Deutsche Achterbahnfahrt - starke USA: 5 Erkenntnisse von der Olympia-Gruppenphase

Die Gruppenphase im Frauenfußball-Turnier bei Olympia ist vorbei. Dabei gab es einige Überraschungen: Die USA zeigten sich sehr stark, Gastgeber Frankreich schwächelte und Kanadas Drohnen-Spionieren überschattete alles. Fünf Erkenntnisse.
Die USA können mit ihrer Vorrunde zufrieden sein - Australien eher nicht
Die USA können mit ihrer Vorrunde zufrieden sein - Australien eher nicht / PASCAL GUYOT/GettyImages
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Nach der Gruppenphase bei Olympia sind vier Teams ausgeschieden: Australien, Sambia, Nigeria und Neuseeland. Während Australien die Enttäuschung des Turniers war, konnte Nigeria durchaus überzeugen. Stark spielten die USA auf, während die DFB-Frauen weiter zwischen Genie und Wahnsinn schwanken. Das sind die fünf Erkenntnisse der Gruppenphase.

1. Party in the USA: Zurück zu alter Stärke?

Sophia Smith, Mallory Swanson, Sam Coffey, Trinity Rodman
Gute Laune: Die USA können ihre guten Leistungen selbst gar nicht fassen / Daniela Porcelli/ISI Photos/GettyImages

Wer bei ihnen Kabinen-DJ ist und was gespielt wird, haben die Amerikanerinnen nicht verraten. Aktuell wäre aber "Party in the USA" passend. Die USA haben eine beeindruckende Vorrunde hingelegt. Gegen Sambia, Deutschland und Australien gewannen die Stars and Stripes souverän. Besonders das klare 4:1 gegen die DFB-Frauen beeindruckte Fans und Experten. Nach einem unsicheren Start steigerte sich die US-Elf und wirbelte die deutsche Defensive nach allen Regeln der Kunst durcheinander.

Das Sturm-Trio aus Sophia Smith, Mallory Swanson und Trinity Rodman ist schnell, technisch beschlagen und athletisch. Die drei stehen für eine neue Generation, sie sind die Nachfolgerinnen von Megan Rapinoe, Alex Morgan und Tobin Heath. Der Umbruch war bei den USA schmerzhaft, aber nun scheint der Weg in eine bessere Phase eingeleitet.

Wie schnell die neue Trainerin Emma Hayes, die erst am Ende der Saison zum Team stieß, das Spiel der USA umgekrempelt hat, verblüfft. Unter ihr sind die Amerikanerinnen noch ungeschlagen - gerade deshalb ist aber auch Vorsicht angebracht.

Die plötzliche Metamorphose in ein Weltklasseteam ist vielleicht ein bisschen zu schön, um wahr zu sein. Die bisherigen Gegner bei Olympia waren ausnahmslos in der Verteidigung nicht sehr sattelfest - eine "Defensiv-Horrorshow" nannte GOAL die DFB-Leistung gegen die USA. Wie gut die USA wirklich sind, bleibt daher noch abzuwarten. Mit Japan wartet ein technisch beschlagener Gegner, dessen Defensive das Team von Hayes vor deutlich größere Herausforderungen stellen sollte.

2. Kanada zwischen "Spy-Gate" und starken Leistungen

Jessie Fleming
Eine Willensleistung: Kanada um Kapitänin Jessie Fleming schlug Gastgeber Frankreich / Tullio M. Puglia/GettyImages

Alle sportlichen Ereignisse wurden von dem kanadischen "Spy-Gate" überschattet: Nachdem zunächst eine Drohne über dem neuseeländischen Training gesichtet wurde, stellte sich heraus, dass der kanadische Verband schon jahrelang seine Gegner ausspioniert hatte, ob bei Frauen oder Männern.

Der Fall schlug hohe Wellen. Die Cheftrainerin Bev Priestman und zwei Mitglieder des Trainerteams wurden suspendiert, Kanada bekam sechs Punkte abgezogen. Die Strafe wurde besonders kontrovers diskutiert: Neuseeland fühlte sich benachteiligt, denn die Kiwis waren ja nachweislich betrogen worden und bekamen trotzdem keine Punkte aus dem Spiel gegen Kanada.

Andere dagegen hielten die Strafe für zu hart: Die Spielerinnen, so die Argumentation, konnten ja am wenigsten für die ganze Misere. So besaß der kanadische Fußballverband die Dreistigkeit, die Strafe anzufechten. Begründung: Man würde die eigenen Spielerinnen schützen wollen - wer für ihre missliche Lage verantwortlich war, verschwieg der Verband lieber.

Bei dem ganzen Trubel gingen Kanadas sportliche Leistungen etwas unter. Die Ahornblätter zeigten ein ganz anders Gesicht als bei der enttäuschenden WM 2023. Auf einen mühsamen Auftaktsieg gegen Neuseeland folgte eine echte Willensleistung. Mit 2:1 besiegte Kanada Gastgeber Frankreich und wahrte die Chance auf das Viertelfinale.

Nach dem knappen Sieg gegen Kolumbien war dann das Wunder perfekt - so sahen es zumindest Fans und Spielerinnen. "Die ganze Welt ist gegen uns", sagte Vanessa Gilles. Für andere bleibt die Turnierleistung weniger ein Wunder als das Resultat des Schummelns.

