Der Fall Marco Rose - Teil 1: Max Eberl
Von Christian Gaul
Nachdem sich die Borussia nun offiziell zur Zukunft des Cheftrainers Marco Rose äußerte, kann der in den letzten Tagen ausufernden Diskussion um die Beweggründe Roses und die sportliche Zukunft in Gladbach endlich mit der nötigen Sachlichkeit begegnet werden. Um dem komplexen Thema gerecht zu werden, muss man dabei die einzelnen Akteure ausführlich beleuchten.
Im ersten Teil unserer kleinen Serie widmen wir uns dem Gladbacher Sportdirektor Max Eberl, der einmal mehr beweist, wie sehr er die Interessen und Werte der Borussia verkörpert.
Auf der Pressekonferenz am Mittwoch räumte Max Eberl mit den kursierenden Gerüchten um die angeblich hektischen internen Abläufe der letzten Tage auf, die von einem Zoff zwischen Rose mit einigen Spielern und einer sofortigen Freistellung Roses aufgrund eines Disputes mit Eberl berichteten.
"Es sind alles Lügen, die ich an der Stelle revidieren möchte. Der Ablauf war ganz normal, die Mannschaft und der Staff wurden informiert und alle haben es mannhaft zur Kenntnis genommen. Es gab keine Auseinandersetzungen und keine Wortgefechte. Ich bin schon etwas schockiert, wie man heutzutage dumpf und dumm irgendwelche Kommentare in den sozialen Medien verbreitet und der Journalismus dann solche Themen aufgreift und als Wahrheit verbreitet. Das ist eine Thematik, die die heutige Gesellschaft betrifft, dass irgendwelche Dumpfbacken Lügen verbreiten und diese dann an die Öffentlichkeit als Wahrheit weiterverkauft werden. Es entsteht Wut, Hass und Zorn aufgrund von Aussagen, die nicht der Wahrheit entsprechen", führte Eberl aus.
Zudem wollte Eberl erneut bekräftigen, dass er es das mangelnde Vertrauen in die Handlungen und Aussagen der Gladbacher Verantwortlichen unverständlich findet. "Ich bin jetzt 21 Jahre hier und wir haben schon sehr viele Krisen meistern müssen. Man hat sie auch gemeistert, aber immer zusammen. Borussia Mönchengladbach ist besonders. Jedes Mal haben wir es geschafft, mit unserer Transparenz und unserer Glaubwürdigkeit diese Situationen zu lösen", so Eberl.
Letztlich ist es müßig, darüber zu spekulieren, was in den letzten Tagen in den Kabinen und Büroräumen der Borussia ablief. Einerseits ist es völlig unvorstellbar, dass Eberl aus allen Wolken fiel, als Rose ihm die Entscheidung pro Dortmund "spontan" mitteilte. Genauso kann man davon ausgehen, dass nicht alle Spieler wort- und emotionslos mit der Entscheidung Roses umgingen.
Doch unabhängig davon brachte Eberl es mit klaren Worten auf den Punkt, worum es jetzt gehen muss:
"Ich hoffe, es kehrt jetzt Ruhe ein. Wir wollen in der Liga noch so viele Punkte wie möglich holen und in den Pokalwettbewerben so weit wie möglich kommen - scheißegal, wo Marco ab dem Sommer sein wird."
Nicht nur mit dieser Aussage Eberls wurde deutlich, dass sich der Gladbacher Sportdirektor klar vor seinen aktuellen Cheftrainer stellt und im Besonderen die Interessen des Klubs immer wichtiger als die Interessen einzelner Akteure wertet.
Eberl "opfert" sich nicht für Rose, sondern für die Borussia
Die unklaren Aussagen zu Roses Zukunft in den letzten Wochen beruhen schließlich darauf, dass es während einer laufenden Verhandlung mehr als selten zu transparenten Stellungnahmen kommen darf. Auch wenn besonders Rose selbst sicherlich keine gute Figur in einigen Interviews abgab, muss man Eberls "99/98-Prozent-Aussage" einfach als geschäftstypisches Handeln hinnehmen, anstatt dem Gladbacher Macher deshalb der Lüge oder der Verschleierung zu bezichtigen.
Eberls Größe wurde verstärkt deutlich, als er einerseits darauf verwies, dass die "Entscheidungen immer im Sinne des Vereins getroffen" werden und dass die Borussia ihren handelnden Personen vertraut.
