De Jong unter Zugzwang? Liga-Restart in Spanien als Chance und Herausforderung
Von Yannik Möller

In seiner ersten Saison beim FC Barcelona hat Frenkie de Jong noch nicht so sehr einschlagen können, wie erhofft - auch wenn er nicht wirklich enttäuscht hat. Mit dem Restart in LaLiga kehrt er auf den Platz zurück. Damit, und im Hinblick auf die nächste Saison, muss sich der Niederländer einer Herausforderung stellen, die auch eine Chance für ihn werden kann.
Am späten Donnerstagabend, genauer gesagt um 22:00 Uhr deutscher Zeit, wird die spanische Liga in den Re-Start gehen. Beginnen wird die Runde der letzten elf Spiele mit der Partie Sevilla gegen Betis. Der Tabellenführer, wie so häufig der FC Barcelona, startet erst am Samstagabend mit dem Auswärts-Duell gegen RCD Mallorca.
Für viele Beobachter und Fans wird natürlich Lionel Messi im Fokus stehen, doch auch Frenkie de Jong wird viele Blicke auf sich ziehen - auch kritische. Der im vergangenen Sommer für 75 Millionen Euro von Ajax Amsterdam verpflichtete Mittelfeldspieler darf seitdem für seinen Traumverein spielen. Durch die große Ablöse, aber auch durch seine Abschieds-Saison mit Ajax, wurden viele Erwartungen an den 23-Jährigen gerichtet, denen er bislang noch nicht so wirklich gerecht werden konnte.
Frenkie de Jong: Großes Potenzial und noch größere Erwartungen
In bislang 37 Pflichtspiel-Einsätzen hat de Jong zwei Tore vorzuweisen, dazu vier Assists geliefert. Das mag auf den ersten Blick viel zu wenig erscheinen, angesichts seiner Rolle im Mittelfeld und den viel geschossenen Toren Barcas. Diese Zahlen sind jedoch nicht das Problem, viel mehr sind sie eher normal. Zum Vergleich: In der letzten Saison hat er für Amsterdam ebenfalls "nur" jeweils vier Treffer und Vorlagen zum Erfolg beitragen können. Warum sind viele Fans also bislang nicht wirklich zufrieden mit dem jungen Niederländer?
Von de Jong haben sich die Fans und Zuschauer erhofft, dass er das Spiel der Katalanen wieder auf ein neues Niveau heben könnte. Die Zeiten von Xavi und Iniesta sind zwar noch nicht allzu lange vorbei, und doch haben sie eine Generation des zentralen Mittelfelds bei Barcelona geprägt. Aufgrund eines durchaus ähnlichen Spielstils (wenn auch eher grob) zwischen den Spaniern und Ajax wurde der Neuzugang teilweise sogar als möglicher Nachfolger im Geiste dieser beiden Fußball-Genies gepriesen. Wirklich sehr, sehr große Erwartungen.
Innerhalb der Saison lieferte de Jong zwar in der Regel sehr souveräne Spiele ab, aber die ganz besonderen Auftritte blieben eher aus. Zwar überzeugt er immer wieder mit seiner starken Passgenauigkeit (im Schnitt 92 Prozent), sowohl in der eigenen, als auch in der gegnerischen Hälfte - und auch seine Dribblings führten meistens (79 Prozent) zum Erfolg. Aber er war bisher nicht die eine zentrale Figur im Mittelfeld, die er werden soll und definitiv auch werden kann.
Das ist aber keineswegs verwunderlich: Es war eine brisante und unruhige Saison für Barcelona. Trotz der Tabellenführung gab es den Trainerwechsel, weg von Ernesto Valverde, hin zu Quique Setien. Die spielerischen Auftritte ließen teilweise zu Wünschen übrig, die sonstige Dominanz verblich immer weiter. Dazu musste sich der Youngster an einen neuen Spielstil anpassen in einer Rolle, die er keineswegs seine Stamm-Position nennen kann.
Frenkie: “My choice for Barcelona? It’s always been my dream to play for Barça. It’s always been my favourite club outside of Holland. When they showed interest in me, the choice automatically got easier to make.” [@BBC]
— ??? ???? ? (@TheEuropeanLad) June 7, 2020
Immer wieder betont er, dass er weder der defensivste, noch der offensivste Akteur im Mittelfeld ist. Er verteidigt nicht ausschließlich, aber übernimmt auch diese Aufgaben. Er initiiert nicht nur direkte Tore, kann dort aber auch glänzen. "Bei Ajax hatte ich eine andere Aufgabe, weil wir mit zwei defensiven Mittelfeldspielern gespielt haben. Das ist hier nicht der Fall. Ich werde mich anpassen, ich kann mich immer verbessern", erklärte er gegenüber der BBC.
Der Re-Start in Spanien als Chance - Die neue Saison als Gradmesser?
Mit dem nun wieder anlaufenden Spielbetrieb im spanischen Fußball bietet sich für Frenkie de Jong die Chance, zusammen mit seinen Teamkollegen, wie es auch in den anderen Mannschaften der Fall ist, eine Art Neustart zu nutzen. Die Art des Fußballs seitens Setien steht ihm viel besser - teilweise lief er unter Valverde sogar als Flügelspieler auf. Auch wenn die Zwangspause definitiv nicht vergessen werden sollte, so gab es über die letzten Wochen doch Möglichkeiten, sich weiter im anvisierten Stil fortzubilden und sich zu verbessern. Nicht nur für den 23-Jährigen, selbstverständlich.
""Wenn Lionel Messi redet und dir einen Ratschlag gibt, dann nimmst du diesen an, denn er ist mit Abstand der beste Spieler der Welt. Gibt er dir einen Rat, hörst du zu.""
- Frenkie de Jong
Im Hinblick auf die neue Saison werden die nächsten Wochen und Partien von nicht allzu geringer Bedeutung sein. Man kann sich beruhigt darauf verlassen, dass de Jong die Coronapause genutzt hat, um seine körperliche Fitness voranzutreiben - dafür ist er auch privat ein vorbildlicher Sportler, der sich immer verbessern will. Deshalb sieht er sich auch nicht selten Spiel-Ausschnitte direkt im Flugzeug an, um zu sehen, was er hätte besser machen können.
Kommt er fit, gut vorbereitet und spielerisch stark in diesen Re-Start, wird das Selbstbewusstsein für die nächste Spielzeit geben. Diese wird vermutlich eine Art Gradmesser für den viel gelobten Nationalspieler der Niederlande werden, der viele Taktik- und Fußball-Spezialisten durch seine nahezu pressing-resistente und sehr abgeklärte wie ruhige Spielweise beeindruckt. Dann hat er ein Jahr gehabt, um sich einzuleben, um sich zurechtzufinden. Dann wird Barca mit einem Trainer in die Saison gehen, der genug Zeit hatte, um dem Team das angedachte Spiel zu vermitteln.
Auch wenn de Jong dann erneut beziehungsweise weiterhin in einer etwas abgewandelten Rolle agieren muss, so wird er sich darin finden müssen. Will er zu den absoluten Top-Spielern im Mittelfeld gehören - wozu er zweifelsohne das Zeug hat - dann wird er damit zurechtkommen müssen. Auf diesem Niveau gilt es eine solche Umstellung, sollte sie notwendig sein, zu überwinden. Deshalb wird er auch schon am Samstagabend, unabhängig von Messi und den anderen großen Namen, unter vorsichtiger Beobachtung stehen.