Debütanten in der Europa League: Granada setzt spanische Tradition fort
Von Guido Müller
Nach der 0:2-Niederlage im heimischen Estadio Nuevo de los Cármenes gegen Manchester United im Hinspiel des Europa-League-Viertelfinales steht der FC Granada vor dem Aus im internationalen Geschäft. Dennoch haben die Andalusier bei ihrem europäischen Debüt mehr als überzeugen können. Das hat bei spanischen Europapokal-Debütanten in diesem Jahrtausend fast schon Tradition. Im Gegensatz zu den Debütanten aus der Bundesliga.
Acht spanische Debütanten in Europa in diesem Jahrtausend
Denn seit der Jahrtausendwende vor etwas mehr als 21 Jahren haben insgesamt acht Mannschaften aus der spanischen Primera División in Europa debütiert - und nur eine (Racing Santander in der Saison 2008/09) kam dabei nicht in die K.o.-Phase.
Unvergessen bleibt dabei natürlich der Auftritt der Basken von Deportivo Alavés, die in der Spielzeit 2000/01 sogar das Finale des damals noch UEFA-Cup genannten Wettbewerbs erreichten.
In einem denkwürdigen Finale unterlagen sie im Dortmunder Westfalenstadion auf höchst dramatische Weise (per Eigentor und gleichzeitigem Golden Goal in der Verlängerung!) gegen den FC Liverpool.
Drei Jahre später schickte sich der FC Villarreal an, ebenfalls für Furore zu sorgen. Als internationaler Neuling warfen sie nacheinander Trabzonspor, Torpedo Moskau, Galatasaray, AS Rom und Celtic Glasgow aus dem Rennen, ehe sie denkbar knapp (0:0, 0:1) im Semifinale am späteren Sieger FC Valencia scheiterten.
Nur zwei Beispiele, die von der Hegemonie der spanischen Liga auf europäischer Ebene in den letzten zwei Jahrzehnten zeugen. Tatsächlich ist Racing Santander, das in der Spielzeit 2008/09 nicht über die Gruppenphase des UEFA-Pokals hinauskam, das einzige Team, das nicht die K.o.-Runden erreichte.
Die Gruppe der Kantabrier hatte es allerdings auch in sich: mit Manchester City, Paris St. Germain, FC Schalke 04 und Twente Enschede als Kontrahenten konnte man nicht unbedingt davon ausgehen, diese Phase zu überstehen.
Ansonsten kamen alle spanischen Teams, die in diesem Jahrtausend zum ersten Mal an einem europäischen Wettbewerb teilnahmen, mindestens ins Achtelfinale.
Der kleine Madrider Stadtteil-Klub Rayo Vallecano scheiterte in der Saison 2000/01 erst im Viertelfinale des UEFA-Cups - und zwar im innerspanischen Duell am späteren Finalisten Deportivo Alavés.
Zwei Jahre später schickte sich der südspanische FC Málaga an, seine ersten Gehversuche im Konzert der Großen Europas zu machen.
Nachdem sie im Sommer 2002 den Intertoto-Pokal gewonnen hatten, was sie zur Teilnahme am UEFA-Pokal berechtigte, gelangten die boquerones über Zeljeznicar Sarajevo, Amica Wronki (Polen), Leeds United (!) und AEK Athen auf Anhieb ins Viertelfinale.
Dort jedoch unterlagen die blanquiazules (Weißblauen) dem portugiesischen Vertreter Boavista Porto denkbar knapp im Elfmeterschießen.
Luca Toni, Bayerns Retter in Getafe
Allen Fans hierzulande dürfte auch der Auftritt des FC Getafe in der Saison 2007/08 noch in guter Erinnerung sein. Bei ihrer ersten Teilnahme an einem europäischen Wettbewerb kamen sie im UEFA-Cup auf Anhieb ins Viertelfinale.
