlauf ist es jedoch unerlässlich, zwei verlässliche Spieler zur Verfügung zu haben.
4. Kroos, Gündogan, Kimmich und Goretzka: Was macht man aus so viel Qualität im Mittelfeld?
Joachim Löw stehen im zentralen Mittelfeld mit Toni Kroos, Ilkay Gündogan, Joshua Kimmich und Leon Goretzka gleich vier Weltklasse-Mittelfeldspieler zur Verfügung. Nach der Rückkehr von Thomas Müller könnten jedoch womöglich sogar nur zwei Plätze frei bleiben. Ein gewaltiges Problem für Joachim Löw, der nun die beste Mittelfeld-Kombination ausfindig machen muss.
Toni Kroos ist seit einigen Jahren sowohl in der Nationalelf als auch bei Real Madrid eine feste Größe. Der 31-Jährige hat von Löw den klaren Auftrag, das Zepter in die Hand zu nehmen.
Immer wichtiger wird jedoch auch der Einfluss von Joshua Kimmich, der viel mehr ein Leader-Typ ist als Kroos und zudem der wohl kompletteste Spieler im Team. Als perfekter Partner von Kimmich hat sich bei den Bayern Leon Goretzka herausgestellt, der aus dem Quartett der defensivstärkste und körperlich präsenteste Spieler ist.
Nicht zu vergessen ist Ilkay Gündogan, der von allen Beteiligten vielleicht die stärkste Saison gespielt hat und vor Selbstvertrauen strotzt.
Alle vier werden wir jedoch nicht in der Startelf sehen können. Leon Goretzka hat wegen seiner Verletzung vielleicht die schlechtesten Chancen zu Turnierbeginn. Für Löw gilt es dennoch eine Formation zu finden, in der zumindest drei der vier Spieler auflaufen können. Eine Möglichkeit wäre es, Kimmich in die Rechtsverteidigung zu stellen, eine andere Option würde lauten, einen Offensivspieler zu opfern.
Zudem darf Löw nicht vor schwierigen Entscheidungen zurückschrecken und kann auch mal Toni Kroos auf der Bank lassen, sollte sich dieser als leistungsschwächer erweisen.
5. Die Offensive muss ins Laufen kommen
An offensiver Qualität mangelt es mit Spielern wie Müller, Gnabry, Sané, Werner, Havertz und Volland gewiss nicht. Fraglich ist lediglich, wie Joachim Löw die ideale Taktik und Aufstellung findet. Wirklich koordiniert und abgestimmt wirkte die Angriffsreihe zuletzt nicht. Mit ein Grund, warum der Bundestrainer Müller zurückgeholt hat.
Einfacher macht es das jedoch erstmal nicht. Keiner der Genannten ist ein klarer Mittelstürmer, wenngleich alle Spieler, außer Sané, auf dieser Position schon agiert haben. Es ist davon auszugehen, dass die Kandidaten für die Sturmspitze Müller, Werner Gnabry und Havertz lauten, während Volland als Joker eingeplant ist.
Offen ist auch noch, ob das Team im 4-3-3, 4-2-3-1, 4-4-2 oder 3-5-2 agiert. Mit dem derzeitigen Personal scheint eigentlich eine Doppelspitze logisch zu sein, da Spieler wie Werner in einem solchen System schlichtweg besser funktionieren. Joachim Löw muss jetzt für sich herausfinden, welches System er bevorzugt und welcher Spieler in welche Rolle am besten passt.
Erst dann kann die Feinabstimmung vorangetrieben werden. Das offensive Zusammenspiel muss ins Rollen kommen, zumal andere Offensivreihen die gefährlicheren Alleinunterhalter haben. Das Potenzial der deutschen Angriffsreihe ist dennoch mehr als beachtlich. Allerdings benötigt es dafür eine ideale Abstimmung. Die Grundlagen hierfür müssen noch vor dem EM-Start gelegt werden.