Das Chaos-Klub-Ranking der Bundesliga: 5 Vereine im Check
Von Marc Knieper

Geleitet von großen Visionen stolpert Hertha BSC von einer Panne zur nächsten. Beim SV Werder hat man das Ziel Europa knapp verfehlt. Der 1. FC Köln konnte sich dank Markus Gisdol zwar aus dem Tabellenkeller befreien, ist seinen Ruf allerdings noch immer nicht los. Auf Schalke und in Düsseldorf mangelt es an Kommunikation.
Die Chaos-Klubs der Bundesliga im Ranking und großen Check:
1. Hertha BSC Berlin
Von wegen "Big City Club": Der bereits suspendierte Salomon Kalou drehte vor wenigen Tagen die zweite Episode des "Big City Chaos" und stellte die Hertha erneut in ungewolltes Rampenlicht.
Folgende fünf Gründe erklären den Spitzenplatz der Berliner in der Kategorie "Big Chaos Klub":
- Die Strategie: Investor Lars Windhorst pumpt satte 225 Millionen Euro in den Klub, hat dementsprechend Anteil am Diskurs. Wie aus der Wirtschaft gewohnt, handelt der deutsche Unternehmer allerdings zu forsch, ungeduldig und ergebnisorientiert. Selbst RB Leipzig hat trotz Red-Bull-Millionen einige Jahre bis zum Einzug in die Königsklasse gebraucht.
- Die Messlatte liegt dementsprechend zu hoch. Die Visionen und Ziele des von Windhorst betitelten "Big City Klubs" sind realitätsfern. Die Vergleiche mit Real Madrid oder dem FC Arsenal waren nach zwei mittelprächtigen Spielzeiten unangebracht. Wunsch und Wirklichkeit liegen zu weit auseinander.
- Die Winter-Transfers beruhten unter anderem auf Krzysztof Piatek, Matheus Cunha und Santiago Ascacíbar - auf einen formschwachen und einen wankelmütigen Angreifer sowie einen Zweitliga-Sechser setzte man alle Hoffnungen und wurde enttäuscht. Gekostet hat der Spaß allerdings 52 Millionen Euro.
- Klinsmann: Eigentlich sollte der Trainer die hohen Ziele mit sportlichem Inhalt füllen. Überraschend schnell brach er seine Mission ab. 'Klinsi' wollte als Reformer zu viel Macht. Nach 76 Tagen, einigen Facebook-Beiträgen und im Boulevard veröffentlichten Tagebüchern fand seine Berliner Amtszeit ein schnelles Ende. Seine Überbleibsel? Unruhe soweit das Auge reicht; von konstantem Arbeiten hingegen keine Spur.
- Hobby-Internet-Videograf Kalou: Mit seinem Video aus dem Kabinen-Interieur gewährte der Ivorer seinen Fans auf Facebook einen Einblick, der die Professionalität des Klubs gleich auf zahlreichen Ebenen infrage stellt. Spieler und Angestellte des Bundesligisten nahmen die Hygiene-Regeln und Corona-Maßnahmen nicht wahr.
2. FC Schalke 04
Auch in Gelsenkirchen weht des Öfteren ein rauer Wind. Viele Probleme befinden sich tief in den Klub-Strukturen. Die Königsblauen haben ein Kommunikationsproblem! Vermutlich auch, weil Trainer und Spieler zum Teil wechseln, wie manch einer seine Unterhosen.
So wurde Nabil Bentaleb im vergangenen Jahr kurzerhand in die U23 versetzt. Der Grund: "Disziplinarische Verfehlung". In der Tat blieb der Profi vom Heimspiel gegen RB Leipzig fern. Nicht aber, weil er keine Lust hatte, sondern weil seine Frau Zwillinge auf die Welt brachte. Die Verantwortlichen wussten davon nichts.