"Ich verstehe, dass einige Menschen enttäuscht sind, dass Marco eine Entscheidung getroffen hat, die er treffen darf. Im Grunde müssten die Fans auf mich sauer sein, weil ich diese Klausel akzeptiert habe. Aber anders hätte ich Marco damals nicht bekommen", verkörperte Eberl doch zudem die Prämisse des Vereins:
"Der Klub vertraut den Menschen, die er eingestellt hat. Ich werde mich immer vor diese Personen stellen."
Allerdings muss man berücksichtigen, dass Eberl damit nicht in erster Linie den "Schutzschild" für Rose mimen wollte, um sich selbst - anstelle des Trainers - freiwillig für die entstandene Dramatik zu verantworten. Vielmehr sorgte er damit für eine erhöhte Glaubwürdigkeit im Bezug auf die Werte der Borussia, was im Hinblick auf die Kontinuität und die anstehenden Gespräche mit potenziellen Trainern und Spielern ein Faustpfand werden kann.
Denn Eberls Umgang mit der aktuellen Situation wird nicht nur Rose das Gefühl geben, einen exzellenten Partner zu verlassen, sondern auch potenzielle Nachfolger beeindrucken. Der Gladbacher Sportdirektor agiert momentan nachvollziehbar deeskalierend, zeitgleich jedoch auch ungewohnt abgeklärt, was für die Borussia nur förderlich sein kann. Denn der eingeschlagene Weg verlangt auch von Eberl selbst eine gewisse Anpassung an die neuen Umstände.
Die Luft wird dünner - Anpassungen sind unabdingbar
Als Max Eberl im Frühjahr 2019 verkündete, den verdienten Trainer Dieter Hecking durch den "Erfolgsgaranten" Marco Rose zu ersetzen, wollte er damit die nächste Phase in der Entwicklung der Borussia einleiten.
Denn nach dem fabelhaften Aufstieg unter Lucien Favre und dem folgenden Fiasko seines Abgangs, verglühte Andre Schubert dermaßen schnell, dass mit Dieter Hecking ein erfahrener Mann benötigt wurde, um die Mannschaft wieder zu stabilisieren.
Hecking erfüllte seine Aufgabe mit Bravour und wurde dann durch Marco Rose ersetzt, der zu diesem Zeitpunkt wegen einer Ausstiegsklausel verfügbar war. Wieso kann man nicht annehmen, dass Eberl diesen bewusst getätigten Schritt auch mit der Überzeugung getan hat, dass Rose selbst bei verkürztem Engagement besser für die Entwicklung des Klubs ist, als ein langfristig verwaltender Hecking?
Die von Eberl genehmigte Klausel in Roses Vertrag wird der Sportdirektor mit Sicherheit nicht als unbedeutendes Zugeständnis eingeordnet haben. Vielmehr war er bereit, dieses Risiko in Kauf zu nehmen. Denn sollte Rose seine Klausel aktivieren, würde dies eine überaus erfolgreiche Zusammenarbeit für zwei Jahre bedeuten - eine Art Testlauf für die zu erwartenden Probleme und Vorzüge, wenn die Borussia dauerhaft ganz oben mitspielen sollte.
Dass es nun tatsächlich dazu gekommen ist, ist natürlich schade. Jedoch wird Eberl für diesen Ernstfall gewappnet sein. "Die handelnden Personen sind vergänglich, der Klub ist es nicht. Im Sommer werden uns, wie so oft, Protagonisten verlassen und es werden neue Protagonisten kommen", bekräftigte Eberl.
Eberl und sein Team werden den eingeschlagenen Weg fortsetzen und die aktuelle Situation um Rose macht deutlich, inwiefern man sich in und um Gladbach an die neuen Gegebenheiten anpassen muss. Je weiter nach oben die Borussia strebt, umso dünner wird die Luft. Wenn die Fans eine erfolgreiche Mannschaft sehen wollen, dann müssen Worte wie "Ausstiegsklausel", "Söldnermentalität" oder "Fußballgeschäft" dringendst als notwendig in den Sprachgebrauch aufgenommen werden.
Dabei kann und wird die Borussia ihre menschlichen Werte nicht verraten, jedoch bedarf es einer leichten Anpassung. Die Alternativen wären pure Naivität und die zurecht eingestampfte "Wohlfühl-Oase" - reine Tradition kann man sich gerne in Kaiserslautern, Braunschweig oder Essen anschauen.
Die derzeitige Krise verdeutlicht, dass alle Beteiligten sich strecken müssen, um mit dem gewünschten wie unerwartet schnellen Aufstieg der Borussia Schritt zu halten. Max Eberl darf dabei sicherlich vertraut werden, der Gladbacher Macher wird gestärkt aus der Situation hervorgehen und auch in Zukunft alles für den Verein geben.