Conte teilt gegen die Medien aus - und lässt seine Zukunft offen
Von Florian Bajus
Mit Antonio Conte will Inter Mailand wieder an die Spitze des italienischen Fußballs zurückkehren. Dass der 50-jährige Erfolgstrainer aber nicht im Handumdrehen das Ruder herumreißen kann, scheint den Verantwortlichen in diesen Tagen bewusst zu werden. Genau deshalb herrschen in Italien Gerüchte über einen vorzeitigen Abschied Contes, der schon längst mit der Kaderplanung für die kommende Saison begonnen hat.
Die großen Mailänder Klubs AC und Inter haben zu Beginn der 2000er Jahre den italienischen Fußball dominiert, längst sind sie aber von Juventus Turin, der SSC Neapel und Lazio Rom eingeholt respektive überholt worden. Während die AC noch immer mit aller Macht darum kämpft, den Anschluss an die Spitzengruppe wiederherzustellen, ist Inter dieser Schritt bereits gelungen. Bis ganz nach oben ist es allerdings noch ein weiter Weg.
Nach dem Triple im Jahr 2010 war Inter abgestürzt. 2011 und 2012 spielte der Verein noch in der Champions League, danach folgte jedoch eine sechsjährige Abstinenz. Erst in der Saison 2018/19 kehrten die Lombarden zurück in die Königsklasse, für die sie sich in dieser Saison voraussichtlich ein drittes Mal in Folge qualifizieren werden. Doch Spitzenreiter Juve ist zehn Punkte entfernt. Den Nerazzurri droht dagegen wieder einmal der vierte Platz - wie schon in den Jahren 2016, 2018 und 2019.
Großer Trainer, großer Umbruch - doch es läuft nicht alles perfekt
Das ist zu wenig für die Ansprüche, die mit der Verpflichtung von Antonio Conte einhergegangen waren. Der 50-Jährige hatte bei all seinen Stationen in den vergangenen zehn Jahren Erfolg: Er läutete die bis heute andauernde Dominanz von Juve ein, führte die italienische Nationalmannschaft bis ins Viertelfinale der Europameisterschaft 2016 und feierte mit dem FC Chelsea den Gewinn der Premier League und des FA Cups. Und auch bei Inter fruchtete zu Beginn seine auf Disziplin und giftiges Verteidigen getrimmte Spielphilosophie. Doch seit dem Re-Start kommt die Mannschaft nicht wirklich in Gang. Von sechs Spielen wurden nur zwei gewonnen, dreimal kam nicht mehr als ein enttäuschendes Remis heraus, einmal musste sie sich geschlagen geben.
Insgesamt steht Conte nach 42 Pflichtspielen bei einem Schnitt von 1,95 Punkten pro Spiel. Das ist ein sehr guter Wert, allerdings auch der schlechteste seit seiner Amtszeit bei der AC Siena in der Saison 2010/11 (1,82 Punkte pro Spiel). Mit Juve, der Squadra Azzurra und Chelsea sammelte er durchschnittlich mindestens 2 Punkte pro Spiel; ein kleiner, aber feiner Unterschied.
Mit Conte ging auch ein großer Umbruch einher. Stars wie Romelu Lukaku, Christian Eriksen, Alexis Sanchez oder Diego Godin wurden verpflichtet, dazu junge Spieler wie Matteo Politano, Nicoló Barella oder Stefano Sensi. Zur neuen Saison steht bereits der Transfer von Achraf Hakimi fest, hinzu kommen Gerüchte um David Alaba. Conte soll bei beiden Personalien eine wichtige Rolle spielen - doch italienischen Medienberichten zufolge ist ungewiss, ob der 50-Jährige diese Saison überleben wird.
Conte lässt seine Zukunft offen
Im Liga-Spiel gegen Hellas Verona am vergangenen Donnerstag sprang nur ein 2:2 heraus, wenige Tage zuvor verlor Inter mit 1:2 gegen den FC Bologna. Über die Gerüchte um einen vorzeitigen Abschied sagte er laut Sport1: "Die Medien lieben es, mich in Stücke zu zerreißen, so haben sie ihren Spaß." Er selber wolle sich nach der Saison Gedanken machen, "dasselbe gilt für den Klub und die Spieler", sagte Conte. Besonders störe ihn, dass unterschiedliche Auffassungen darüber herrschen würden, wie nah man "dem Siegen" tatsächlich sei. "Der eine sieht es so, der andere sieht es anders", hielt Conte nüchtern fest.
Aufgrund des vierten Tabellenplatzes in der Serie A und des Ausscheidens in der Champions-League-Gruppenphase ist der Druck offenbar groß geworden; und er dürfte noch größer werden, weil die Ergebnisse seit dem Re-Start zu wünschen übrig lassen. Laut Tuttosport könnte Conte selbst das Handtuch werfen, wie Corriere dello Sport berichtet, seien dagegen die Klubbosse mit ihrem Trainer unzufrieden. Bei den Spielern herrsche zudem Unmut wegen seiner wenigen Auswechslungen, und weil er nicht genügend Rücksicht auf muskuläre Verletzungen nehme.
Wie einst in Turin: Folgt Allegri auf Conte?
Schon seine Amtszeiten in Turin und London endeten mit einem Zwiespalt. Conte ist ein sehr guter Trainer, offenbar aber auch ein schwieriger Charakter. Für den Wiederaufbau der Nerazzurri war er die richtige Wahl, doch dass ein Verein auch ohne seine Dienste erfolgreich sein kann, stellte Juve mit Nachfolger Massimiliano Allegri unter Beweis. Der hatte seinen Job bei der Alten Dame vor einem Jahr niedergelegt - und soll laut Corriere dello Sport auf der Liste der potentiellen Nachfolger für Conte stehen.