Ein klares Missverständnis, das beim Ruhrpott-Klub definitiv keinen Einzelfall darstellt. Im Zuge der Stevens-Vorstellung zum Beispiel präsentierten die Knappen Gerald Asamoah als Teammanager. Eigentlich hatte Jan-Pieter Martens dieses Amt seit 2013/14 inne. Wie es um das Schicksal des bisherigen Amtsinhabers bestimmt war, konnte auf der Pressekonferenz niemand beantworten.
Schon häufig kritisierten Fans und Medien die Stimmung innerhalb der Mannschaft. Die Jungs seinen kein zusammengeschweißter Haufen, keine echte Mannschaft, lediglich eine Truppe von Individualisten. Vermeintliche Interna enthüllten zuletzt eine Spaltung des Teams in drei verschiedene Freundeskreise.
Undiszipliniertheiten sind auf Schalke kein Fremdwort. Das Verhältnis zu den Fans ist in schwierigen Zeiten alles andere als gut. Die Zuschauer verlassen die Veltins-Arena gerne schon vor Schlusspfiff, die Nordkurve beschimpft Spieler wie Alexander Nübel (bevorstehender Transfer zum FC Bayern) aufs Übelste.
3. 1. FC Köln
Neu-Trainer Markus Gisdol - seit November im Amt - brachte den Chaos-Klub in vielen Bereichen auf die richtige Fährte. Das hat auch positive Auswirkungen auf die Tabelle.
Mit nur sieben Punkten aus elf Spieltagen übernahm der eifrige Fußballlehrer den ideenlosen Domstadt-Klub, vermittelte seine Spielweise und bugsierte die Geißböcke mittlerweile auf Rang zehn mit 32 Zählern, unweit des europäischen Geschäfts.
Seit der Gisdol-Ära möchte man in Köln wieder über Fußball reden. Die Krisen, Querelen und Entlassungen der vorherigen Wochen sollen ad acta gelegt werden. Der alte Ruf des Klüngel- und Chaosklubs ist dennoch nicht gänzlich verschwunden. Einen erheblichen Anteil daran haben die Krawall-Fans des Effzeh.
4. Fortuna Düsseldorf
Am Niederrhein sorgte vor allem die plötzliche Trennung von Cheftrainer Friedhelm Funkel Anfang Februar für eine Menge Aufsehen. Am Vorabend zeichnete man den Fußballlehrer noch zu Fortunas Trainer des Jahres aus, einen Tag später wurde der 66-Jährige entlassen und durch Uwe Rösler ersetzt.
Funkel zeigte sich von der Art und Weise der Entlassung enttäuscht. Für den Vorstandsvorsitzenden Thomas Röttgermann war die Entscheidung "ein Stück weit Normalität in einem Verein, der lebt" (via Sport Bild). "Wer daraufhin behauptet, wir seien ein Skandal-Klub, der wird es ohnehin weitersagen und sich nicht von mir belehren lassen", so Röttgermann, der das Image seines Klubs augenscheinlich kennt.
5. Werder Bremen
"Keine Panik auf der Titanic. Wieder alles im Griff auf dem sinkenden Schiff." - Ein Bremer Fangesang, der die Situation an der Weser gut beschreibt. Im Gegensatz zu den zuvor genannten Chaos-Klubs haben die Norddeutschen ihre internen und personellen Angelegenheiten ziemlich gut im Griff. Sie geraten nicht so leicht in Panik und halten an ihrem Trainer fest.
Das mit der Zielsetzung und -umsetzung müssen die Bremer hingegen üben. Das vor der Saison ausgesprochene Ziel Europa League haben die Bremer klar verfehlt. Stattdessen taumeln sie im Keller aus Platz 17. Sich über Wasser zu halten, wird schwer. Die Titanic droht zu sinken.
Großes Chaos bereitete den Hanseaten in dieser Spielzeit die ärztliche Abteilung. Verletzungen gab es wirklich wie Sand am Meer. Als vollständige Entschuldigung dient dies aber nicht. Die Köpfe der Spieler sind leer, die Blockaden in den Köpfen der Spieler gilt es zu lösen.