Deutschland. Ein Sommer-Albtraum? Diese 6 Probleme machen uns Angst
Von Dominik Hager
Deutschland fiebert der Heim-EM entgegen. Am 14. Juni startet das Groß-Event mit dem Eröffnungsspiel gegen Schottland und natürlich hofft das DFB-Team, dass die Reise bis zum Finale am 14. Juli weitergeht. Aktuell muss jedoch noch an einigen Stellschrauben gedreht werden, damit es für den ganz großen Coup reichen kann. Wir werfen einen Blick auf die sechs größten Probleme der deutschen Nationalmannschaft vor Turnierstart.
1. Flatter-Neuer
Keine Position wird aktuell so intensiv diskutiert wie jene zwischen den Pfosten. Diese Debatte hat sich Manuel Neuer mit einer ungeheuren Aneinanderreihung von Patzern selbst eingehandelt. Angefangen hatte alles mit dem entscheidenden Fehler im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid, ehe er gegen Hoffenheim mehrfach patzte und auch in den beiden Testspielen gegen Griechenland und die Ukraine markante Fehler einstreute.
Eine solche Pannenserie ist man von Neuer nicht gewohnt und auch nicht wirklich erklärbar. All die Neuer-Patzer hatten die Gemeinsamkeit, dass sie nicht auf sein fortgeschrittenes Alter zurückzuführen sind. Im Gegenteil: In Sachen Reflexe scheint Neuer auf einem Top-Level zu sein und hat in den letzten Wochen regelmäßig spektakulär gerettet. Deswegen bleibt auch die Hoffnung, dass der Bayern-Keeper bei der EM zum Positiv-Faktor werden kann. Wichtig wäre allerdings, dass sich Neuer auf die Basics konzentriert, nicht alles spielerisch lösen möchte und zu 100 Prozent konzentriert ist. Nur auf diese Weise kann er die Sicherheit ausstrahlen, die ihm zuletzt so deutlich abhanden gekommen ist.
2. Tah und Rüdiger
Es gibt kaum Innenverteidiger, die sich auf nationaler und internationaler Ebene mit ihren Klubs derart stark präsentiert haben wie Jonathan Tah und Antonio Rüdiger. Beide fungierten als unumstrittene Abwehr-Chefs von Bayer 04 Leverkusen und Real Madrid und haben mehrere Titel gewonnen.
Die Abgeklärtheit auf Vereinsebene haben beide aber erst selten in der Form auch im DFB-Team gezeigt. Insbesondere bei Rüdiger ist die Diskrepanz teilweise erschreckend. Der Real-Star irrte auch zuletzt gegen Griechenland in einigen Szenen ziellos umher. Die Abstimmung der beiden Innenverteidiger ist definitiv noch verbesserungswürdig. Gelingt das nicht, können die Titelträume eigentlich gleich schon begraben werden. Auf der anderen Seite ist das Leistungs-Potenzial beider natürlich gewaltig.
3. Fehlende Athletik der Außenverteidiger
Spielerisch ist Deutschland mit Joshua Kimmich und Maximilian Mittelstädt auf den defensiven Außenbahnen gut aufgestellt. Beide können kicken und verfügen über ein sauberes Passspiel, was im Spiel mit dem Ball natürlich hilft. Fraglich ist jedoch, ob das Duo die nötige Athletik mitbringt, um gegen die Top-Flügelspieler Europas bestehen zu können.
Für Joshua Kimmich ist die gute Nachricht, dass er bei der EM zumindest nicht auf Vinicius Junior treffen kann. Der Bayern-Star hatte aber auch mit weitaus weniger begnadeten Spielern gegen Griechenland seine Probleme. Zwar hatte Kimmich in der abgelaufenen Saison auch gute Defensiv-Momente und konnte beispielsweise Arsenal-Star Gabriel Martinelli kalt stellen, jedoch ist das fehlende Tempo von Kimmich auf der Außenverteidiger-Position schon ein Problem, das Konsequenzen haben könnte.
