Der BVB nach dem Bayern-Debakel: Verkriechen geht jetzt nicht
Von Oscar Nolte
Borussia Dortmund hat mal wieder ein mutloses Debakel in München erlebt. Der daraus entstehende Sog ist ebenso groß wie verführerisch: man mag den schwarz-gelben Kopf in den Sand stecken und die ganze Welt als ungerecht empfinden. Verkriechen ist jetzt aber nicht - das ist sich der BVB selber schuldig.
Es gab Zeiten, in denen hat sich der BVB in München nicht einfach wehrlos verprügeln lassen. An die jüngeren Leser und Leserinnen: das ist ein paar Jährchen her, damals war noch ein gewisser Thomas Tuchel Trainer in Dortmund. Und noch ein wenig mehr Wasser den Fluss hinunter gab es sogar eine Zeit, da hat der BVB die Bayern - sogar in München - regelmäßig düpiert. Das war in den goldenen Zeiten, in denen mal nicht der FC Bayern Meister wurde.
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Nunja, hier sind wir wieder: als Tabellenführer und mit einer unglaublichen Rückrunden-Serie ist der BVB mit breitester Brust nach München gefahren. Nach 15 Minuten war klar, dass das heute nichts wird; nach 30 Minuten war die Meisterschaft entschieden; und zur Halbzeit wollte ganz Dortmund sich nur noch verkriechen und den Fußball einfach Fußball sein lassen. Am Ende stand's 4:2 für den Rekordmeister, standesgemäß wäre ein 8:0 gewesen.
Die 'Alles-ist-Scheiße'-Nummer - angefangen beim Trainer, über die Kaderplaner bis hin zur DFL - muss man sich beim BVB jetzt aber sparen, so verführerisch sie auch ist. Denn trotz des liebevollen Tritts in den Hintern in München gilt es noch um zwei Titel zu spielen und weiter an dem Fundament zu arbeiten, das mittelfristig wieder zu einer Art Augenhöhe mit dem FC Bayern führen soll.
Das nächste große Spiel steht vor der Tür
Dieses Fundament steht auf noch jungen Beinen, die mehr arbeiten als zaubern wollen. Unter Sportdirektor Sebastian Kehl und Cheftrainer Edin Terzic will Borussia Dortmund wieder versierten Arbeiterfußball spielen, will Kompaktheit gegen Augenschmaus und Stabilität gegen Wankelmut eintauschen. Dafür darf der BVB solche Spiele gegen den FC Bayern nicht mehr abschenken - und schon gar nicht darf die Mannschaft den Kopf jetzt hängen lassen.
Am Mittwoch wartet nämlich das DFB-Pokalviertelfinale auf den BVB. Gegen RB Leipzig droht die Borussia eine eigentlich vielversprechende, von Entwicklungen geprägte Saison komplett zu verspielen. Dass der BVB das gesamte Jahr in nur drei Spielen (CL-Rückspiel gegen Chelsea, der Klassiker gegen die Bayern und nun das Pokal-Spiel gegen Leipzig) abzuschenken droht, gehört einer Mentalität an, für die das aktuelle Konstrukt überhaupt nicht mehr stehen möchte.
Der BVB muss diese Saison gut zu Ende bringen
Und so schwer es auch ist, sich als Dortmunder darauf einzulassen: die Meisterschaft ist tatsächlich noch nicht verloren. Klar, am Ende machen's eh die Bayern. Aber zwei Punkte sind zwei Punkte und wer Titel gewinnen will, der muss auch bis zuletzt dran glauben.
Das ist jetzt die tonnenschwere Aufgabe, die der BVB vor der Brust hat: trotz der Ungerechtigkeit, trotz der Redundanz ständig unterlegen zu sein, trotz des Sogs, der gerade zu spüren ist, muss die Mannschaft sich jetzt aufraffen, sich den Mund abputzen und gegen Leipzig zurück in die Erfolgsspur finden. Wenn der BVB diese Saison gut zu Ende bringt - Titel hin oder her -, dann könnte das Fundament geschaffen sein, um mit Edin Terzic und Sebastian Kehl - mit der Philosophie, die die Verantwortlichen etablieren wollen - langfristig etwas auf die Beine zu stellen.
Ein Pokalfinale (vielleicht sogar ein Pokalsieg), ein souveräner zweiter Platz in der Liga und eine neue Mentalität, die durch den Sieges- und Kampfwillen entstanden ist, den der BVB in der Rückrunde über weite Strecken gezeigt hat - das alles könnte zu einer Aufbruchsstimmung führen, die endlich mal wieder Schwung in die Dortmunder Kiste bringen würde. Man möge es sich nur mal vorstellen: ein Sommer ohne kompletten Neuanfang beim BVB!
Wenn der BVB den Kopf jetzt aber in den Sand steckt, sich auch von Leipzig verprügeln lässt und sich am 34. Spieltag noch irgendwie in die Champions League mogelt, dann fängt man im Sommer wieder bei Null an. Und eben das ist die Redundanz, auf die nun wirklich niemand mehr Lust hat. Also, Borussia Dortmund: strafft euch! Ihr seid es euch selber schuldig.