Deutschland-Gegner Dänemark in der Analyse
Von Dominik Hager
Die Deutsche Nationalmannschaft greift am Samstag in die K.o.-Runde ein. Im Achtelfinale geht es für die Männer von Julian Nagelsmann in Dortmund gegen Dänemark. Das DFB-Team ist Favorit, nach dem unrunden 1:1 gegen die Schweiz aber gewarnt. Gelingt es nun den Dänen, den EM-Gastgeber entscheidend zu verwunden? Wir analysieren die Lage im 90min-Gegner-Check.
Direkter Vergleich Deutschland vs Dänemark
Deutschland und Dänemark treffen im EM-Achtelfinale zum 29. Mal aufeinander. Der direkte Vergleich spricht mit 15 Siegen, fünf Remis und acht Niederlagen für das DFB-Team. In den vergangenen Jahren zeigte Deutschland jedoch wechselhafte Leistungen. Drei der letzten fünf Begegnungen endeten mit einem Remis. Hinzu kommen eine Niederlage aus dem Jahr 2007 und ein 2:1-Sieg bei der EM-Vorrunde 2012, der gleichzeitig auch das letzte Aufeinandertreffen der beiden Nationen in einem großen Turnier markiert.
Die schmerzhafteste Niederlage hat Dänemark Deutschland im EM-Finale 1992 zugefügt. Alles in allem ist die Turnier-Bilanz beider Teams mit 2:2 ausgeglichen, weshalb man schon von einem kleinen Angstgegner der DFB-Elf sprechen kann.
Dänemark in der Weltrangliste
Dänemark steht nur noch auf dem 21. Rang der Weltrangliste und damit knapp hinter Deutschland, das Platz 16 belegt. Die Dänen haben in den letzten beiden Jahren enorm an Positionen verloren, nachdem sie in den Jahren 2021 und 2022 sogar zwischenzeitlich in den Top-10 standen.
Die Leistungen der Dänen im Turnierverlauf
Dänemark hat sich in weiten Teilen den eher biederen Auftritten der Gruppengegner Slowenien, England und Serbien angepasst. Zum Auftakt gab es ein 1:1 gegen Underdog Slowenien, bei dem die Dänen zwar mehr Chancen hatten, es nach dem zwischenzeitlichen 1:0 aber versäumt haben, nachzulegen.
Im zweiten Gruppenspiel gab es ein erneutes 1:1 gegen England. Hierbei haben die Skandinavier ihre bislang beste Turnierleistung zeigen können, wobei die Three Lions dazu auch eingeladen haben. Im abschließenden Gruppenspiel reichte ein 0:0 gegen Serbien zum zweiten Rang. Dabei kontrollierten die Dänen das Geschehen lange, mussten gegen Ende aber nochmal richtig zittern.
Der bisherige Turnierverlauf deutet zwar an, dass die Dänen nicht ganz so leicht zu knacken sind, aber auch wenige Highlights setzen konnten.
Die voraussichtliche Aufstellung gegen Deutschland
Es ist zu erwarten, dass Dänemark-Coach Kasper Hjulmand im Vergleich zu den Gruppenspielen wenig an seiner Aufstellung ändert. Klar ist lediglich, dass Mittelfeldspieler Morten Hjulmand nach seiner zweiten Gelben Karte gegen die Serben gesperrt fehlt.
Offen ist zudem, wer von den Schienenspielern Joakim Maehle, Victor Kristiansen und Alexander Bah auf die Bank muss. Alle drei verzeichnen bislang zwei Startelf-Einsätze. Man darf auch gespannt sein, ob Hjulmand an seiner Zwei-Stürmer-Lösung Jonas Wind & Rasmus Højlund festhält.
Die voraussichtliche Aufstellung im Überblick:
Kasper Schmeichel - Joachim Andersen, Andreas Christensen, Jannik Vestergaard - Alexander Bah, Pierre Emile Højbjerg, Thomas Delaney, Joakim Maehle - Christian Eriksen - Jonas Wind, Rasmus Højlund
Die Stärken von Dänemark
Dänemark hat seine Stärken traditionell in der Defensive. Mit Kasper Schmeichel steht ein ganz erfahrener Mann zwischen den Pfosten, der in Länderspielen gut hält. Andreas Christensen ist der zentrale Anker der Defensive, der mit seinem starken Zweikampfverhalten und präzisem Aufbauspiel die Abwehr lenkt. Mitunter ihm ist es zu verdanken, dass Dänemark im Turnierverlauf erst zwei Tore kassiert hat.
