Wer ist gesetzt, wer muss zittern? Der DFB-Kader zur WM 2022 im Check
Von Jan Kupitz
Eineinhalb Monate vor dem WM-Start sucht die deutsche Nationalmannschaft noch nach ihrer Top-Form. In den beiden Nations-League-Spielen gegen Ungarn (0:1) und England (3:3) konnte das DFB-Team nur bedingt überzeugen - viele Akteure verpassten in der letzten Länderspielpause vor der WM die Chance, nachhaltig auf sich aufmerksam zu machen.
Hansi Flick wird sich in den kommenden Wochen viele Gedanken machen, wer auf seinen WM-Zug aufspringen wird und wem er eine Absage erteilen muss. Insgesamt 26 Spieler wird das finale Aufgebot umfassen. 90min checkt die Chancen der DFB-Kicker:
Sicher dabei:
16 Spieler können sich ihrer WM-Teilnahme quasi sicher sein. Auf diese Akteure wird Flick in Katar garantiert nicht verzichten.
- Manuel Neuer: Als Nummer eins und Kapitän unangefochten gesetzt. Die WM in Katar dürfte seine letzte sein.
- Marc-Andre ter Stegen: Hat als Backup von Neuer seinen Platz sicher. Der Barça-Keeper zeigte gegen Ungarn und England, dass man ihn zu jeder Zeit ohne Bedenken bringen kann.
- Antonio Rüdiger: Der Real-Star ist unter Flick als Abwehrchef eingeplant - ihm kommt bei der WM eine wichtige Rolle zu.
- Niklas Süle: Ist Süle fit, führt an ihm selbstverständlich kein Weg dran vorbei.
- Nico Schlotterbeck: Seinen Kaderplatz hat der Shootingstar der letzten Monate sicher. Schlotterbeck kämpft mit Vereinskollege Süle um einen Platz in der Startelf neben Rüdiger. Der Youngster agiert häufig aber noch zu ungestüm, was eher für Süle spricht.
- David Raum: Nach seinem Wechsel zu RB Leipzig sucht Raum zwar noch nach seiner Top-Form, doch als bester deutscher Linksverteidiger ist seine WM-Nominierung reine Formalität.
- Joshua Kimmich: Der Boss im Mittelfeld nimmt ein ähnliches Standing wie Neuer ein. Kimmich wird immer spielen - unabhängig von System und Gegner.
- Leon Goretzka: Nach seiner Knie-OP im Sommer kommt Goretzka langsam in Form. Die letzten Nations-League-Spiele verpasste er corona-bedingt, doch im Normalfall dürfte er zusammen mit Kimmich das Mittelfeld-Tandem bilden.
- Ilkay Gündogan: Der City-Star streitet sich mit Goretzka um einen Platz neben Kimmich.
- Jamal Musiala: Deutschlands größter Hoffnungsträger in der Offensive. Mit seinen zarten 19 Jahren muss Musiala eigentlich in der Startelf stehen - zu stark sind seine Leistungen der letzten Monate.
- Thomas Müller: Der Raumdeuter kämpft etwas mit seiner Form und ist auf der Suche nach der Effektivität. Für Flick ist und bleibt Müller aber natürlich ein ganz wichtiger Spieler.
- Kai Havertz: Da kein echter Mittelstürmer in Sicht ist, wird Havertz bei der WM wohl ins Sturmzentrum rücken. Er strahlt von den deutschen Offensivspielern die meiste Torgefahr aus.
- Jonas Hofmann: Eine der größten Überraschungen der letzten Monate. Hofmann hat sich bei Gladbach zu einem Top-Spieler entwickelt! Er könnte auch bei der WM für Furore sorgen.
- Serge Gnabry: Der Bayern-Star ist das womöglich größte Sorgenkind im DFB-Kader. Seit Monaten ist er außer Form - sowohl im Verein als auch im Nationalteam. Trotzdem ist es nicht vorstellbar, dass Flick ihn außen vor lässt.
