Deutschland trifft in der Nations League auf Italien: Die Schlüsselduelle im Klassiker
Von Martin Bytomski
Den besten Ruf hat die Nations League nicht. Jürgen Klopp kritisiert die weitere Aufblähung des Spielkalenders und viele Fans fremdeln mit der künstlich erzeugten Spannung. Und dennoch: Die Auftaktpartie Deutschland gegen Italien dürfte viele Fans der deutschen Nationalmannschaft in den Bann ziehen. Zumal es im WM-Jahr der erste Härtetest für die DFB-Elf sein wird. Wir haben deshalb die wichtigsten Duelle rund um den Klassiker bewertet.
Manuel Neuer vs. Gianluigi Donnarumma
Es ist das Torhüter-Duell zweier Generationen: Manuel Neuer trifft auf den 13 Jahre jüngeren Gianluigi Donnarumma. Bei der deutschen Auswahl ist Kapitän Neuer auch unter DFB-Coach Hansi Flick die unumstrittene Nummer eins, auch wenn Frankfurts Kevin Trapp eine starke Saison mit Glanztaten in der Europa League hinter sich hat. Doch aktuell gibt es an Neuer kein Vorbeikommen.
Das gilt in Italien auch für Gianluigi Donnarumma. Mit 23 Jahren ist der als bester Torhüter der EM 2021 ausgezeichnete Schlussmann die klare Nummer eins bei der Squadra Azzurra. Auch wenn der 1,96 Meter-Mann für seinen Klub Paris St. Germain in der Champions League gegen Real Madrid entscheidend patzte, an "Gigio" ist in der Nationalelf kein Vorbeikommen. Dennoch: Das vereinsinterne Jobsharing zwischen den Pfosten mit Keylor Navas ist keine glückliche Situation und sorgt nicht gerade für Selbstvertrauen. Neuer hingegen ist die klare Nummer eins - bei den Bayern und in der Nationalmannschaft. Das strahlt er auch aus. Deshalb: Vorteil Deutschland
Niklas Süle vs. Leonardo Bonucci
Für viel Aufsehen sorgte die Wechselankündigung von Niklas Süle vom FC Bayern München zu Borussia Dortmund. Vor dem vieldiskutierten Verzicht von Süle mit Blick auf das finale Saisonspiel der Bayern beim VfL Wolfsburg kam der kantige Innenverteidiger durchaus noch zu einiger Spielzeit und löste seine Aufgaben stets souverän. Auch mit Blick auf die Weltmeisterschaft im Winter in Katar dürfte Süle mit Rüdiger die besten Karten für einen Stammplatz haben - auch wenn Nico Schlotterbeck in herausragender Form befindet.
Leonardo Bonucci ist nach dem Abgang vom jahrelangen Abwehrkollegen Giorgio Chiellini der Alterspräsident der traditionell reifen italienischen Abwehr. Der Kapitän stand auch zuletzt bei der deutlichen 0:3-Niederlage gegen Argentinien im 'Fialissima' 90 Minuten auf dem Platz. Doch die Kritik nach der klaren Pleite war heftig und ein Umbruch steht an. Noch ist Bonucci aber da und versucht die Defensive mit seiner Erfahrung von 116 Länderspielen zu stabilisieren. Da das aktuell eher schlecht als recht gelingt, erneut: Vorteil Deutschland
Joshua Kimmich vs. Sandro Tonali
Joshua Kimmich hat sich nach seiner Corona-Erkrankung wieder zum unverzichtbaren Teil des Bayern-Mittelfelds gemausert und dürfte auch zum Nations-League-Auftakt gegen Italien in der Startaufstellung stehen. Zwar ist Kimmich noch nicht auf dem einstigen Weltklasseniveau, doch um bis zur WM genau dahin zu kommen, wird Flick nicht auf den 27-Jährigen verzichten.