Mittelstädt ist zwar etwas schneller als Kimmich unterwegs, aber auch kein ausgewiesener Athlet. VfB-Coach Sebastian Hoeneß schob beim Pokal-Duell gegen Leverkusen extra Mittelstädt nach rechts und Vagnoman nach links, damit der athletischere Vagnoman gegen den schnellen Frimpong verteidigen konnte.
Mittelstädt und Kimmich sind auf ihren Seiten auf Unterstützung angewiesen und es ist fraglich, wie viel Florian Wirtz und Jamal Musiala diesbezüglich leisten können. Ein Leroy Sané wäre trotz seiner Schwankungen ein größerer Faktor.
4. Konterabsicherung
Das Thema Konterabsicherung begleitet uns schon seit der WM 2018 und ist seitdem auch eigentlich immer bestehen geblieben. Hatte man nach den Tests gegen Frankreich und die Niederlande gedacht, dass die Probleme behoben worden sind, machten die jüngsten Testspiele wieder Sorgen. Insbesondere im Spiel gegen Griechenland war die Konterabsicherung oft nicht vorhanden und das Problem allgegenwärtig. Hauptsächlich aus diesem Grunde haben die Griechen Deutschland an den Rande einer Niederlage gebracht.
Sollte sich das DFB-Team in diesem Punkt nicht steigern können, droht das böse Erwachen in der Gruppenphase. Schottland, Ungarn und Schweiz lauern nur darauf, die Deutschen mit einem Konter entscheidend zu verwunden. Dem Thema Konterabsicherung muss folgerichtig in den verbliebenen Trainingseinheiten höchste Priorität eingeräumt werden. Robert Andrich und Toni Kroos sind als Mittelfeld-Duo besonders in der Pflicht, jedoch betrifft die Problematik die ganze Mannschaft.
5. Das Gündogan-Problem
Julian Nagelsmann hat sich schnell darauf festgelegt, dass Ilkay Gündogan Kapitän der deutschen Nationalmannschaft bleibt. Dies könnte jedoch noch ein erhebliches Problem werden. Als Kapitän muss Gündogan eigentlich spielen, jedoch kann man sich definitiv fragen, ob für den Routinier überhaupt ein Platz in der Startelf bleibt. Durch das Comeback von Toni Kroos ist klar, dass der zweite zentrale Mittelfeldspieler athletisch und zweikampfstark sein muss, weshalb Gündogan für die Rolle nicht infrage kommt.
In der Offensive stehen mit Jamal Musiala, Florian Wirtz und Leroy Sané drei hervorragende Individualisten zur Verfügung, die schneller, dribbelstärker und spielfreudiger wirken. Aktuell sieht es nach einer Bankrolle für Leroy Sané aus, jedoch wäre es wohl vorteilhaft, wenn nicht drei Zehner gleichzeitig auf dem Platz stehen. Hinzu kommt, dass Gündogan ähnlich wie beispielsweise Antonio Rüdiger im DFB-Team selten überzeugen konnte.
Sollte das Turnier nicht nach Plan laufen, dürfte die Kapitänsfrage ein brennendes Thema werden. Ungut ist in diesem Zusammenhang auch, dass auch die Ersatzkapitäne Joshua Kimmich und Thomas Müller wackeln bzw. ohnehin nicht gesetzt sind. Ex-Kapitän Neuer strahlt ebenfalls nicht die gewohnte Sicherheit aus. Von einem Führungsspieler-Problem ist das DFB-Team definitiv nicht fern.
6. Wie fit sind Sané und Musiala?
Leroy Sané und Jamal Musiala schleppten sich die gesamte Rückrunde über mit körperlichen Problemen über das Feld. Insbesondere bei Sané ist auch unklar, inwiefern er wirklich ein komplettes Turnier auf Top-Level spielen kann. Jamal Musiala war in beiden Testspielen von Beginn an dabei, was schon mal ein gutes Zeichen ist. In Top-Form scheint der Youngster allerdings auch noch nicht zu sein. Grundsätzlich haben Musiala und Sané das Potenzial, die Schlüsselspieler schlechthin zu werden, jedoch benötigen sie dafür auch eine richtig gute Verfassung. Ganz so weit scheinen sie noch nicht zu sein.