- Leroy Sané: Auch in seiner dritten Saison schwankt Sané zwischen Genie und Wahnsinn. Er kann in einer Partie ein Total-Ausfall sein - oder sie mit einer einzigen genialen Aktion entscheiden.
- Timo Werner: Seine Station beim FC Chelsea hat Spuren hinterlassen. Werner fehlt es auch nach seinem Wechsel zu RB Leipzig spürbar an Selbstvertrauen, Flick wird den Angreifer aber nicht fallen lassen.
Im Normalfall dabei:
- Kevin Trapp: Trapp spielt seit Monaten auf einem hohen Niveau. Er dürfte seinen Platz als Nummer drei der deutschen Keeper sicher haben.
- Lukas Klostermann: Nominell ist er Deutschlands bester Rechtsverteidiger. Zu Saisonbeginn verletzte sich der Leipziger schwer am Sprunggelenk - bis zur WM sollte er aber wieder gesund sein. Dann ist er auch ein Bestandteil des DFB-Kaders.
- Marco Reus: Vor seiner Verletzung war Reus beim BVB in Top-Form. Sollte er erwartungsgemäß rechtzeitig zur WM fit werden, ist der Routinier in Katar ziemlich sicher dabei.
Mit guten Chancen:
- Robin Gosens: Kommt bei Inter in dieser Saison häufiger zum Zuge. Dürfte als zweiter Linksverteidiger hinter Raum dabei sein - doch aufgepasst: Christian Günter sitzt Gosens im Nacken!
- Matthias Ginter: Beim SC Freiburg hat Ginter wieder zu alter Stärke gefunden. Als zuverlässiger Verteidiger, der innen und rechts auflaufen kann und als Teamplayer gilt, wäre es schon eine Überraschung, sollte Flick auf ihn verzichten.
- Thilo Kehrer: Nach seinem Wechsel zu West Ham sammelt Kehrer endlich wieder regelmäßige Spielpraxis. Da Flick zudem ein Fan des Ex-Schalkers zu sein scheint, spricht vieles für eine Nominierung des flexibel einsetzbaren Defensivspielers.
- Lukas Nmecha: Der Wolfsburger verkörpert als einziger Deutscher den klassischen Mittelstürmer. Damit kann er zumindest als Joker eine wertvolle Option darstellen.
Mit Außenseiter-Chancen:
- Julian Brandt: Beim BVB zuletzt mit einer Aufwärtstendenz und einigen Scorerpunkten. Flick hat den Blondschopf weiter auf dem Zettel.
- Julian Weigl: Nach seinem Wechsel zur Gladbacher Borussia zuletzt mit einer klaren Aufwärtstendenz und guten Leistungen. Da defensive Mittelfeldspieler in Deutschland nicht in Hülle und Fülle zu finden sind, könnte er hinter dem Trio Kimmich, Goretzka und Gündogan ein passender Backup sein.
- Mats Hummels: Nach einer enttäuschenden Saison hat Hummels nun wieder zurück zu alter Stärke gefunden. Es wäre zumindest keine Überraschung, sollte Flick den Verteidiger mit zur WM nehmen - notfalls auch als Reservist.
- Armel Bella-Kotchap: Sein Wechsel vom VfL Bochum zum FC Southampton erwies sich als richtiger Schritt. In der Premier League legte Bella-Kotchap einen furiosen Saisonstart hin und sicherte sich somit sein Länderspiel-Debüt. Macht er in den kommenden Wochen so weiter, ist eine WM-Teilnahme drin!
- Robert Andrich: Der Leverkusener ist ein unangenehmer Gegenspieler und könnte sich als gute Ergänzung zu Kimmich, Goretzka und Gündogan erweisen. Vielleicht findet Flick ja einen Platz für ihn.
- Christoph Kramer: Unter Daniel Farke blüht Kramer wieder auf - sogar im Abwehrzentrum oder als hängende Spitze. Lothar Matthäus brachte den Gladbacher bereits für die WM ins Spiel. Verkehrt wäre die Nominierung sicherlich nicht.
