DFB-Kader im Check: Die EM-Chancen im Sturm
Von Simon Zimmermann
Die Zeit rennt! Die aktuelle Länderspielpause im November ist bereits die zweitletzte vor der EM 2024 - viele Möglichkeiten, sich unter den Augen von Julian Nagelsmann für das Heimturnier zu empfehlen, gibt es also nicht mehr.
Wie ist der aktuellen Stand auf den einzelnen Positionen?90min checkt den DFB-Kader und schätzt ein, welche Spieler ihr EM-Ticket (losgelöst von Verletzungen) sicher haben, wer auf eine Teilnahme am Turnier hoffen darf und ob es mögliche Überraschungen gibt.
Nach dem Torhüter-, Abwehr- und Mittelfeld-Check werfen wir in Teil IV einen Blick auf den Sturm.
Mit Blick auf das stark besetzte offensive Mittelfeld, mit Spielern wie Kai Havertz und Serge Gnabry, die ebenfalls für die Stürmerrolle infrage kommen, dürfte es nicht viele EM-Plätze für die Angreifer geben. Allerhöchstens vier, eher drei Stürmer wird Bundestrainer Julian Nagelsmann wohl am Ende nominieren.
Wer ist sicher dabei?
Niclas Füllkrug
Der BVB-Stürmer ist sicher kein Torjäger der Marke Harry Kane oder Erling Haaland. Als Nummer eins auf der Neun hat sich Füllkrug im DFB-Team dennoch etabliert. Mit neun Toren in elf Länderspielen weist der 30-Jährige eine starke Quote auf. Füllkrug hat sein EM-Ticket sicher und gute Chancen, als Stammspieler ins Turnier zu gehen.
Wer hat gute Chancen?
Thomas Müller
Gute Chancen auf ein EM-Ticket hat auch Thomas Müller. Und zwar ungeachtet seiner Spielzeit beim FC Bayern, wo er meist nur noch Edeljoker ist. Eine Rolle, die der 34-Jährigen auch bei der EM bekommen könnte. Mit 125 Länderspielen verfügt Müller über ganz viel Erfahrung und kann auch für ein gutes Klima innerhalb der Mannschaft sorgen. Nagelsmann scheint auf den Raumdeuter setzen zu wollen.
Wer darf sich Hoffnungen machen?
Marvin Ducksch
Mit 29 Jahren hat sich der Werder-Angreifer seinen Kindheitstraum von der Nationalmannschaft erfüllen können. Zu den Testspielen gegen die Türkei und Österreich wurde Ducksch erstmals eingeladen. Weil er 2023 für Werder regelmäßig trifft (und Tore vorbereitet). Und weil er etwas "Verrücktheit" (O-Ton Nagelsmann) mitbringt, die dem DFB-Team guttun kann. Zudem versteht er sich mit Niclas Füllkrug blind. Als Option von der Bank könnte Ducksch daher sehr gute EM-Karten haben. Vorausgesetzt er hält in Bremen seine Form und macht im Nationalteam einen guten Eindruck.
Wer muss zittern?
Timo Werner
Bei RB Leipzig ist Timo Werner fast komplett außen vor. Möglich sogar, dass er RBL im Winter erneut verlässt. Ohne Spielpraxis und Selbstvertrauen hat der 57-fache Nationalspieler (24 Tore) schlechte Aussichten auf einen Kaderplatz. Zuletzt trug Werner Ende März das DFB-Trikot.
Klar ist, Werner muss sich deutlich steigern und wieder regelmäßig spielen, will er bei der Heim-EM dabei sein. Was zusätzlich gegen ihn spricht: Er ist keine echte Nummer neun. Und auf den Offensivpositionen hinter dem Mittelstürmer hat Nagelsmann eine breite Auswahl.
Youssoufa Moukoko
Was für Werner gilt, gilt auch für Moukoko. Der BVB-Youngster spielt im Verein kaum, ist keine echte Nummer neun und scheint deshalb aktuell kaum Chancen auf einen Kaderplatz zu haben. Ähnlich wie bei Werner könnte wohl nur ein Vereinswechsel im Winter die Chancen erhöhen. Spielt und trifft Moukoko regelmäßig in der Rückrunde, würden seine Chancen deutlich steigen.
Könnte es Überraschungen geben?
Bei den möglichen Überraschungskandidaten - die dann als Stürmer Nummer drei oder vier einen Kaderplatz erhalten würden - handelt es sich ausschließlich um Spieler, die noch nie für die A-Nationalmannschaft aufgelaufen sind.
