Deutschland - USA: Duell der Giganten im Umbruch mit vielen Parallelen
Von Helene Altgelt
Selten liegen Hoffnungslosigkeit und Euphorie so nah beieinander wie im Fußball. Wenige Tage vor Beginn der Olympischen Spiele hielt sich die Vorfreude auf das Turnier bei den DFB-Frauen, so schien es, noch in Grenzen. Eine Generalprobe gegen Island hatte man verpatzt, Lena Oberdorf fiel mit einem Kreuzbandriss aus, und dann war da ja noch diese Hammergruppe mit Australien, den USA und Sambia.
Sambia, gegen die man vor der WM noch verloren hatte, Australien, der Ort des WM-Traumas, und die Supermacht USA, lange das einzige Team, das Deutschland fürchten musste. So viele Gespenster der Vergangenheit!
Da wurde selbst Alexandra Popp, die sonst nicht unter Verdacht des Understatements steht, ein bisschen bange. „Kriegen wir die Konstanz auf den Platz - mit allem, was wir haben - dann haben wir gute Chancen, oben ein Wörtchen mitzureden. Wenn wir das nicht hinbekommen, dann wird's auf dem Niveau brutal schwer“, sagte die Kapitänin.
Starker Auftakt gegen Australien
Aber dann: Drei Tore gegen Australien, immerhin WM-Vierter, eine rundum souveräne Vorstellung. Böse Zungen könnten nun an den trügerischen Auftakt der WM 2023 denken, als Marokko mit 6:0 aus dem Stadion gefegt wurde, und wo, wie jetzt gegen Australien, die junge Stürmerinnen-Garde um Klara Bühl und Jule Brand glänzte.
Die DFB-Frauen haben ihre Lektion gelernt, gehen nicht mit dem Anspruch an eine Medaille in dieses Turnier. Und der Auftakt ist sicher höher zu bewerten als der WM-Auftakt, denn Australien ist immerhin drei Nummern stärker als Marokko. Aber gleichzeitig sind die Matildas ebenso wie Deutschland wie ihre Inkonstanz bekannt.
War das nun ein Ausrufezeichen? Die DFB-Frauen waren selbst unschlüssig, wie dieser Sieg jetzt einzuordnen sei. Ein „gutes Zeichen“ sei das, sagte Alexandra Popp, auch Horst Hrubesch sah einen „hochverdienten“ Sieg.
USA: Lange ein gefürchteter Gegner
Aber mit Kampfansagen hielten sich alle zurück – denn nun kommt schließlich der große Gegner mit den drei Großbuchstaben. U-S-A, das steht im Frauenfußball nicht nur für United States of America, sondern auch für Unbezwingbarkeit, Siegeswillen, Aggressivität: U-S-A.
Sportlich ist das Spiel vermutlich nicht entscheidend, denn da die zwei besten Teams und einige Gruppendritte weiterkommen, haben die DFB-Frauen bereits eine gute Basis für das Erreichen der K.O.-Phase geschaffen. Aber die Partie ist trotzdem wichtig. Für das fragile Selbstbewusstsein, das der Sieg gegen Australien geschaffen hat; für eventuelle Umstellungen; für einen Realitätscheck.
Die Chancen auf einen Realitätscheck stehen zumindest historisch gesehen gut, schließlich haben die USA von 37 Begegnungen 24 gewonnen. Die DFB-Frauen konnten die USA dagegen nur sechsmal bezwingen. Lange galt eine schlichte Aufteilung der Welt: Deutschland war die Nummer 1 in Europa, musste aber auf internationaler Bühne den USA den Vortritt lassen. Diese Zeiten sind vorbei, beide nicht mehr Topfavoriten, auf beiden Seiten schwingt viel Nostalgie auf die guten alten Zeiten mit.
Hoffnung für die Zukunft: Talentierte US-Offensive
Aber auch Hoffnung auf eine strahlende Zukunft. Auf deutscher Seite überzeugten Jule Brand und ihre jungen Sturmkolleginnen. Bei den USA verkörpert das Sturmtrio Sophia Smith, Trinity Rodman und Mallory Swanson diese Hoffnung. Swanson schnürte prompt im ersten Spiel gegen Sambia einen Doppelpack, Smith gilt schon mit 23 Jahren als eine der besten Stürmerinnen, Rodman ist die am zweitbesten bezahlte Spielerin in der amerikanischen Liga.
Alle drei sind jung, unglaublich talentiert, haben auch mal unkonventionelle Ideen und ein Schlitzohr. Bei dieser Fülle an Talent musste selbst eine prägende Figur der 2010er-Jahre, Alex Morgan, zuhause bleiben. Emma Hayes zeigte mit dieser mutigen Entscheidung, dass sie bereit ist, für den nötigen Kaderumbruch auch unpopuläre Entscheidungen zu treffen. Hayes hat erst zu Ende dieser Saison die USA übernommen, sie kam vom FC Chelsea - die wahren Härtetests stehen für sie noch aus.
Viele Parallelen zwischen Deutschland und den USA
Nach der disaströsen WM 2023, bei der die USA um ein Haar schon in der Vorrunde ausschieden und dann im Achtelfinale an Schweden scheiterten, entschied sich der Verband für einen Neuanfang. Hayes soll diesen jetzt leiten und hat die anspruchsvolle Aufgabe, die Youngster zu integrieren und gleichzeitig die Stärken von Veteranen wie Crystal Dunn, Rose Lavelle und Lindsey Horan bestmöglich zu nutzen.
So wie Deutschland fragen sich aber auch die USA derzeit noch, wie gut sie wirklich sind. Was sind Siege gegen Südkorea und Sambia wert, sind die Probleme tatsächlich gelöst? Verpatzte WM 2023, Umbruch, glänzende Vergangenheit, Veränderungen auf dem Trainerposten - die Liste an Parallelen zwischen Deutschland und den USA ist also lang.
Mögliche Aufstellungen für das Spiel
Sorgen macht den Amerikanerinnen, dass Sophia Smith verletzt ausgewechselt werden musste. Ansonsten werden die USA wohl recht ähnlich auflaufen wie im ersten Spiel. Das könnte etwa so aussehen:
Voraussichtliche Aufstellung der USA: Alyssa Naeher - Tierna Davidson, Emily Fox, Naomi Girma - Sam Coffey, Crystal Dunn, Lindsey Horan, Rose Lavelle - Trinity Rodman, Lynn Williams, Mallory Swanson
Horst Hrubesch hat nach dem souveränen 3:0-Sieg gegen Australien ebenfalls wenig Grund, etwas an seiner Aufstellung zu ändern. Gegen Australien gingen die DFB-Frauen die Aufgabe allerdings sehr offensiv an. Das funktionierte gut, aber mit dem gleichen Konzept könnten sie gegen die konterstarken USA ins offene Messer rennen. Daher ist eine etwas defensivere Aufstellung möglich.
Voraussichtliche Aufstellung von Deutschland: Ann-Katrin Berger - Giulia Gwinn, Marina Hegering, Kathrin Hendrich, Sarai Linder - Elisa Senß, Janina Minge, Sjoeke Nüsken - Klara Bühl, Alexandra Popp, Jule Brand
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