Der FC Bayern ist das Maß aller Dinge - doch die Transferpolitik gibt Anlass zur Sorge
Von Oscar Nolte
Amtierender Triple-Sieger, Tabellenführer in der Bundesliga - der FC Bayern ist und bleibt das Maß aller Dinge. Mittelfristig könnte der Rekordmeister aber gravierende Probleme kriegen. Denn: die Transferpolitik ist alles andere als meisterlich und eben nicht, wie erhofft, nachhaltig. Der Blick in die Kristallkugel, wenn Manuel Neuer, Robert Lewandowski und Co. ihren Zenit überschritten haben, ist beunruhigend.
Ja, der FC Bayern hatte in den vergangenen Monaten auch allzu menschliche Probleme. Verletzungen und individuelle Formlöcher warfen die Frage nach der Breite des Kaders auf. Das Ausscheiden im DFB-Pokal und haarsträubende Niederlagen in der Liga ließen an der Dominanz zweifeln. Schließlich kriegen die Bayern aber immer irgendwie die Kurve - weil der Verein und die Mannschaft im Kern einfach so zuverlässig funktionieren wie ein schweizer Uhrwerk.
Böse Zungen finden allerdings durchaus einen Bereich, in dem der Rekordmeister der Konkurrenz hinterherhinkt: die Transferpolitik. Teure Fehleinschätzungen und fehlende Kompetenzen bei Sportvorstand Hasan Salihamidzic lassen entschieden daran zweifeln, ob sich die Dominanz des FCB auch in den nächsten Jahren so nahtlos fortführen wird.
Hasan Salihamidzic hat eine Vorliebe für Fettnäpfchen
Zur Causa Salihamidzic. Brazzo wird seit jeher von Uli Hoeneß und Karl-Heinz Rummenigge in Watte gepackt; seine wertvolle Arbeit wird von den Bayern-Bossen stets hervorgehoben. Was Salihamidzic hinter den Kulissen leistet, lässt sich nicht bewerten. Seine Entscheidungen und öffentliche Kommunikation sind teilweise aber haarsträubend.
Zuletzt untergrub Salihamidzic Hansi Flicks Autorität durch einen öffentlichen Flirt mit Leipzig-Trainer Julian Nagelsmann. Unvergessen sind auch seine Aussagen zu Callum Hudson-Odoi: seinerzeit verkündete Brazzo den Transfer des jungen Engländers im ZDF quasi als eingetütet, zustande kam er aber nicht - und der FC Bayern bekam massive Probleme mit der Kaderplanung für die Saison.
In dieser Phase tätigte Salihamidzic dann einige Notnagel-Transfers: Philippe Coutinho wurde beispielsweise für teuer Geld aus Barcelona ausgeliehen. Seine Bilanz: nun, ja. Auch das Projekt Jugend forscht an der Säbener Straße verlief sich schnell im Sand: die Transfers von Fiete Arp, Alexander Nübel oder Mickael Cuisance können mittlerweile nur belächelt werden.
Wer diese Kaderleichen als Peanuts abtut, darf gerne auch einen Blick ins obere, ja sogar ins oberste Regal werfen. Die 80 Millionen Euro (Gehalt nicht inbegriffen) für Lucas Hernandez und 45 Millionen Euro für Leroy Sane sind finanzielle Posten, die sich bisher nicht wirklich ausgezahlt haben. Hernandez und Sane sind gute Spieler, die sicher noch nicht am Leistungsmaximum performt haben. Bei solchen Transfersummen erwartet man aber Volltreffer - keine Optionen von der Bank. Auch die 35 Millionen Euro für Benjamin Pavard werden beim FC Bayern sicher nicht mehr als Schnäppchen bejubelt.
Die Liste lässt sich mühelos fortsetzen: Marc Roca, Bouna Sarr, Alvaro Odriozola, Douglas Costa, Adrian Fein, Eric-Maxim Choupo-Moting - allesamt Spieler ohne Rolle und ohne wirkliche Perspektive.
Wirklich funktioniert haben von Salihamidzic' Projekten nur Alphonso Davies, Leon Goretzka und Ivan Perisic (war letzte Saison von Inter Mailand ausgeliehen). Für diese Transfers darf sich Brazzo durchaus auf die Schulter klopfen, in Summe ist das aber zu wenig. Viel zu wenig. In den vergangenen Jahren wurde beim Rekordmeister bemerkenswert viel Geld verbrannt; dass selbst in Corona-Zeiten noch immer 45-Millionen-Transfers für die Bayern möglich sind zeigt, wie groß die Reserven sind - oder waren.
Das Gerüst der Zukunft steht beim FC Bayern nicht
Mit Leon Goretzka, Joshua Kimmich und Serge Gnabry - es bleibt abzuwarten, ob Sane leistungstechnisch zu dem Trio aufschließen kann - stehen in den Reihen des FC Bayern nur drei tatsächliche Stützen, die noch keine 30 Jahre alt sind. Aus der Jugend kommt zu wenig Qualität nach, mittelfristig müssen Lewandowski, Müller, Neuer und Co. auf dem Transfermarkt kompensiert werden. Die Verpflichtung von Dayot Upamecano liest sich vielversprechend, der Franzose ist mit 42 Millionen Euro Ablöse in aktuellen Zeiten aber auch sündhaft teuer. Zumal Upamecano keine Ergänzung ist, sondern den ablösefreien Abschied von David Alaba auffangen soll.
Aktuell können sich alle, die es mit dem FCB halten, getrost zurück lehnen: trotz DFB-Pokal-Aus könnte die Saison wieder rekordverdächtig gut enden. Der Zukunft an der Säbener Straße darf allerdings durchaus sorgenvoll entgegengeblickt werden, denn in Sachen Transferpolitik agieren die verantwortlichen Operatoren alles andere als meisterlich.