Im Mittelfeld besitzen die Dänen mit Pierre Emile Højbjerg und Christian Eriksen zwei langjährige Top-Spieler auf zentralen Positionen. Beide bringen eine technische Komponente mit ins Spiel, die den Dänen Ballsicherheit und Kontrolle verleiht.
Im Angriff kommt Dänemark über die physische Präsenz von Jonas Wind und Rasmus Højlund. Beide Angreifer sind rund 1,90 Meter groß und folgerichtig in der Luft gefährlich. Die Box ist also immer gut besetzt und wenn die Stürmer gefunden werden, wird es für die gegnerische Abwehr schnell auch brenzlig.
Im Allgemeinen kommt Dänemark über ein gutes Teamwork und eine einwandfreien Moral. Das Team gefällt sich insbesondere in der Rolle des Underdogs und kann es auch großen Teams mit einer oft fast fehlerfreien Leistung so richtig schwer machen.
Die Schwächen von Dänemark
Dänemark hat im Vergleich zu den Top-Nationen natürlich nicht die ganz große Masse an hervorragenden Individualisten vorzuweisen. Lediglich Andreas Christensen, Christian Eriksen, Pierre Emile Højbjerg und Rasmus Højlund besitzen grundsätzlich die Anlagen dafür, wenngleich sie das auf Vereinsebene zuletzt auch nicht immer zeigen konnten.
In der Abwehr kann Jannik Vestergaard als Schwachstelle angesehen werden. Der frühere Bundesligaspieler ist zwar in der Luft eine Macht, hat aber schwierige Jahre hinter sich. Mit seiner Größe von fast zwei Metern hat er Probleme in Sachen Wendigkeit und Antritt, was gute Individualisten durchaus ausnutzen können.
Ein Problem für die Dänen ist gewiss auch, dass mit Morten Hjulmand ein gesetzter Spieler im zentralen Mittelfeld fehlt und der vermeintliche Ersatz, Thomas Delaney, noch nicht im Turnierrhythmus ist. Was ebenfalls bislang noch ganz klar gefehlt hat, waren gefährliche Angriffe über die Flügel. Zu wenig gute Flanken wurden in Richtung von Wind und Højlund, die beide noch bei null Treffern stehen, geschlagen. Beide Angreifer sind noch nicht wirklich im Turnier angekommen. Das gesamte Offensivspiel war bislang zu langsam und ausrechenbar. Mickrige zwei Tore in drei Spielen untermalen dies eindrucksvoll.
Die Spielweise
Dänemark spielt seit Jahren in einem 3-5-2-System und setzt damit auf Kontinuität und eine klare und bekannte Rollenverteilung, in der sich die Spieler wohlfühlen. Dänemark ist zwar eine defensiv orientierte Mannschaft, was aber nicht bedeutet, dass sie kein Gegenpressing beherrscht. Punktuell fahren die Skandinavier ein sehr aggressives Pressing weit in der Hälfte des Gegners.
Pressing-Elemente wird es gewiss auch gegen Deutschland geben, wobei davon auszugehen ist, dass sich das Team auch regelmäßig weit zurückzieht.
Durch die beiden Schienenspieler versuchen die Dänen, kontinuierlich Druck über die Außen zu erzeugen und dann idealerweise einen der beiden großen Mittelstürmer zu finden. Bislang ist es bei diesem Turnier aber bei einem Versuch geblieben. Folgerichtig haben es die Dänen auch häufiger aus der Distanz probiert.
Offensiver Ankerspieler ist Christian Eriksen, der gerne gesucht wird und dann den Ball in die gefährlichen Zonen spielen oder selbst zum Abschluss kommen soll. Zwar gibt es durchaus Dänen, die sich im Flachpass- und Kombinationsspiel auskennen, jedoch ist das Team spielerisch ein wenig limitiert, wodurch die größte Gefahr oft bei Standards entsteht. Es fehlt jedoch ein wenig an Tempo-Dribblern, die Standards aus guten Positionen herausholen können.