- Benjamin Henrichs: Der Rechtsverteidiger wurde zuletzt regelmäßig zum DFB-Team eingeladen, kam dort allerdings kaum zum Einsatz. Auf jeden Fall ein Wackelkandidat.
- Florian Wirtz: In fittem Zustand wäre Wirtz' WM-Teilnahme ein No-Brainer. Doch nach seinem Kreuzbandriss stehen die Chancen schlecht, dass es für ihn für eine Nominierung reicht. Die Zeit läuft gegen ihn.
- Karim Adeyemi: Noch hat Adeyemi beim BVB nicht gezündet - auch weil er zum Start Verletzungspech zu beklagen hatte. Die WM scheint für den Youngster zu früh zu kommen.
- Mario Götze: Nach seinem Wechsel zur Eintracht ist Götze wieder richtig gut drauf und beweist, was für ein feiner Fußballer er ist. Doch ausgerechnet auf seiner Position hat Flick mit Müller, Musiala, Reus und Havertz schon viele Stars zur Verfügung - da bleibt wenig Platz für Götze.
- Christian Günter: Mit dem SC Freiburg legt Günter schon wieder eine Fabelsaison hin. Der SCF-Kapitän hätte sich eine Nominierung ohne Zweifel verdient, in der Gunst scheinen aber Raum und Gosens vorne zu liegen.
- Anton Stach: Der Mainzer hat in der aktuellen Spielzeit mit Formproblemen zu kämpfen. Da die Konkurrenz auf seiner Position immens ist, dürfte es wohl nicht für die WM reichen. Nur in exzellenter Verfassung hätte Stach eine Chance.
Ohne große Hoffnung:
- Oliver Baumann: Das Torwart-Trio um Neuer, ter Stegen und Trapp scheint gesetzt. Sollte sich niemand verletzen, dürfte Baumann leer ausgehen.
- Bernd Leno: siehe Baumann
- Ridle Baku: Nach einer großartigen Saison 20/21 hat die Entwicklung des Rechtsverteidigers nachgelassen. In dieser Form ist er kein ernsthafter Kandidat für die WM.
- Jonathan Tah: In der Innenverteidigung stehen mehrere Akteure vor Tah - der Leverkusener muss sich seine WM-Hoffnung wohl abschminken. Nicht zuletzt auch, weil der Saisonstart bei Bayer 04 komplett in die Hose ging und die Werkself viel zu viele Gegentore kassierte.
- Marcel Halstenberg: Nach langwierigen Verletzungsproblemen ist der Leipziger wieder fit, doch die Konkurrenz auf seiner Position ist zu stark.
- Maxi Arnold: Für die jüngsten Nations-League-Spiele wurde Arnold zwar nachnominiert, zum Einsatz kam er allerdings nicht.
- Florian Neuhaus: Nach seiner Kreuzband-Verletzung ist es fraglich, ob er überhaupt rechtzeitig zur WM gesund wird. Selbst wenn dem so sein sollte, muss er noch Form und Fitness aufholen - das macht eine WM-Teilnahme sehr unrealistisch.
- Emre Can: Beim BVB ist Can nur noch Reservist. So reicht es niemals für eine WM-Teilnahme.
- Julian Draxler: Während er unter Jogi Löw noch regelmäßig eingeladen wurde, sind Draxlers Chancen unter Flick deutlich gesunken.
- Kevin Volland: In der laufenden Ligue-1-Saison kam Volland (auch verletzungsbedingt) erst einmal per Einwechslung zum Einsatz. Seine Zeit im DFB-Team ist wohl endgültig vorbei.
- Niclas Füllkrug: Trotz eines starken Saisonstarts mit Werder Bremen ist es unwahrscheinlich, dass Füllkrug mit zur WM fährt. Komplett ausschließen sollte man es aber nicht.