Der FC Sevilla - oder Mr.100 % in Sachen europäisches Halbfinale!
Von Guido Müller

Ein Viertelfinale im Europapokal der Landesmeister (dem Vorgänger-Wettbewerb der heutigen Champions League) im Jahr 1958, drei Achtelfinals im UEFA-Cup (1982, 1995 und 2004) - das waren sie auch schon, die internationalen Höhepunkte des FC Sevilla in mehr als fünf Jahrzehnten Europacup-Historie. Doch mit der Saison 2005/06, in der den Andalusiern der erstmalige Triumph im UEFA-Pokal gelang, hat sich das Bild gewaltig gewandelt. Was Halbfinals betrifft, sind die Sevillanos seitdem die Hundertprozentigen.
Denn Halbfinale, in die sie einziehen, sind Halbfinale, die sie siegreich überstehen. Mit dem Semifinale am Sonntagabend gegen Manchester United (2:1) haben die Südspanier ihre beeindruckende Serie, die vor vierzehn Jahren begann, weiter ausgebaut. Sechs Halbfinalteilnahmen = sechs Einzüge ins Finale. Und damit nicht genug: jedes der bisherigen fünf Endspiele konnten sie überdies auch noch gewinnen. Kein Zweifel: der FC Sevilla ist der "Mr 100%" der Vorschlussrunden. Da kann selbst ein Inter Mailand (Gegner am kommenden Freitag, 21.00 Uhr) nicht mithalten. Wobei zu dessen Ehrenrettung gesagt sei, dass es im oben beschriebenen Zeitraum, also zwischen den fünfziger Jahren des Vorjahrhunderts und der zweiten Dekade des aktuellen, weitaus erfolgreicher unterwegs war als die Andalusier.
Puerta erlöst den FC Sevilla im dramatischen Halbfinale gegen Schalke
Es begann also alles mit der Spielzeit, der sich das "Sommermärchen 2006" anschloss. Fast eineinhalb Jahrzehnte ist das schon wieder her. Im Fußball quasi eine ganze Generation. Die unsichtbare Barriere zwischen Achtel- und Viertelfinale übersprangen die Spanier damals gegen die unangenehmen Franzosen vom OSC Lille. Eine 0:1-Hinspielniederlage wurde mit einem 2:0 vor heimischem Publikum im Estadio Sánchez Pizjuán wettgemacht. Bemerkenswerterweise hatten die Sevillanos im Viertelfinale (gegen Zenit St.Petersburg) weitaus weniger Mühe (4:1, 1:1) und fanden sich somit zum ersten Mal unter den letzten Vier eines europäischen Wettbewerbs wieder. Gegner war der FC Schalke. Und es wurde eine zähe Angelegenheit. Nach insgesamt 180 Minuten hatte immer noch keine der beiden Mannschaften ein Tor erzielt. Doch in der 191. erlöste dann der im Jahr 2007 - und viel zu früh - verstorbene Antonio Puerta die 47.000 Zuschauer in der heimischen Arena. Das Finale gegen Middlesbrough (4:0) geriet im Vergleich dazu zum Spaziergang.
Ein Jahr später, im Frühjahr 2007, standen die Andalusier wieder in der Runde der letzten Vier. Im spanisch-spanischen Duell gegen den CA Osasuna war Ausgeglichenheit das charakteristische Element. Die Navarros gewannen das Hinspiel 1:0, unterlagen jedoch in Sevilla mit 0:2. Da Espanyol sein Semi-Finale gegen Werder Bremen gewinnen konnte, stand ein weiteres rein spanisches Duell im Finale an. Zweimal konnten die Katalanen die Führung der Südspanier ausgleichen - mussten am Ende aber im Elfmeterschießen die Segel streichen. Der FC Sevilla, zuvor mehr als ein halbes Jahrhundert unter ferner liefen registriert, hatte sich binnen zwei Jahren unsterblich in Europa gemacht. Doch das sollte erst der Anfang sein.
In der Spielzeit 2013/14, der UEFA-Cup hieß mittlerweile Europa League, bewies der Fußball-Gott Humor. Denn zum dritten Mal in Folge erwischte den FC Sevilla das Los eines Rivalen aus Spanien. Der FC Valencia, selbst kein Unbekannter auf diesem Terrain, schien am Ende auch zu stark zu sein. Bis tief in die Nachspielzeit führten die Ché im Rückspiel mit 3:0, hatten somit das 0:2 vom Hinspiel in Sevilla wettgemacht. Doch dann schlug die Stunde von Stéphane M'Bia - sein Tor in der 93. Minute öffnete sämtliche Schleusen der Freude bei den Seinen - und stürzte die Levantiner in tiefste Depressionen. Wieder einmal hatte der FC Sevilla ein Halbfinale erfolgreich bestritten. Das Finale gewannen sie dann auch noch, wenn auch erst im Elfmeterschießen, gegen Benfica Lissabon. Aber das war ja seit Guttmanns Prophezeiung 52 Jahr zuvor sowie klar.
Der vierte Titel im vierten Finale
In der folgenden Saison war es dann endlich mal kein nationales Bruderduell, das dem FC Sevilla im Halbfinale zugelost wurde. Mit dem AC Florenz wartete aber ein nicht weniger unangenehmer Gegner. Um so überraschender, wie deutlich sich der spanische Titelverteidiger am Ende durchsetzte (2:0, 3:0). Im Finale gegen die Ukrainer aus Djnepropetrowsk musste der FC dann deutlich mehr schwitzen, um sich am Ende mit 3:2 durchzusetzen. Nach dem UEFA-Cup hatte der FC Sevilla nun auch die Europa League erfolgreich verteidigen können. Insgesamt vier Titel in vier Finals binnen neun Jahren - eine mehr als stolze Bilanz. Doch noch waren sie nicht satt, die Sevillaner...
Wieder eine Umdrehung der Erde um die Sonne später standen sie erneut im Semifinale. Gegen das damals schon von Brasilianern geprägte Schachtar Donezk setzte sich der FC Sevilla souverän mit 2:2 und 3:1 durch. Im Finale wartete mit dem von Jürgen Klopp trainierten FC Liverpool ein echter Brocken. Der im Finale zu Basel sogar in Führung ging. Doch kurz nach der Pause glich Sevilla aus und nutzte die kurzzeitige Konfusion der Reds zu zwei weiteren Toren. Am Ende stand es 3:1. Der FC Sevilla hatte den Europa-League-Hattrick, und den insgesamt fünften Triumph in diesem Wettbewerb, geschafft. Keiner hat den riesenhaften Pokal öfter gewinnen können.
Macht der FC Sevilla am Freitag das halbe Dutzend voll?
Mit dem Halbfinale vom vergangenen Sonntag gegen die Red Devils hat der FC Sevilla die eine Story, die der Unbezwingbarkeit in einer europäischen Vorschlussrunde, weitergeschrieben. Doch wer diesen Klub kennt, weiß, dass er es dabei nicht bewenden lassen will. Gegen Inter Mailand soll am kommenden Freitag der sechste Sieg im sechsten Finale folgen. Man traut es ihnen ohne weiteres zu.