So sollte die deutsche Startelf bei der EM aussehen
Von Simon Zimmermann
Die EM-Uhr tickt - knapp zweieinhalb Monate sind es noch, bevor die Europameisterschaft auf dem Kontinent verteilt stattfinden soll. Die UEFA stemmt sich dabei gegen die Corona-Pandemie und will das Turnier mit einem Jahr Verspätung mit aller Macht durchdrücken - koste es was es wolle.
Für Joachim Löw wird es das Ende einer 15-jährigen Ära als Bundestrainer sein. Im Bestfall will sich der 61-Jährige mit dem EM-Titel verabschieden. Ob das wirklich gelingen kann, bleibt äußerst fraglich. Die DFB-Elf ist zwar gespickt mit viel Talent und Potenzial, insbesondere im zentralen Mittelfeld. Die Fragezeichen sind allerdings groß.
Vor allem die Defensive bereitet Sorge. Wer verteidigt innen, wer außen und in welchem System? Holt Löw Mats Hummels und/oder Jerome Boateng für das Turnier zurück? Löw muss gute Antworten darauf finden, damit man sich zunächst in der eigenen Hammer-Gruppe mit Weltmeister Frankreich und Titelverteidiger Portugal durchsetzen kann.
Doch die eigene Defensive ist nicht das einzige dicke Fragezeichen für den Bundestrainer. Auch vorne im Sturmzentrum fehlt dem Team eine echte Nummer neun. Generell bleibt die Frage im Raum, mit welcher Ausrichtung die deutsche Mannschaft das Turnier angehen möchte. Vom schnelleren Umschaltspiel, das Löw nach dem WM-Debakel 2018 auf die Agenda setzte, war zuletzt jedenfalls wenig zu sehen.
Wie also würde - nach aktuellem Stand - die bestmögliche Startelf für die EM aussehen? Wir blicken auf zwei Varianten: Eine Startelf in einer Art 4-3-3-System und eine Startelf in einer Formation mit Dreierabwehrkette.
Das DFB-Team im 4-3-1-2
In der Innenverteidigung hoffen wir, dass Löw ein Einsehen hat und dem Team gibt, was es braucht: einen Abwehrchef! Mats Hummels ist zwar noch langsamer als zu seinen besten Tagen, dafür aber ein lautstarker Kommunikator, der zweikampfstark ist und über einen guten Spielaufbau verfügt. Daneben kann Löw einen dynamischeren Partner stellen - aktuell sticht Antonio Rüdiger beim FC Chelsea heraus. Bayerns Niklas Süle wäre wohl die erste Alternative - zumal sich Süle und Hummels aus gemeinsamen Bayern-Tagen noch gut kennen.
Komplizierter wird es dann schon auf den Außenverteidiger-Positionen. Weltklasse sucht man hier vergeblich, die Spezialisten heißen Halstenberg, Gosens, Max auf links und Klostermann auf rechts. Links bauen wir auf die risikofreudigere Variante mit dem offensivstarken Gosens. Auf der rechten Seite erhält Klostermann in diesem System den Vorzug. Auch wenn Löw wieder zu überlegen scheint, Kimmich in die Abwehr zu ziehen. Ridle Baku käme in diesem System für uns (noch) nicht infrage.
Eine Möglichkeit wäre auch die "2014er-Variante" mit Ginter als gelernten Innenverteidiger auf der rechten Seite. Beim WM-Titel in Rio spielte mit Höwedes ein Innenverteidiger links hinten durch. Bei dieser Variante könnte sich eine leichte Asymmetrie entwickeln, bei der Gosens als linker Außenverteidiger offensiver agieren kann und Ginter auf rechts deutlich defensiver spielt und hauptsächlich die Seite zu macht. Die Variante mit Klostermann sehen wir hier dennoch als die beste Lösung, weil der Leipziger über einen guten Speed verfügt und als ehemaliger Innenverteidiger ebenfalls robust im Zweikampf ist.
Überangebot im Herzstück: Aus Vier mach Drei!