3. DFB-Frauen fehlt auch im Turnier die Konstanz

Klara Buehl
Zwischen Jubel und Unsicherheit: Die DFB-Frauen / Tullio M. Puglia/GettyImages

Viertelfinale, olé, olé! Die DFB-Frauen haben ihr Mindestziel bei Olympia erreicht. Eine Achterbahn in Südfrankreich müssen sie jedenfalls nicht mehr besteigen, es gab auch so ausreichend Hochs und Tiefs im Turnierverlauf.

Ein souveräner Sieg gegen Australien: Himmelhoches Jauchzen, immerhin war Australien letztes Jahr noch WM-Vierter. Eine ebenso klare Niederlage gegen USA: Rasant wieder runter mit dem Euphorie-Level, konsternierte Blicke. Mit dem 4:1 gegen Sambia wackelt das DFB-Wägelchen auf der Achterbahnstrecke jetzt wieder nach oben.

Aber der Untergrund ist weiter rutschig, die Stolpersteine zahlreich. Sambia und Australien haben beide nicht die beste Defensive, wie beide bei ihrem direkten Duell zeigten. 6:5 ging es für Australien aus, eine wahre Horrorshow für alle Liebhaber von jeglicher Taktik, abkippenden Sechsern oder auch nur vernünftiger Verteidigung bei Standardsituationen.

Und die USA, ist das nun der künftige Olympiasieger oder haben sie sich doch nur durch die leichte Gruppe in einen Rausch gespielt? Ist das Resultat gegen Australien, die nun ihren Trainer feuerten, aussagekräftig? Hrubesch und seine Truppe fahren in einer dichten Wolke der Fragezeichen und der Unklarheit durch dieses Turnier.

4. Gastgeber Frankreich: Katoto, Fans and a dream

Marie-Antoinette Katoto
Sie trifft und trifft: Marie-Antoinette Katoto / Tullio M. Puglia/GettyImages

Mit Frankreich und dem Heimvorteil bei Turnieren ist das ja so eine Sache. Bei der WM 2019 zeigten sich die Französinnen von dem euphorischen Publikum weniger beschwingt als gebremst und schieden früh aus. Ihr Potenzial schöpften Les Bleues in den letzten Jahren selten aus.

Auch die Gruppenphase der Olympischen Spiele verlief eher mittelmäßig. Die Französinnen feierten knappe Pflichtsiege gegen Kolumbien und Neuseeland, zogen gegen Kanada den Kürzeren. Die Chancenverwertung war dabei ein großes Problem der Elf von Hervé Renard, der nach dem Turnier "Adieu" sagt.

Delphine Cascarino und Sandy Baltimore tanzten herrlich ihre Mitspielerinnen aus, Grace Geyoro spielte schöne Pässe, Selma Bacha preschte mit gewohnter Energie nach vorne. Aber Zielwasser getrunken hatte nur eine: Mittelstürmerin Marie-Antoinette Katoto, die für fünf der sechs französischen Tore verantwortlich war. Ohne sie wäre es wohl schwierig geworden.

Katoto war 2019 von der umstrittenen Trainerin Corinne Diacre nicht nominiert worden, das sorgte für einen Aufschrei. Für die PSG-Stürmerin ist es damit ihr erstes Heimturnier. Ein Vorteil für Frankreich: Anders als 2019 gibt es tatsächlich einen großen Unterschied bei der Stimmung zwischen den französischen Spielen und den anderen Partien.

Während Deutschland gegen Sambia etwa in einem fast leeren Stadion antrat, wird alles für eine gute Stimmung bei Les Bleues getan. Für die Zuschauer werden gratis Fahnen verteilt, vor Anpfiff werden die Fans mit schmissigen Songs extra animiert. Das könnte einen Unterschied machen - falls dieser Lärm die Französinnen dieses Mal nicht bremst.

5. Nigeria: Punktlos, aber nicht chancenlos

Chiamaka Nnadozie, Alexia Putellas
Immer zur Stelle: Chiamaka Nnadozie / Robert Cianflone/GettyImages

Die beste Torhüterin bei Olympia bisher spielt bei Nigeria: Chiamaka Nnadozie konnte bisher auf ganzer Linie überzeugen - und nicht nur auf der Linie, sondern auch in der Luft. Die 23-Jährige machte schon bei der WM 2023 auf sich aufmerksam, als Nigeria im Achtelfinale nur knapp gegen England ausschied.

Nnadozie spielt beim französischen Klub Paris FC, der sich in der letzten Saison für die Champions League qualifiziert hat. Keine schlechte Adresse, aber es wäre keine Überraschung, wenn sich die Nigerianerin bald für einen größeren Klub entscheiden würde.

Gegen Brasilien brachte sie Marta und Co. mehrfach zum Verzweifeln, ähnlich sah es gegen Spanien aus. Nigeria zog beide Male mit 0:1 knapp den Kürzeren, aber schlug sich wacker. Vor allem die Niederlage gegen die spanischen Weltmeisterinnen war bitter: Es brauchte in der 85. Minute einen Freistoß von Alexia Putellas, um die nigerianische Defensive zu überwinden. Nigeria verabschiedet sich aus der stärksten Gruppe ohne Punkte, aber mit viel Anstand.