Deshalb wird der Transfer-Sommer für Schalke dreifach kompliziert
Von Yannik Möller

Auf Schalke gibt es dringenden Handlungsbedarf an manchen Stellen im Kader, dem im Transfer-Sommer nachgegangen werden muss. Leichter gesagt, als getan: Für Königsblau wird dieses Unterfangen doppelt und dreifach kompliziert - viele Faktoren müssen zusammenspielen.
Für Jochen Schneider wird es alles andere als ein ruhiger Sommer. Der Sportvorstand des in der Rückrunde so gescholtenen FC Schalke 04 muss den Kader nicht nur an wichtigen Stellen (neu) besetzen, sondern bestmöglich auch verbessern. Klingt deutlich leichter, als es schlussendlich wird. Auf ihn und die S04-Führungsetage warten mehrere unterschiedliche Hürden, die den Transfer-Sommer zusätzlich erschweren.
Problem Nummer eins: Schalke ist äußerst knapp bei Kasse
Schon über die letzten Jahre war Schalke keineswegs einer der Bundesligisten, die das Geld sorgenlos ausgeben konnten. Natürlich gab es immer mal wieder teurere Spieler wie Breel Embolo oder Sebastian Rudy, doch deutlich häufiger ging der Griff beispielsweise eher in die unteren Reihen.
Nun, im Sommer 2020, hat die finanzielle Krise hoffentlich (im Sinne des Klubs) einen Höhepunkt erreicht. Das Ausgabenverhältnis habe seit ungefähr drei, vielleicht vier Jahren nicht mehr zum sportlichen Erfolg gepasst, erklärten Marketingvorstand Alexander Jobst und Sportvorstand Schneider in der Saisonanalyse. Dementsprechend ist der Kurs klar: Sparen, wo es nur möglich ist. Auch und ganz besonders bei Transfers. Notwendige Lücken müssen zwar gefüllt werden, aber möglichst kreativ und für möglichst wenig Geld.
Somit sind auch Gedankenspiele über Transfers wie etwa von Robin Gosens nicht nur unrealistisch, sie sind eigentlich verboten. Die zweite Liga wird das kurz- und mittelfristige Ziel mancher Verpflichtungen werden, genauso wie das langfristige Ziel, durch gutes Scouting und die eigene Knappenschmiede die jungen Talente entwickeln und später für einen deutlichen Mehrwert verkaufen zu können.
Die sehr geringen finanziellen Mittel, die Schneider also zur Verfügung stehen, müssen bedacht eingesetzt werden. Immerhin gilt es nicht nur neue Spieler zu verpflichten, sondern andere S04-Profis im Verein halten zu können. Umso angewiesener ist Königsblau also auf Einnahmen, die primär durch die Leihspieler kommen sollen. Damit zum nächsten Problem.
Problem Nummer zwei: Schalke muss die Leihspieler ertragreich loswerden
Um Gehälter einzusparen und um etwaige Stimmungs-Probleme in der Kabine zu vermeiden, wurden zu Beginn und im Verlauf der abgelaufenen Saison diverse Spieler verliehen: Insgesamt waren es elf Akteure, die zwischenzeitlich ein anderes Trikot trugen. Mit dem einen oder anderen scheint der Klub zu planen, so etwa mit Mark Uth oder Ralf Fährmann. Bei Jonas Carls etwa ist die Zukunft noch offen, Steven Skrzybski soll eine neue Chance bekommen.
Spieler wie Rudy, Nabil Bentaleb, Hamza Mendyl oder Cedric Teuchert hingegen sind klare Verkaufskandidaten. Im Klartext: S04 sucht nahezu dringend nach Abnehmern, um nicht nur das weitere Gehalt, was teilweise sehr und zu gut dotiert ist, einsparen zu können, sondern auch, um weitere Ablösesummen zu generieren. Vor diesen Abgängen wird Schalke so gut wie nicht handlungsfähig sein. Eigene Deals können erst richtig angegangen und geplant werden, wenn die handelnden Personen Gewissheit bei Einnahmen haben.
