Der Kampf um das Vertrauen: Dortmunds Hochrisiko-Transfer von Felix Nmecha
- Der 22-Jährige ist Terzic' Wunschspieler als Bellingham-Nachfolger
- Große Kritik aus dem Fanlager
- BVB-Präsident Lunow: "Mein Vertrauen hat er"
Von Simon Zimmermann
Der Transfer von Felix Nmecha ist für den BVB ein riskantes Unterfangen. Ein Blick auf die Ausgangssituation des Bellingham-Nachfolgers.
Felix Nmecha: Sportlich ein Risiko für den BVB
Es ist wohl fair zu behaupten, dass Borussia Dortmund mit dem Transfer von Felix Nmecha ins Risiko gegangen ist. Das liegt zum einen an der sportlichen Ausgangssituation: Der 22-jährige Neu-Nationalspieler wechselte 2021 ablösefrei aus der Jugend von Manchester City zum VfL Wolfsburg. Damals galt Felix eher als Mitbringsel zum älteren Bruder Lukas, der ebenfalls zu den Wölfen wechselte. All zu hoch gehandelt wurde der 1,90 Meter große Mittelfeldspieler damals nicht.
In seiner ersten Bundesliga-Saison kam Nmecha immerhin auf 16 Liga-Einsätze (eine Vorlage). Dabei stand er allerdings nur einmal in der Startelf, ansonsten wurde er ausschließlich als Joker gebracht. In der abgelaufenen Spielzeit stand Nmecha dann schon in 30 von 34 Spielen auf dem Platz (drei Tore, sechs Vorlagen). 19 Mal durfte er von Beginn an ran. Eine Entwicklung, die ihm Ende März das Debüt in der deutschen A-Nationalmannschaft bescherte.
Und die in Dortmund die Idee reifen ließ, dass Felix Nmecha der passende Nachfolger von Jude Bellingham sein könnte. Vor allem Trainer Edin Terzic soll ein großer Befürworter des 22-Jährigen sein. Nmechas Marktwert erhöhte sich im Verlauf der letzten 13 Monate von geschätzen zwei auf 15 Millionen Euro.
Mit einer Ablöse in Höhe von 30 Millionen Euro zahlt der BVB für ihn dennoch einen hohen Preis. Sportlich bleibt trotz der jüngsten Entwicklung nur eine kleine Bewertungsmarge. Die BVB-Verantwortlichen setzen viel mehr darauf, dass Nmecha seine Entwicklung in Schwarzgelb fortsetzen und bei der Borussia zu einem Topspieler heranreifen kann.
Felix Nmecha: Die Umstände potenzieren das Risiko für den BVB
Potenzial dafür ist sicherlich vorhanden. Nmecha ist körperlich stark, verfügt über eine gute Dynamik und Schnelligkeit und hat dazu technische Klasse. Die Bellingham-Fußstapfen sind dennoch riesig, der Druck, der von Beginn auf seinen (und auch Terzic') Schultern lastet, ist enorm.
Erschwert wird dieser von den Umständen des Transfers. Die diesen noch mehr zum Risiko machen als die sportliche Ausgangslage. Denn Nmecha fiel auf Social Media negativ aus. Der streng gläubige Christ teilte Posts, die als homophob und queer-feindlich eingestuft werden können.
Eben jener Umstand führte im Dortmunder Fanlager zu massiver Kritik. Vor der BVB-Geschäftsstelle prangte zuletzt ein Banner. "Null Toleranz für Intoleranz. Werte sind nicht verhandelbar" - war darauf zu lesen. Die Botschaft war klar: Die Ansichten von Felix Nmecha passen nicht zum Wertekodex des Klubs. Einige waren der Meinung, dass der BVB mit diesem Transfer zeige, dass die Umsetzung der Werte nur dann stattfinde, wenn es auch passt und nicht unangenehm wird.
Unangenehm wurde es vor Abschluss des Deals. Und könnte es - zumindest zunächst - auch weiterhin werden. Die BVB-Bosse trafen sich im Vorfeld des Transfers mit Nmecha. Dabei habe er glaubhaft versichert, dass er kein homophobes oder queer-feindliches Gedankengut teile, hieß es im Anschluss. In einem Statement auf seinen Social-Media-Kanälen bezog der 22-Jährige ebenfalls Stellung:
"Auf meinem bisherigen Weg als Fußballer habe ich Menschen mit den unterschiedlichsten Hintergründen, Ethnien und Überzeugungen kennengelernt. Es ist wichtig, dass ich deutlich mache, dass ich die Menschen wirklich liebe und sie nicht diskriminiere. Ich habe die Liebe von Jesus auf eine Weise kennengelernt, die Barrieren und Grenzen einreißt, und ich möchte das, was ich erfahren habe, leidenschaftlich gerne mit anderen teilen. Ich lerne, die gute Nachricht weiterzugeben, damit jeder die Freude, den Frieden und die Beziehung, die ich erfahren habe, verstehen und erleben kann. Gottes Liebe ist für alle da", schrieb Nmecha.
BVB-Präsident Lunow: "Mein Vertrauen hat er"
Vom Tisch war die Kritik am 22-Jährigen damit aber nicht. Beim BVB bemühte man sich nach dem beschlossenen Transfer deutlich zu machen, dass man keine Zweifel am Charakter und der Gesinnung des Neuzugangs habe.
"Auch ich hatte deshalb zunächst große Bedenken, ob er die Werte unserer Borussia teilt. Aus diesem Grund war es für mich wichtig, ihn persönlich kennenzulernen. Im direkten Gespräch, das ich zusammen mit Aki Watzke mit ihm geführt habe, hat er mir glaubwürdig versichert, dass er die Werte unseres Grundwertekodex teilt und danach handeln wird", schrieb BVB-Präsident Dr. Reinhold Lunow auf Twitter.
Lunow hielt dabei auch fesst, dass Nmecha "sich angesichts der Kritik im Vorfeld des Transfers bei vielen Schwarzgelben noch Vertrauen erarbeiten" müsse. "Mein Vertrauen hat er", betonte der 69-Jährige.
Auch Nmecha äußerte sich nach der Verkündung des Transfers noch einmal zu diesem Thema. "Ein paar Sachen waren aus dem Zusammenhang gerissen. Ich bin natürlich Christ, aber ich liebe alle Leute, ich diskriminiere nicht", hielt er fest. Er hoffe, die Fans geben ihm die Chance, "mich einfach kennenzulernen, und sehen, dass ich ein hoffentlich toller Mensch bin".
Kann Nmecha Zweifel & Kritik verstummen lassen?
Das zu beweisen liegt in Zukunft vor allem an Felix Nmecha selbst. Von ähnlichen Reposts wie in der Vergangenheit muss er absehen, ansonsten könnte die Situation eskalieren. Dass sein Verhalten auf Social Media maximal unglücklich war, dürfte der 22-Jährige mittlerweile aber selbst realisiert haben.
Am Ende wird es auch darauf ankommen, wie Nmecha sportlich funktioniert. Kann er die in ihn gesetzten Hoffnungen erfüllen, könnten die Diskussionen um ihn zumindest in den Hintergrund rücken und irgendwann vergessen werden. Dass ihm das gelingt, liegt vor allem daran, ob er seine steile Entwicklung der letzten Monate weiter so steil fortsetzen kann. Sportlich sind die Bellingham-Fußstapfen eben riesig.
Nmecha und der BVB - es ist und bleibt ein riskantes Unterfangen.
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