Maximilian Beier
Der pfeilschnelle TSG-Angreifer ist derzeit das heißeste "Überraschungs-Eisen". Beier kehrte im Sommer nach zweijähriger Leihe zu Hannover 96 nach Hoffenheim zurück und hat sich dort auf Anhieb einen Stammplatz erkämpft. Mit sechs Toren und vier Vorlagen nach elf Spieltagen hat der 21-Jährige bereits großes Interesse geweckt. Dem Vernehmen nach sogar bei Klubs des Kalibers FC Liverpool. Es würde nicht überraschen, sollte Beier 2024 vor der EM eine Bewährungschance erhalten - vorausgesetzt er knüpft bis dahin an seine starken Leistungen an.
Deniz Undav
Über Havelse, Braunschweig II, Meppen und Union SG in Belgien schaffte es der Deutsch-Türke in die Premier League zu Brighton. Von dort aus wurde er im Sommer zum VfB Stuttgart verliehen. Bei den Schwaben steht der 27-Jährige natürlich im Schatten von Serhou Guirassy. Dennoch hat Undav seine Torjägerqualitäten bereits angedeutet. Fünf Tore und zwei Vorlagen hat er in acht Bundesliga-Einsätzen auf dem Konto. Dabei brauchte Undav nur 390 Einsatzminuten. Vor allem Anfang 2024 könnte er weiter auf sich aufmerksam machen. Dann weilt Guirassy wahrscheinlich beim Afrika-Cup.
Tim Kleindienst
Schon etwas weiter hergeholt wäre eine EM-Teilnahme von Tim Kleindienst. Mit 28 Jahren spielt der Mittelstürmer wieder in der Bundesliga, nachdem er als Youngster für den SC Freiburg schon im Oberhaus auflief. Für den 1. FC Heidenheim hat Kleindienst bereits zu Zweitliga-Zeiten verlässlich geknipst. Auch eine Etage höher knüpft er daran an. Fünf Tore und zwei Vorlagen nach elf Spielen können sich durchaus sehen lassen. Mit 1,94 Meter verkörpert Kleindienst den klassischen Mittelstürmer. Ob seine Klasse für das DFB-Team reicht, darf aber bezweifelt werden.
Robert Glatzel
Noch wilder wird es bei Robert Glatzel. Schließlich spielt der 29-Jährige beim HSV in der 2. Liga. Dort ist er aber der wohl beste Mittelstürmer. Mit zehn Toren und vier Vorlagen hat der 1,93 Meter große Torjäger seine Qualitäten auch in dieser Saison wieder bewiesen. Glatzel ist nicht nur klassischer Wandstürmer, sondern auch technisch mehr als ordentlich. Von einigen wurde er deshalb schon für die Nationalmannschaft vorgeschlagen. Es dürfte beim Vorschlag bleiben...
Wer hat schlechte Karten?
Kevin Volland
Für Volland läuft es bei Union Berlin so überhaupt nicht. Für den Routinier selbst und für die gesamte Mannschaft. Bei den Eisernen kommt der 31-Jährige nur unregelmäßig zum Zug. Einen echten Mehrwert im Sturm würde der 15-fache Nationalspieler wohl nicht wirklich bringen. Entsprechend tendieren seine EM-Chancen gegen Null.
Kevin Behrens
Beim Debüt von Nagelsmann auf der USA-Reise war Kevin Behrens erstmals mit dabei. Mit vier Toren startete der Union-Mittelstürmer stark in die Saison. Mangels hochwertiger Alternativen konnte man daher nachvollziehen, warum der Bundestrainer dem 32-Jährigen eine Chance gegeben hat. Ob Behrens diese wirklich nutzen konnte, ist stark zu bezweifeln. Bei den Eisernen konnte er nach den ersten beiden Bundesliga-Spieltagen keinen Treffer mehr erzielen. Bei Behrens dürfte die DFB-Nominierung ein einmaliges Intermezzo geblieben sein.
Karim Adeyemi
Nach seiner bärenstarken Rückrunde 22/23 ist Karim Adeyemi wieder in alte Muster verfallen. Beim BVB ist er nur noch Joker. Zudem verweigerte er offenbar in der letzten Länderspielpause des Jahres die Reise zur U21-Nationalmannschaft. Da Adeyemi eher ein Flügelstürmer ist und Nagelsmann dort stärkere Optionen hat, dürfte es für ihn mit der Heim-EM eher nichts werden. Helfen könnte da nur eine ähnlich starke Rückrunde wie letzte Saison...
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