Clarence Seedorf über systematischen Rassismus auch bei Trainern: "Was sind die Kriterien?"
Von Christian Gaul
Rassismus im Fußball ist nach wie vor ein großes Problem, zu schnell verschwinden gute Ansätze wieder in der Schublade und es wird zur Tagesordnung übergegangen. Der ehemalige Weltklasse-Spieler Clarence Seedorf macht sich deshalb erneut für ein Umdenken stark - nicht nur auf die Spieler bezogen.
Der mittlerweile 44-jährige Niederländer Clarence Seedorf war als Spieler einer der Besten seiner Zeit. Nachdem er 2014 seine aktive Karriere beendete, wechselte er auf die Trainerbank - doch die Benachteiligungen aufgrund seiner Hautfarbe verschwanden dadurch nicht, wie Seedorf im Interview mit SPOX und Goal beschreibt.
Systematischer Rassismus - Seedorf klagt Milan an
Seedorf selbst stelle sich beispielsweise die Frage, warum Trainer mit anderer Hautfarbe trotz schlechterer Ergebnisse länger bei seinem Ex-Klub AC Mailand angestellt bleiben. "Ich habe in 19 Spielen 35 Punkte geholt und wurde entlassen. Und meine Nachfolger holen weniger Punkte, aber bleiben das ganze Jahr. Dann fragst du dich: Was sind die Parameter? Was sind ihre Kriterien, dass ein Trainer geholt wird?", beklagt Seedorf.
Sicherlich ist die reine Punkte-Ausbeute nie der einzige Grund, warum ein Trainer früher oder später entlassen wird. Ebenso mag man den Mailändern wohl keine "Einstellung nach Hautfarbe" unterstellen. Zudem gehört zur ganzen Wahrheit auch, dass der Trainer Seedorf auch nach seinem Engagement bei Milan keinen großen Erfolg hatte. Für den chinesischen Klub Shenzhen stand er nur 13 Spiel an der Seitenlinie, in La Coruna waren es danach 16. Kameruns Nationalmannschaft durfte er nur zehnmal betreuen - momentan ist er vereinslos.
Allerdings benennt Seedorf im Weiteren die eigentliche Basis seiner nachvollziehbaren Empörung.
"Es gibt sehr erschreckende Zahlen darüber, wie wenige schwarze Trainer, schwarze Manager in führenden Positionen im europäischen Fußball, in den Vereinsmanagements, in den Verbänden, in den Komitees und auf den Bänken sind. Es sind nur ein Prozent oder weniger. Die Vielfalt, die sie auf dem Spielfeld sehen, spiegelt sich also nicht auf den Bänken und nicht im Management wider und spiegelt sich auch nicht in den Eigentumsverhältnissen und vielen anderen Dingen wider", legt Seedorf den Finger in die Wunde.
Hinzu kommt, dass Seedorf generell ein moderneres Miteinander einfordert. "Es ist ein System, ein systematischer Rassismus. Es geht um die Gleichheit aller, weil es auch andere Themen wie Geschlechter-Fragen gibt, die noch nicht auf dem Niveau sind, wie es sein sollte - obwohl es sich verbessert hat. Es gibt eine lange Liste an Spielern, die auf meinem Level gespielt haben und nicht die Möglichkeiten hatten, eine Karriere als Trainer zu starten", kritisiert er die bestehenden Strukturen hart.