DFB-Team: Die Konkurrenzkämpfe im deutschen EM-Kader im Check
Von Simon Zimmermann
Der EM-Kader steht! Joachim Löw hat am Mittwochnachmittag sein 26-köpfiges Aufgebot nominiert. Mit Christian Günter vom SC Freiburg und Monaco-Torjäger Kevin Volland hatte der Bundestrainer zwei faustdicke Überraschungen parat.
Insgesamt dürften sich viele Fans darüber gefreut haben, dass Spieler wie Julian Draxler, Jonathan Tah, Julian Brandt oder Thilo Kehrer im Aufgebot fehlen. Löw war in den letzten Jahren bekannt, seinen Lieblingen die Treue zu halten - ungeachtet der Leistungen im Klub. Vor seinem letzten großen Turnier wich er von diesem Muster aber ab. Und sogar seinen verkündeten Umbruch stoppt er für die EM. Mit Mats Hummels und Thomas Müller kehren zwei der drei ausgemusterten Weltmeister zurück.
Wir blicken auf das deutsche Aufgebot und die Optionen, die Löw bei der Europameisterschaft haben wird. Wie sieht Löws Topelf aus, welche Backup- und Joker-Optionen hat er und wo ist der Konkurrenzkampf im DFB-Team am größten?
Das deutsche EM-Aufgebot im Überblick:
Zwar ist der Kader um drei Spieler bei der EM vergrößert, am Spieltag bleibt es aber bei einem 23er-Aufgebot.
1. Tor
- Manuel Neuer
- Kevin Trapp
- Bernd Leno
Die Ausgangslage im Tor ist glasklar: Manuel Neuer ist als Kapitän gesetzt. Dahinter wird es durch den Ausfall von Marc-André ter Stegen eng im Kampf um die Nummer zwei. Der ist allerdings ohnehin nur theoretisch, sollte Neuer im Verlauf des Turniers etwas passieren. Spannend wird schon eher, ob Löw sich an den Spieltagen auf der Bank für nur einen Keeper entscheidet. So wäre Platz für einen Feldspieler mehr.
90min-Prognose: Neuer als Nr. 1, dahinter bekommt Trapp den Vorzug vor Leno
2. Rechter Verteidiger
- Lukas Klostermann
- Matthias Ginter
- Emre Can
- Niklas Süle
Hinten rechts drückt der Schuh im DFB-Team am meisten. Einen waschechten Spezialisten sucht man im Kader vergeblich. Lukas Klostermann käme dem am nächsten. Gut möglich, dass Löw auf einen Innenverteidiger setzt, sollte das Team in einer Viererkette agieren.
90min-Prognose: Klostermann sollte zunächst die Nase vorn haben. Dahinter hat Löw nur noch die Option, einen gelernten Innenverteidiger zu wählen. Vor allem Ginter dürfte hier erste Wahl sein. Allzweckwaffe Can wäre ebenfalls eine Option.
3. Innenverteidiger
- Mats Hummels
- Antonio Rüdiger
- Matthias Ginter
- Niklas Süle
- Emre Can
- Robin Koch
Mit Mats Hummels im Kader dürfte sich das Ranking deutlich verschieben. Der Weltmeister von 2014 sollte gesetzt sein - sonst hätte eine Nominierung keinen Sinn ergeben. Daneben dürfte aktuell Rüdiger die besten Karten haben. Lässt Löw mit Dreierkette spielen, würden sich wohl Ginter und Süle um die freie Position streiten. Koch dürfte eher als Backup eingeplant sein.
90min-Prognose: Hummels ist gesetzt, daneben wird Rüdiger Löws erste Wahl. Bei einer Dreierkette scheint Ginter die verlässlichste Größe als dritter Innenverteidiger zu sein.
4. Linker Verteidiger
- Marcel Halstenberg
- Robin Gosens
- Christian Günter
Drei Linksverteidiger stehen Löw zur Verfügung. Während Halstenberg der defensiv stabilste ist, bilden Gosens und Günter ein dynamisches Duo, das vor allem vor einer Dreierkette eine gute Option wäre. Sollte Gosens auch im DFB-Team an seine Leistungen für Atalanta anknüpfen können, würde er wohl das beste "Gesamtpaket" bieten.
