Der Umbruch bei den DFB-Frauen im Check - Das wird Wücks größte Aufgabe

Seit der WM 2023 ist das DFB-Team deutlich jünger geworden - der Kader-Check nach Alter, Einsätzen und Toren. Nur in der Defensive bleibt der Umbruch aus - das wird Aufgabe Nummer eins für Christian Wück nach Olympia.
Interimskader Horst Hrubesch hat einen Umbruch bei den DFB-Frauen gestartet - nur bei einem Teil des Teams bleibt der noch aus
Interimskader Horst Hrubesch hat einen Umbruch bei den DFB-Frauen gestartet - nur bei einem Teil des Teams bleibt der noch aus / Selim Sudheimer/GettyImages
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Bei den Olympischen Spielen gehört Deutschland zu den ältesten Teams: Mit einem Durchschnitt von 27,4 Jahren (laut Soccerdonna) landen die DFB-Frauen gemeinsam mit Kanada auf dem vierten Platz. Nur Australien, Frankreich und Kolumbien haben einen älteren Kader. Das wirkt zunächst überraschend, denn seit der WM 2023 hat sich im DFB-Kader bereits einiges geändert.

Ältere Stammkräfte wie Svenja Huth und Melanie Leupolz haben ihren Rücktritt aus dem Nationalteam erklärt, dafür haben einige Spielerinnen ihr Debüt gefeiert. Unter Horst Hrubesch gab es also durchaus einen Umbruch, vor allem im Mittelfeld. In der Defensive dagegen bleibt der Umbruch bisher noch aus.

Umbruch seit der WM 2023: Die Altersstruktur im deutschen Kader

Im deutschen Kader stehen fünf Spielerinnen, die 30 Jahre oder älter sind. Drei davon spielen in der Verteidigung: Kathrin Hendrich, Marina Hegering und Sara Doorsoun. Auch die beiden Torhüterinnen Ann-Katrin Berger (33) und Merle Frohms (29) sind älter als der Durchschnitt. Da das bei Torhüterinnen aber recht üblich ist und zudem die DFB-Frauen einige starke Nachwuchstalente in ihren Reihen haben, soll das hier ausgeklammert werden.

Besonders interessant ist dagegen, dass mit Ausnahme von Popp alle Spielerinnen im Angriff und Mittelfeld 26 Jahre oder jünger sind. Vor allem das Mittelfeld sieht inzwischen ganz anders aus als bei der WM. Das ist auch verletzungsbedingt begründet, weil Sara Däbritz ausfällt. Lina Magull dagegen wurde von Horst Hrubesch nicht berücksichtigt. Und so geht bei Olympia ein ganz neues Mittelfeld an den Start. Das ist nicht nur jung, sondern auch unerfahren.

Der deutsche Kader nach Einsätzen

Der Umbruch unter Hrubesch zeigt sich vor allem daran, dass sechs Spielerinnen im DFB-Kader nur weniger als 20 Einsätze gesammelt haben. Elisa Senß, Vivien Endemann, Janina Minge und Bibiane Schulze-Solano haben alle entweder unter Hrubesch ihr Debüt gegeben oder wurden unter ihm zu Stammspielerinnen. Auch Sarai Linder ist noch vergleichsweise unerfahren, während Ann-Katrin Berger schon auf eine lange Karriere zurückblicken kann, aber bei den DFB-Frauen selten spielte.

Austria v Germany - UEFA Women's European Qualifier
Schulze Solano wurde von Hrubesch neu ins Team geholt / Severin Aichbauer/GettyImages

Über 100 Einsätze hat dagegen nur eine Spielerin, Alexandra Popp. Vor allem bei den Spielerinnen, die zwar nicht komplett als Veteranen gelten, aber doch relativ erfahren sind, hat Deutschland wenige: Neben Popp haben nur zwei weitere Spielerinnen mehr als 60 Einsätze: Kathrin Hendrich und Lea Schüller.