Aufgrund des engen Portemonnaies ist die Abhängigkeit von erfolgreichen Trennung umso größer. Teuchert ist zwar nach wie vor bei Hannover 96 in Gesprächen, Newcastle United soll bei Bentaleb über eine feste Verpflichtung nachdenken. Insgesamt sind sie aber nur schwer abzugeben - ob, und wann diese Geschäfte über den Tisch gehen könnten, ist allerdings völlig offen. Das Transferfenster endet erst Anfang Oktober, es wird viel auf Ausdauer und Geduld ankommen. Der Übergang zu Problem drei.
Problem Nummer drei: Wenig Bewegung auf dem Markt - S04-Abhängigkeit ist bekannt
Die Coronakrise hat jeden Verein getroffen, jeder Klub ist in seinem Agieren auf dem Transfermarkt eingeschränkt - natürlich der eine mehr, als der andere; und doch wird es sehr wahrscheinlich darauf hinauslaufen, dass die Geschäfte und Deals nur sehr schleppend in Bewegung kommen. Diverse Sportvorstände oder -Direktoren rechnen mit vermehrten Leih-Geschäften, teure Transfers werden im Gegensatz zu den letzten Jahren eher die Ausnahme als die Regel sein.
Diese fehlende Dynamik betrifft natürlich auch Schalke und zwar in doppelter Hinsicht. Zum einen, weil die angebotenen Leihspieler verkauft werden sollen. Die Vereine werden deutlich vorsichtiger und bedacht agieren, als sonst. Somit kann es umso länger dauern, bis es Interessenten gibt und ein weiteres Warten, bis eine Einigung gefunden ist.
Eben diese Einigung wird ebenfalls komplizierter ausfallen, auch dafür gibt es zwei Faktoren. Erstens: Der Spielraum für Transfers ist geschrumpft, selbstredend nicht nur bei den großen, sondern auch oder gerade speziell bei den vergleichsweise eher kleineren Klubs, mit denen Schalke verhandeln könnte beziehungsweise wird.
Zweitens: Dass Schalke sehr wenig Geld zur Verfügung hat und dementsprechend auf diese Abgänge angewiesen ist, werden die womöglich interessierten Vereine definitiv wissen. Somit ist es ein Leichtes für die, S04 noch geringere Angebote zu machen, als ohnehin schon. Der Bundesligist muss lieber ein erneut zu niedriges Angebot annehmen, als das Risiko einzugehen, Spieler X gar nicht abzugeben und somit auf ihm und dem teils üppigen Gehalt sitzen zu bleiben.
Fazit: Schalke findet sich in komplizierter Lage wieder - zwischen Not und zeitlichem Druck
Übergeordnet und durch all diese Aspekte erschwert steht der Fakt, dass es an manchen Stellen großen Handlungsbedarf im Knappen-Kader gibt. Derzeit gibt es keinen Rechtsverteidiger. Mit Bastian Oczipka hat man nur einen Linksverteidiger im Team, je nachdem, was mit Mendyl und Carls passiert. Flügelspieler gibt es bis auf Rabbi Matondo eigentlich nicht, im (offensiven) Mittelfeld mangelt es an Kreativspielern. Der Sturm könnte noch eine Verstärkung gebrauchen und an Alexander Schwolow als neuen Torhüter ist man bereits dran.
Dazu wäre es wichtig, den Kader so früh wie möglich stehen zu haben. Je schneller und länger sich neue Spieler einspielen können, desto besser das Resultat auf dem Platz. Kommt der ein oder andere Neuzugang erst Ende September oder gar Anfang Oktober, so ist bereits die halbe Hinrunde vorbei.
Es wird wohl auf ein Nervenspiel hinauszulaufen, nicht nur für Sportvorstand Schneider und Co., sondern auch für die Fans. Sie drängen auf neue Spieler, auf Verstärkung und Ersatz, gleichzeitig sollen Vertragsverlängerungen von Leistungsträgern wie Suat Serdar oder Omar Mascarell her. Dabei benötigt Schalke in diesem Transfer-Sommer, abgesehen vom sportlichen Bereich vor allem eins: Zeit, weitsichtige Professionalität und dicke Nerven.