Im Mittelfeld fallen die Entscheidungen nicht unbedingt leichter - dieses Mal aber wegen einem Überangebot an Weltklasse! Kroos, Kimmich, Gündogan, Goretzka - vier zentrale Mittelfeldspieler auf überragendem Niveau. Nur drei werden es am Ende wohl in die Startelf schaffen. So paradox es klingt, für uns erwischt es Toni Kroos. Trotz seiner starken Leistungen für Real Madrid, trotz seines Standing im Team und bei Löw, trotz seiner vergangenen Verdienste und großen Erfahrung. Warum? Das kongeniale Duo Kimmich-Goretzka sollte Löw nie und nimmer zerreißen. Und Ilkay Gündogan ist schlicht in der Form seines Lebens. In offensiverer Rolle darf man auch im DFB-Team endlich auf die ganz große Zündung hoffen!
Müller in ungeliebter Rolle? Die beste Variante für das DFB-Team!
Auch vorne ist Löws Aufgabe bei der Besetzung der Mannschaft nicht einfach. Aus oben beschriebenen Grund der fehlenden Neun. Unsere Lösung? Thomas Müller zurückholen und in leicht veränderten Rolle integrieren. Flankiert von seinem gewohnten Duo auf den Seiten: Gnabry und Sané.
Wieso Müller und wieso in der Rolle als "hängende Neun"? Zum einen fehlen im Sturmzentrum eben die Alternativen, zum anderen kann Müller auch diese Rolle ausfüllen - auch wenn es nicht seine beste Position ist. Mit ein paar Anpassungen kann man aber zumindest Müllers Qualitäten in diesem System ausspielen.
Gnabry und Sané sollten dann mehr über die Halbspur agieren denn ganz draußen auf dem Flügel und immer wieder situationsbedingt auch ins Sturmzentrum ziehen. So wäre das Zentrum auch dann besetzt (was extrem wichtig ist!), wenn sich Müller als Freigeist auslebt. Anders als beim FC Bayern hat er aber keinen Lewandowski vor sich - Müller müsste sich demnach etwas umstellen und anpassen. Mit Kai Havertz hätten wir dann noch einen Spielertypus in der Hinterhand, der diese Position ähnlich ausfüllen kann und schon ausgefüllt hat. Timo Werner bliebe in diesem Fall nur die Joker-Rolle. Aber einen pfeilschnellen Werner als weitere Option auf der Bank klingt auch nicht ganz verkehrt, oder Jogi?
Radio Müller als Antreiber
Die Rückkehr von Thomas Müller hätte nicht nur Auswirkungen auf unser Offensivspiel. Sie würde auch unserem Defensiv-Verhalten extrem gut tun. "Radio Müller" ist schon beim FC Bayern der große Pressing-Organisator und weißt die Kollegen immer wieder an. Mit Kimmich, Goretzka, Gnabry und Sané um sich rum, wäre dieses System eingespielt und könnte als gut geölte Maschine auftreten.
Schaut man abschließend auf die Elf, hätte Löw eine sehr stabile Achse mit Neuer im Tor, Hummels als Abwehrchef, Kimmich als Leader im Zentrum und Müller als Anführer!
Das DFB-Team im 3-4-1-2
Favorisiert Löw eine Dreierkette in der Abwehr, würde sich die Personalauswahl leicht verschieben. In der Offensive würden wir auf ein ähnliches Konzept mit denselben Spielern vertrauen, in der Defensive dagegen etwas umstellen.
Schon gezwungenermaßen, schließlich braucht es einen Innenverteidiger mehr. Diesen Part könnten Süle oder Ginter übernehmen, während Rüdiger nach links rückt (wo er auch bei Chelsea unter Tuchel spielt). Auf der rechten Seite würde unserer Meinung nach dann die Stunde von Ridle Baku schlagen. Der Wolfsburger wüsste eine Absicherung hinter sich und könnte so seine Offensivstärke besser ausleben.
Im Zentrum würde es noch haariger werden. Aus Vier mach Zwei, hieße es dann. Wie gesagt, am Bayern-Duo Kimmich-Goretzka würden wir nicht rütteln - somit bliebe auch Gündogan nur die Bank.