Diese Verteilung zeigt sich auch bei den geschossenen Toren: Nur drei Spielerinnen - Popp, Schüller und Bühl - kommen auf mehr als 20 Treffer im Dress des Nationalteams. Ganze 13 Spielerinnen haben dagegen weniger als zehn Mal eingenetzt.

Umbruch - Erfahrung fehlt im Mittelfeld?

Wozu die ganze Rechnerei? Die Statistiken der Einsätze und des Alters zeigen zweierlei. Erstens: Ein Umbruch muss nicht immer bedeuten, dass der Kader viel jünger wird. Im deutschen Fall sind die neuen Nationalspielerinnen wie Janina Minge und Elisa Senß keine aufstrebenden Talente mehr, sondern schon etablierte Bundesligaspielerinnen und Mitte 20.

Aber gerade an internationaler Erfahrung gibt es sehr wenig. Minge und Senß haben beispielsweise vor den Olympischen Spielen auch noch nie in der Champions League gespielt. Will heißen: Dass das Mittelfeld überfordert ist, ist zunächst einmal verständlich. Vor allem in der Abwesenheit von Lena Oberdorf, die einen Gegenpol zu den restlichen Mittelfeldspielerinnen darstellt: Oberdorf ist zwar noch sehr jung, aber schon extrem erfahren.

Und zweitens: Der Umbruch hat vor einem Teil des Teams haltgemacht - der Abwehr. Das ist die große Aufgabe von Christian Wück, der nach Olympia übernimmt. Hendrich und Hegering sind mit ihrer Erfahrung weiterhin sehr wichtig und haben für die DFB-Frauen schon viele starke Leistungen gebracht. Aber auch vor und bei Olympia zeigte sich wieder, dass die zwei Wolfsburgerinnen verletzungsanfällig sind.

Marina Hegering, Kathrin-julia Hendrich
Hendrich und Hegering zeigten etwa bei der EM 2022 starke Leistungen - aber die beiden sind auch verletzungsanfällig, ein Umbruch muss eingeleitet werden / Visionhaus/GettyImages

Hrubesch hat mit der Nominierung von Schulze Solano schon einen ersten Schritt getan. Konsequent wurde der Umbruch aber noch nicht vorangetrieben. Die Balance zwischen Vorbereitung für die Zukunft und Erfolg im Hier und Jetzt ist schwierig zu finden. Auch Hrubesch wollte beides vereinen und hat das oft gut gemacht.

An Wück ist es, das fortzuführen - für den Erfolg bei der EM 2025 den gerade begonnen Umbruch wieder zu pausieren, wäre daher eine zweifelhafte Strategie. Andererseits hat das Image der DFB-Frauen auf der internationalen Bühne zuletzt doch stark gelitten.

Erfolgserlebnisse sind im Prozess ebenso wichtig. Und mit dem Mittelfeld gibt es bereits eine offene Baustelle, die durch Oberdorfs Verletzung für die nächste Zeit auch bleiben wird. So wäre es verständlich, würde Wück sich zunächst für Stabilität entscheiden.

Optionen für einen Umbruch in der Verteidigung

Andererseits gäbe es durchaus Kandidatinnen für eine neue DFB-Verteidigung. Schulze Solano machte bisher einen guten Job, als mögliche Partnerin in der Innenverteidigung fällt immer wieder der Name Sophia Kleinherne. Kleinherne spielte bei Eintracht Frankfurt eine starke Saison, bei Hrubesch fanden ihre Leistungen aber wenig Anklang.

Neben der Frankfurterin gibt es aber weitere Optionen: Beke Sterner etwa ist mit ihren 21 Jahren schon lange eine wichtige Spielerin der SGS Essen - das DFB-Trainerteam sollte sie in jedem Fall im Auge haben. Wahr ist aber auch, dass das Feld an Talenten nicht extrem breit ist. Wück und sein Team haben also einiges an Arbeit zu tun. Mit dem angefangenen Umbruch sind die DFB-Frauen aber schon auf dem richtigen Pfad.