Darum ist Deutschland gewarnt
Klar ist, dass der Druck im Achtelfinale zu 100 Prozent auf Seiten der Deutschen liegt. Alles andere als ein Erfolg wäre ein heftiger Schock und würde die EM-Euphorie zur Schockstarre werden lassen. Dänemark hat diesen Druck nicht und mit der Teilnahme an der K.o.-Runde in etwa das Soll erfüllt. Genau in einer solchen Underdog-Rolle fühlen sich die Dänen absolut wohl.
Die Partie gegen das defensivstarke Team könnte zur Geduldsprobe werden, die Deutschland erstmal bestehen muss. Nicht umsonst werden die hart verteidigenden Dänen auch Danish Dynamite genannt. Hinzu kommt die Tatsache, dass mit Wind und Højlund zwei Angreifer vorne stehen, die sich durchzusetzen können und einen gewissen Killer-Instinkt mitbringen. Beide hatten in der abgelaufenen Saison sowohl sehr gute als auch sehr schwache Phasen. Demnach kann sich niemand darauf verlassen, dass das Duo nicht ausgerechnet gegen Deutschland wieder zur Stelle ist. Die notgedrungenen Umstellungen in der deutschen Hintermannschaft könnten den Dänemark-Stürmern einen entscheidenden Vorteil verleihen.
Generell muss es Deutschland tunlichst vermeiden, Standards zu verursachen. Christian Eriksen ist ein herausragender Schütze und mit Andreas Christensen, Jannik Vestergaard, Joachim Andersen, Jonas Wind und Rasmus Højlund stehen gleich fünf Spieler zur Verfügung, die mindestens 1,90 Meter groß und gefährlich im Kopfballspiel sind.
Tatsächlich sind Standards aller Art wohl die größte Gefahr, dass sich der deutsche EM-Albtraum aus dem Jahre 1992 wiederholt. Gefährlich ist aber auch, dass vielleicht der ein oder andere schon ein mögliches Viertelfinale gegen Spanien im Hinterkopf hat und der Fokus ein wenig abdriftet.
Darum knackt Deutschland die Dänen
Sieht man sich die bisherigen Leistungen im Turnierverlauf an, so kann man durchaus optimistisch sein, dass Deutschland die Dänen packt. Insbesondere scheiterte es nicht daran, sich Chancen zu erarbeiten und außerdem ist das DFB-Team mit acht Turniertreffern bislang die offensiv stärkste Mannschaft.
Deutschland besitzt mit Musiala, Wirtz, Gündogan, Füllkrug, Sané und Havertz Top-Leute, die zu jeder Zeit - ob von Beginn an oder von der Bank kommend - gefährlich werden können. Gegen die dänischen Abwehr-Kanten dürfte es auch ein Vorteil sein, dass sich mit Jamal Musiala und Florian Wirtz wendige Dribbler im DFB-Team befinden, die beispielsweise einem Vestergaard die Grenzen aufzeigen können.
Hinzu kommt, dass Dänemark nicht das herausragende Konterteam ist. Genau in diesem Bereich wäre Deutschland zwar anfällig, jedoch fehlt es an schnellen Leuten. Es gibt auch keinen starken Eins-gegen-Eins-Spieler auf den Flügeln, was Joshua Kimmich und Maximilian Mittelstädt, die beide nicht die athletischsten sind, die Arbeit erleichtern wird.
Mit Robert Andrich besitzt Deutschland zudem einen Spieler, der die Kreise von Eriksen einengen kann. Sollte das gelingen, ist die Nahrungskette bis zu Højlund und Wind schon relativ gut unterbrochen.
Angesichts der deutlich stärkeren Offensive, dem Heimvorteil und der aktuellen Form geht Deutschland definitiv mit den größeren Trumpfkarten in die Partie. Folgerichtig darf man optimistisch sein, dass das Sommermärchen 2.0 nicht schon am Samstag sein Ende findet.
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