90min-Prognose: Bei einer Viererkette könnte Löw zunächst auf den erfahrenen Halstenberg setzen, auch wenn dieser Geschwindigkeits-Probleme hat und zuletzt in Leipzig nur unregelmäßig zum Einsatz kam. Mit etwas Mut entscheidet sich Löw für Gosens. Günter dürfte nur geringe Außenseiter-Chancen besitzen. Die Variante mit Emre Can kommt bei diesem Kader eher für rechts hinten infrage.
5. Zentrales Mittelfeld
- Toni Kroos
- Joshua Kimmich
- Florian Neuhaus
- Leon Goretzka
- Ilkay Gündogan
Die Qual der Wahl hat Löw im zentralen Mittelfeld. Kroos, Kimmich, Goretzka und Gündogan verkörpern Weltklasse, die Auftritte von Neuhaus im DFB-Dress waren vielversprechend. Der Gladbacher bleibt aber angesichts der Konkurrenz klarer Backup. Die Frage bleibt, wie Löw sein Mittelfeld anordnen will. Im 4-2-3-1 mit zwei Sechsern und einem Zehner oder im 4-3-3 mit drei zentralen Mittelfeldspielern?
90min-Prognose: Vieles spricht für drei zentrale Mittelfeldspieler. Aus dem Quartett Kroos, Kimmich, Goreztka, Gündogan müsste dann einer weichen - es sei denn, Löw zieht Kimmich wider Erwarten auf die rechte Seite. Nach aktueller Form müsste fast schon Kroos draußen bleiben, Goretzka und Gündogan könnten etwas vorgezogen vor Kimmich agieren. Dass Löw dies tatsächlich macht, bleibt aber unwahrscheinlich. Es könnte also auf Kimmich, Kroos und Goretzka hinauslaufen.
6. Offensives Mittelfeld
- Thomas Müller
- Kai Havertz
- Jamal Musiala
- Jonas Hofmann
Ob es einen wirklichen Zehner im System gibt, bleibt wie oben erklärt, fraglich. Die Kandidaten können aber allesamt auch auf anderen Positionen eingesetzt werden. Thomas Müller dürfte so oder so gesetzt sein und der Anführer der deutschen Offensive werden. Anders als beim FC Bayern fehlt "Radio Müller" aber ein Weltklasse-Neuner wie Lewandowski. Eine Möglichkeit wäre, Müller nominell in die Sturmspitze zu stellen, die er als Freigeist aber immer wieder verlassen könnte. Die Flügelstürmer müssten dann situativ nach innen ziehen.
90min-Prognose: Löw setzt auf drei zentrale Mittelfeldspieler (ein Sechser, zwei Achter). Die Position im zentralen offensiven Mittelfeld gibt es dann nicht.
7. Angriff
- Thomas Müller
- Timo Werner
- Kevin Volland
- Serge Gnabry
- Leroy Sané
- Kavi Havertz
Drei Positionen sind für den Angriff reserviert. Da es keinen waschechten Neuner gibt, muss Löw hier phantasievoll agieren. Müller, Havertz, Werner, Gnabry und Volland sind Optionen für die zentrale Position. Müller wird in jedem Fall zentral agieren (im Mittelfeld oder Sturm), alle anderen Kandidaten könnten auch über den Flügel kommen. Volland wird wohl vor allem als Joker gebraucht.
90min-Prognose: Müller ganz vorne drin, und dann z.b. Gnabry und Sané über den Flügel. Vor allem Gnabry könnte dann immer wieder auf die Neuner-Position rutschen, wenn Müller gerade "den Raum deutet". Auch Werner wäre eine gute Option, schließlich kam er bei Chelsea zuletzt immer häufiger im Zentrum zum Einsatz. Insgesamt scheint das Rennen noch relativ offen zu sein. Müller und Gnabry sollten ihren Platz aber relativ sicher haben.