David Wagner: "Bin selbst mein größer Kritiker" - Die Analyse des Schalke-Trainers auf dem Prüfstand

David Wagner im Rückblick auf die vergangene Saison
David Wagner im Rückblick auf die vergangene Saison / DeFodi Images/Getty Images
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Viel Ärger, schlechte Stimmung, ausbleibender Erfolg: Die Rückrunde auf Schalke war eine einzige Talfahrt. David Wagner steht seit Wochen und Monaten in der Kritik, wirkte aber wenig selbstkritisch. Im Interview mit dem kicker blickte der S04-Coach auf die Saison zurück. Wir stellen einige Aussagen auf den Prüfstand.

Oft wurden die Zahlen und Statistiken erwähnt, und dennoch dürfen sie bei Schalke 04 nicht einfach in Vergessenheit geraten: In der Rückrunde hat der S04 ein Spiel gewonnen. In 17 Spielen nur neun mickrige Tore geschossen - die zweitschlechtesten Teams dahingehend waren der FC Augsburg und der SC Paderborn mit jeweils 17 Treffern. Dazu die 37 Gegentore, die sich Königsblau eingefangen hat. Fakten, die schlussendlich auf David Wagner zurückfallen.

Wagner will wieder erfolgreichen Fußball etablieren: "Kreative Lösungen" und Youngster auf dem Transfermarkt

Am vergangenen Mittwoch erklärte die Führungsetage mitsamt dem Trainer, dass die Ansprüche vorerst korrigiert und in ein Verhältnis zu den (finanziellen) Möglichkeiten gestellt werden müssen. "Es handelt sich keineswegs um ein Bekenntnis zum Mittelmaß", betont Wagner jedoch im kicker-Interview.

David Wagner erklärte letzte Woche seine Sicht der S04-Dinge
David Wagner erklärte letzte Woche seine Sicht der S04-Dinge / DeFodi Images/Getty Images

"Vielmehr ist es eine Rückkehr zur wirtschaftlichen Vernunft und Nachhaltigkeit. Sicherlich haben die erwähnten Maßnahmen auch Einfluss auf unsere kurz- bis mittelfristigen sportlichen Ziele", so der noch immer in der Kritik stehende Coach. Dennoch sei es das klare Ziel, "wieder den Fußball auf den Rasen zu bringen, für den wir von Beginn der Hinrunde bis Mitte Februar gestanden haben".

Den geschrumpften finanziellen Rahmen, in dem Schalke auf dem Transfermarkt handeln kann, will man mit "kreativen Lösungen" begegnen und zusätzlich "weiter auf Talente aus unserer Knappenschmiede setzen", erklärte Wagner weiter. Die Fans attestiert der 48-Jährige "ein feines Gespür", was die Lage betrifft. Solange man offen kommunizieren und alle mitnehmen könne, wäre es auch weiterhin möglich "sehr viel Energie freizusetzen".


Wagner trifft im Interview ein paar grundsätzliche Aussagen, über die im Verlauf der Saison groß und wiederholend diskutiert wurden - vor allem unter den Fans. Zum Teil geben die Aussagen ein mittlerweile anderes Bild wieder, zum Teil müssen sie allerdings auch betont und unterstützt werden.

1. "Ich bin selbst mein größer Kritiker und weiß um die Fehler, die ich zu verantworten habe"

Wagner sowohl fokussiert, als auch selbst im Fokus
Wagner sowohl fokussiert, als auch selbst im Fokus / Pool/Getty Images

Einer der großen Kritikpunkte der Fans an Wagner ist die fehlende Selbstkritik. Schon zu Beginn der Rückrunde schien der ein oder andere Ansatz für so manches Spiel falsch zu sein, was sich nicht mehr korrigieren ließ. Aufstellungen sorgten regelmäßig für Fragen und Verwirrungen.

Ebenso oft wurde der Trainer darauf angesprochen, welche Fehler er selbst gemacht habe. Stets wurde eher eine Ablenkung gesucht, als auf die Frage einzugehen. Stets wurde auf die Verletzten verwiesen, der Kader sogar als "nicht konkurrenzfähig" betitelt.

Auch zu den offensichtlich fehlgeschlagenen Mauertaktiken oder der Nübel-Kapitän-Diskussion steht Wagner noch immer. Über den Defensiv-Fokus könne man "durchaus kontrovers diskutieren", doch sei es eine gemeinsame wie logische Entscheidung gewesen. "Dass die Entscheidung richtig war", glaubt er bezüglich des Amts für den jungen Keeper ebenfalls noch heute.

Mag sein, dass Wagner selbst sein größter Kritiker ist. In der Öffentlichkeit und vor allem den Fans gegenüber hat er jedoch das genaue Gegenteil zur Schau gestellt. Dies ist ein großer Aspekt in der Kritik gegen ihn.