Und hatten da den großen FC Bayern München mehrfach am Rande der Niederlage. Nicht nur, dass Franck Ribéry erst in der letzten Minute des Rückspiels mit seinem Tor zum 1:1 die Verlängerung erzwang - in derselben holten die Münchener auch noch einen zwischenzeitlichen 1:3-Rückstand durch zwei späte Tore von Luca Toni auf.
Die UD Levante wiederum erreichte 2012/13 als Neuling das Achtelfinale der Europa League, wo sie dem russischen Klub Rubin Kazan den Vortritt lassen musste.
Bundesliga "nur" mit sechs Neulingen - und weitaus weniger erfolgreich
Im Gegensatz zur spanischen Liga sieht die Bilanz deutscher Europapokal-Neulinge in diesem Jahrtausend eher mau aus. Sechs Teams (Union Berlin, Alemannia Aachen, Mainz 05, FC Augsburg, TSG Hoffenheim und RB Leipzig) sind schon mal zwei weniger als die Spanier im selben Zeitraum ins Rennen schicken konnte.
Und wirklich erfolgreich waren die Sechs - mit Ausnahme vielleicht noch der Leipziger - nicht so recht. Vom Sensationsfinalisten des DFB-Pokal-Endspiels von 2001, Union Berlin, hatte das auch keiner erwartet.
Als Regionalligist für den Europapokal qualifiziert - da würde jede überstandene Runde gefeiert werden, wie die Trophäe selbst. Es reichte nach dem Auftakterfolg gegen die Finnen aus Valkeakoski am Ende nur zum Erreichen der 2. Runde, wo die Bulgaren aus Lowetsch zu stark für die tapferen Köpenicker waren.
Alemannia Aachen überstand in der Spielzeit 2004/05 zwar die 1. Runde (gegen Hafnarfjördur aus Island) sowie die anspruchsvolle Gruppenphase (mit FC Sevilla, OSC Lille, Zenit St. Petersburg und AEK Athen), schied aber in der anschließenden Zwischenrunde gegen AZ Alkmaar aus.
Nicht einmal die Gruppenphase erreichte der FSV Mainz 05 ein Jahr später. Nach zwei Quali-Runden (gegen die Armenen von MIKA Aschtarak und die Isländer aus Keflavik) war schon in Runde 1 gegen den Favoriten FC Sevilla Endstation.
Ein Jahrzehnt später, in der Spielzeit 2015/16, überstand der FC Augsburg ("In Europa kennt uns keine Sau!") auf dramatische Art und Weise (durch einen 3:1-Sieg im letzten Spiel bei Partizan Belgrad) zwar die nicht ganz leichte Gruppe L (mit Athletic Bilbao, AZ Alkmaar und Partizan), musste sich dann aber in der Zwischenrunde dem haushohen Favoriten FC Liverpool beugen.
Hoffenheims peinliches Gruppen-Aus
Dennoch schlugen sich die Fuggerstädter beim 0:0 und 0:1 gegen die Reds mehr als achtbar. Was man zwei Jahre später, 2017/18, von der TSG Hoffenheim nicht unbedingt behaupten konnte.
In einer wahrlich nicht sehr beeindruckenden Gruppe mit Sporting Braga, Ludogorez Rasgrad und Basakshehir Istanbul gewannen die Kraichgauer lediglich ein einziges Spiel (gegen Basakshehir) und wurden peinlicher Letzter.
Wesentlich besser machten es da im selben Jahr die Roten Bullen aus Leipzig. Über die Champions League, aus der die Sachsen nach der Gruppenphase (mit AS Monaco, FC Porto und Besiktas) ausgeschieden waren, kamen sie über den SSC Neapel und Zenit St. Petersburg bis ins Viertelfinale der Europa League, wo sie jedoch dem späteren Finalisten Olympique Marseille unterlagen.
Bei der Diskussion darüber, welche europäische Liga denn nun die stärkste ist, sollte man vielleicht auch diesen Aspekt (Anzahl und jeweiliges Abschneiden der Debütanten in den europäischen Wettbewerben) immer mal wieder zu Rate ziehen.