Mit Sandro Tonali kickt für Italien ein Kimmich-ähnlicher Spieler im zentralen Mittelfeld. Vor einem Jahr wechselte der 22-Jährige von Brescia Calcio zur AC Mailand und avancierte auf Anhieb zum Stammspieler. Tonali verfügt wie Kimmich über herausragende strategische Fähigkeiten und ist der Kopf im zentralen Mittelfeld - sowohl im Verein als auch in der Nationalelf. Im DAZN-Gespräch führte Milan-Coach Stefano Pioli gleich drei italienische Legenden ins Feld, um Tonali zu beschreiben: "Am ersten Tag fragte ich Sandro nach seiner idealen Position. Er sagte: 'Die Leute vergleichen mich mit Andrea Pirlo, aber ich betrachte mich eher als Gennaro Gattuso.' Ich denke, wenn wir Daniele De Rossi zu dieser Mischung hinzufügen, vervollständigt ihn diese Beschreibung."
Da Tonali Kopf der Mailänder-Meistermannschaft war und mit entsprechend breiter Brust in die Partie gegen Deutschland gehen dürfte: leichter Vorteil Italien
Thomas Mülller vs. Lorenzo Pellegrini
32 Jahre und hungrig wie eh und je: Thomas Müller ist nicht aus der Nationalmannschaft wegzudenken. Der Basis dafür legt der Mentalitätsspieler bei den Bayern: Herausragende 38 Scorerpunkte in 45 Pflichtspielen für den FCB sprechen für sich. Müller ist auch für die deutsche Auswahl wegen seiner mitreißenden Art unverzichtbar. Und mit seiner unkonventionellen Spielweise schafft er Lücken, die nur er schafft. Dem kicker verriet er, dass seine Motivation für das Duell mit Italien riesig ist: "Ich persönlich bin heiß auf die Spiele. Es liegt sicher auch daran, dass die Saison für uns schon ein paar Wochen beendet ist und dass in diesem Jahr kein Nationalspieler aus dem aktuellen Kader am Champions-League-Finale beteiligt war."
Einen formstarken offensiven Mittelfeldspieler hat allerdings auch Italien vorzuweisen: Denn mit fünf Toren und zwei Vorlagen gehörte Lorenzo Pellegrini zu den herausragenden Akteuren beim UEFA-Conference-League-Sieger AS Rom und wurde zum Spieler des Turniers ernannt. Der Roma-Kapitän ist mit seinen 1,86 Metern auch eher ein Typ Müller als flinker Tempodribbler. Das Duell zweier formstarker Kreativköpfe im offensiven Mittelfeld findet keinen Sieger: unentschieden
Timo Werner vs. Andrea Belotti
Der Sommer könnte für Timo Werner entscheidend mit Blick auf seine WM-Chancen werden: Sollte er weiter beim FC Chelsea vorrangig eine Nebenrolle spielen, dürfte seine Aktie weiter sinken. Gerade einmal 15 Startelfeinsätze in der Premier League, dabei magere vier Treffer, sind nicht die Ausbeute eines Neuners mit Killerinstinkt. Immerhin: Vier Treffer in fünf Champions-League-Partien sind äußerst ordentlich. Und: Mit seiner Geschwindigkeit kann Werner stets Lücken im gegnerischen Abwehrverbund reißen. Deshalb spielt er für Flick in der Nationalmannschaft noch immer eine tragende Rolle.
Aber auch Werners Gegenüber, Andrea Belotti, spielte in der vergangenen Saison für den FC Turin nicht gerade die Sterne vom Himmel: Acht Treffer in 22 Seria-A-Partien sind für einen klassischen Mittelstürmer wie Belotti mager - auch wenn zur Wahrheit gehört, dass der 28-Jährige in Turin nicht gerade von Weltklassespielern flankiert wird. Aber auch bei Italiens 0:3-Niederlage gegen Argentinien enttäuschte Belotti und wurde folgerichtig zur Halbzeit durch Gianluca Scamacca ersetzt. Da Werner in der Königsklasse durchaus Glanzpunkte setzte: Vorteil Deutschland
Damit endet der Vergleich der Schlüsselspieler 4:2 für die deutsche Nationalmannschaft.