2. "Wir wissen jetzt, welche Maßnahmen wir ergreifen müssen, um wieder erfolgreich Fußball zu spielen"

Wagner machte teilweise einen rat- und mutlosen Eindruck
Wagner machte teilweise einen rat- und mutlosen Eindruck / Pool/Getty Images

Dieser Satz, geäußert im Gespräch mit dem kicker, hätte eins zu eins aus einer beliebigen Pressekonferenz der Rückrunde genommen werden können. Immer wieder betonte Wagner, er und sein Team wissen, welche Schalter sie umlegen, welche Änderungen sie in Gang kriegen und welche Probleme sie angehen müssen.

Gesehen hat man davon allerdings nichts - im Gegenteil. Bis auf den positiven Ausreißer im Spiel gegen Bayer Leverkusen wurde so gut wie jedes Spiel schlechter. Es war weder Stabilität in der Defensive, noch Gefahr in der Offensive zu sehen.

Die Schlüsse, die angeblich so offensichtlich waren und auch aufgenommen wurden, sind zumindest keineswegs umgesetzt worden.

3. Lange Verletztenliste als "einer der Gründe" für die desaströse Rückrunde

Suat Serdar war einer der schlimmsten Ausfälle für S04
Suat Serdar war einer der schlimmsten Ausfälle für S04 / TF-Images/Getty Images

Ja, die vielen und auch zu lange verletzten Spieler waren einer der Gründe, weshalb Schalke in der zweiten Saisonhälfte historisch abgerutscht ist. In der allgemeinen Diskussion um diese Gründe geht viel zu oft unter, dass die Fans oder die Öffentlichkeit das genauso sehen wie der Trainer.

Keine Mannschaft könnte einen Verlust des gesamten Mittelfeld verkraften. Dazu fielen auch wichtige Abwehrspieler aus. Das ist ein großes Problem, das niemand klein reden möchte. In der Bewertung gibt es jedoch Unterschiede.

Wagner hat sich keine Freunde mit der nahezu 100 prozentigen Fokussierung auf die Verletztenliste gemacht. Diesen Aspekt spricht ihm niemand ab, aber viele andere Aspekte (u. a. Selbstkritik oder Spielstil) deshalb zu vernachlässigen, sorgte für Kritik.

Dennoch ist es ebenso wichtig wie korrekt, dass der Athletik- und Reha-Bereich umgestaltet wird. Jahrelang gab es Probleme, Wagner und Sportvorstand Jochen Schneider haben nun (hoffentlich positive) Veränderungen herbeigeführt.

4. "Ich stelle mich vor unsere Spieler - insbesondere vor die jungen Spieler"

Juan Miranda im Zweikampf - verloren und ein Tor kassiert
Juan Miranda im Zweikampf - verloren und ein Tor kassiert / Pool/Getty Images

Kaum eine Aussage seitens David Wagner kann so schnell und so leicht wiederlegt werden, wie diese. Sich vor die Spieler zu stellen, vor allem vor die jungen Spieler ohne Spielpraxis, wäre im Verlauf der Rückrunde die logische Konsequenz gewesen.

Möglich, dass er selbst sein Handeln so bewerten würde. Eine gesamte Mannschaft, einen gesamten Kader als "seit Anfang, Mitte Februar nicht konkurrenzfähig" zu bezeichnen, sobald ein paar Spieler ausfallen, ist allerdings das genaue Gegenteil. So sagt er schlicht, die übrigen Spieler hätten im Normalfall nichts in der Bundesliga verloren.

Dass er zudem individuelle Fehler von Juan Miranda oder Jean-Clair Todibo (beide 20) auf Pressekonferenzen als solche bezeichnet hat, mit dem Zusatz eines "groben Fehlers", durch die man wieder Gegentore gefangen hat, lässt die Interview-Aussage beinahe wie eine glatte Lüge wirken. Gehandelt hat Wagner so zumindest nicht.

5. "Hypotheken sind dazu da, um sie abzubezahlen"

Trotz aller Kritik: Am Ende wollen alle Schalker zusammen jubeln können
Trotz aller Kritik: Am Ende wollen alle Schalker zusammen jubeln können / TF-Images/Getty Images

Dass an David Wagner festgehalten wird, ist ein großes Risiko. Bei den Fans ist er stark angezählt, die Hypothek von 16 Spielen ohne Sieg ist in der Aussage bereits enthalten.

Allerdings wird sich kein Schalke-Fan wünschen, dass diese seiner Meinung nach womöglich falsche Entscheidung auch noch eine solche wird. Wagner wird diese Hypothek tatsächlich abbezahlen müssen, und im Sinne des Vereins werden die Fans, Mitglieder und Zuschauer im Stadion alles dafür geben, dass das funktioniert.

Ohne Zweifel kann man davon ausgehen, dass es im Stadion - sobald es wieder befüllt werden darf - von den Rängen aus nur Support für die junge Mannschaft, und somit auch für den Trainer geben wird. Aber er muss liefern - ansonsten wird ein schneller Umschwung der Stimmung riskiert.