Der BVB und das Can-Problem
Von Simon Zimmermann
Im Winter hat sich Borussia Dortmund verstärkt. Auf dem Platz mit den Leihgaben Jadon Sancho und Ian Maatsen - vor allem aber auch auf der Trainerbank. Mit Nuri Sahin und Sven Bender kehrten zwei Spieler-Legenden zu Schwarzgelb zurück, die Chefcoach Edin Terzic als Assistenten zur Seite stehen sollen.
Vor allem Sahin, zuvor Cheftrainer in der Süper Lig bei Antalyaspor, wird von vielen in Dortmund als künftiger Chefcoach gesehen.
Die beiden sollen mithelfen, den BVB wieder erfolgreicher spielen zu lassen. Besonders im Fokus dabei: das Spiel mit dem Ball. Die Borussia tat sich in der ersten Saisonhälfte extrem schwer mit dem eigenen Ballvortrag. Die Abgänge von Jude Bellingham im Mittelfeld und von Raphael Guerreiro auf der linken Seite waren deutlich zu merken. Nachgelegt hatte der BVB im Sommer mit Ramy Bensebaini, Marcel Sabitzer und Felix Nmecha. Allesamt Spielertypen, die nicht unbedingt durch ihre Fähigkeiten im Spielaufbau berühmt sind.
Schwierigkeiten mit dem Ball: Emre Can als Schlüsselspieler
Der Plan von Edin Terzic war klar: Emre Can sollte als neuer Kapitän und Mittelfeld-Leader auf der Sechs nicht nur vorangehen, sondern auch Eckpfeiler im Spiel sein. Dafür legte der BVB-Coach offenbar auch sein Veto bei der geplanten Verpflichtung von Edson Alvarez ein.
Aufgegangen ist das bislang sehr bedingt. Der BVB tut sich enorm schwer mit dem eigenen Ballvortrag. Das hat sich seit der Winterpause auch nicht deutlich geändert. Zwar stimmen 2024 die Ergebnisse größtenteils (vier Siege, zwei Remis in der Bundesliga, 1:1 im Achtelfinal-Hinspiel der Champions League gegen PSV), der schwarzgelbe Fußball ist dennoch selten schön anzusehen.
Neue Idee im Spielaufbau
Mit Sahin und Bender sowie dem neuen Linksverteidiger Maatsen hat sich die Idee im Aufbau verändert. Der BVB setzt meist auf einen sog. 3-2-Aufbau, bei dem sich Can zwischen die Innenverteidiger fallen lässt und Maatsen als zweiter zentraler Mittelfeldspieler ins Zentrum rückt. Auf der rechten Seite soll der Außenverteidiger weiter nach vorne schieben.
Hier und da trug die neue Idee auch schon Früchte. Häufig genug bleibt sie aber auch wirkungslos. Deutlich sichtbar beim schmeichelhaften 0:0 in Heidenheim, zuletzt auch in Wolfsburg und in Eindhoven.
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Das liegt eher nicht an der Spielidee selbst, sondern mehr am Personal. Emre Can ist dabei einer der Schlüsselspieler. Der BVB-Kapitän beweist in dieser Saison, dass Passspiel und strategische Fähigkeiten einfach so überhaupt nicht zu seinen Stärken zählen. Cans Pässe gehen meist nur quer oder nach hinten (Dortmunds Torhüter haben mit 50 Ballkontakten die meisten in der Bundesliga pro Spiel. Bayer-Keeper Hradecky im Vergleich im Schnitt 30). Will Can dann mal nach vorne passen, ist seine Quote mies. 30,1 Prozent seiner Pässe ins Angriffsdrittel gehen schief. Auch hier der Vergleich zu Leverkusen und deren Mittelfeldchef Granit Xhaka: Der Schweizer bringt vier von fünf Pässen ins Angriffsdrittel an den Mitspieler.
Häufig schafft es der BVB so erst gar nicht, kontrolliert ins Mittelfeld zu spielen, wo sich die offensiveren Spieler mit dem Blick zum gegnerischen Tor aufdrehen können. Viel zu selten schafft man dadurch auch die berühmten Anspiele zwischen die Linien (zwischen gegnerisches Mittelfeld und Abwehr) oder kreiert Eins-gegen-Eins-Situationen auf dem Flügel.
In Eindhoven wurde das Problem einmal mehr deutlich. Gegen das PSV-Pressing hatte der BVB wenig spielerische Mittel entgegenzusetzen. Vor allem in der zweiten Hälfte ging der Ball entweder zu Schlotterbeck oder zu Maatsen, die sich nur noch mit einem langen Ball zu helfen wussten.
Gelangen doch mal Anspiele ins Mittelfeld, war der Druck auf den Ballführenden so hoch, dass die Kugel gleich wieder weg war. Die insgesamt schwache Passquote tat ihr Übriges dazu (75 Prozent). Auch das ist ein Problem, das sich durch die Saison zieht.
Besserung in Sicht?
Und so bleibt vieles häufig Stückwerk im BVB-Ballvortrag. Dass liegt zum einem großen Teil an der Rolle von Can als zentralen Spieler, für die er einfach nicht gemacht ist. Zum anderen auch an den anderen, etwas offensiver ausgerichteten Mittelfeldspielern. Marcel Sabitzer hat zwar starke Qualitäten, der Ballvortrag gehört aber nicht dazu. Der Österreicher bräuchte neben sich vielmehr einen ballsicheren Strategen - eine Tatsache, die auch für Can und mit Abstrichen auch für Nmecha gilt.
Die Alternative zu Can im BVB-Kader heißt allerdings Salih Özcan. So engagiert dieser auch sein mag, die Qualitäten, um das BVB-Spiel anzuleiten hat auch er nicht. Deshalb ist kaum anzunehmen, dass sich das Dortmunder Angriffspiel bis Saisonende nochmals deutlich verbessert. Die guten Ergebnisse muss man bis dahin mit anderen Qualitäten einfahren. Im Sommer braucht es in der Schaltzentrale aber einen Umbruch - und zwar in Form eines neuen, spielstarken Aufbauspielers.
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