Entscheidung über Champions-League-Reform: Neues System als geringeres Übel?
Von Guido Müller
Nun wird es langsam ernst. Das Exekutiv-Komitee der UEFA entscheidet am Freitag über die geplante Champions-League-Reform ab der Saison 2024/25. Am kommenden Montag dann soll diese Entscheidung auf dem 45. UEFA-Kongress im schweizerischen Montreux ratifiziert werden.
Der Begriff "Reformation" greift anhand der geplanten Änderungen dabei wohl zu kurz. "Revolution" wäre wohl der eindeutig passendere Ausdruck.
Denn von der althergebrachten Gruppenphase, wie wir sie seit Jahrzehnten kennen, wird ab 2024, wenn denn die Pläne durchgewunken werden, nichts mehr übrig bleiben.
Mix aus Liga und Gruppenspielen
Stattdessen wird es eine Art Mix aus Liga-Betrieb und Gruppenspielen geben. Schweizer Modell nennt man das dann. Kling kompliziert - und dürfte auch genauso kompliziert zu handhaben sein.
Bekannt ist: es soll (im Falle eines 36-köpfigen Starterfeldes - die andere Option wären 32 Teams - ) vier verschiedene Gruppen a neun (bzw. acht) Teams geben. Diese würden nach Spielstärke geordnet auf die Töpfe A (die neun besten Teams), B (die dann folgenden), C und D verteilt werden.
Und nun wird es kompliziert: nicht alle Teams spielen logischerweise gegen alle, denn dann wäre die CL-Saison wohl erst in zwei Jahren gespielt. Vielmehr bekommt ein jedes Team ein Kontingent von zehn Rivalen zugelost. (Wie diese Auslosung vonstatten geht, ist noch zu klären). Dabei trifft jede Mannschaft auch auf Teams aus seinem Topf.
Geplant scheint zu sein, dass jedes A-Topf-Team zwei Gegner aus eben diesem Topf A zugelost bekommt, weitere drei aus Topf B und aus Topf C und zwei aus dem Topf D (mit den vermeintlich neun schwächsten Teams).
Diese zehn Partien eines jeden Klubs werden in fünf Auswärts- und fünf Heimspiele aufgeteilt. Es gibt keine Hin- und Rückspiele mehr. Die einzelnen Ergebnisse jeder Mannschaften finden dann in einer großen Tabelle (bestehend aus den 36 oder 32 Teams) ihren Niederschlag.
Am Abschluss der Zehn-Spiele-Runde ergibt sich dann logischerweise ein Tabellenbild von Platz 1 bis 36. Die ersten acht Mannschaften gehen direkt ins Achtelfinale, die Teams auf den Plätzen 9 bis 16 spielen dann noch einmal eine Zwischenrunde gegen die Teams auf den Plätzen 17 bis 24, um die restlichen acht Achtelfinalisten zu ermitteln.
Ab dem Achtelfinale würde das Turnier wie bisher, im K.o.- und Hin- und Rückspiel-Modus, weiter gehen.
Die Finalisten hätten vier Spiele mehr als nach dem bisherigen Format
Diese fundamentalen Änderungen bringen auf jeden Fall mehr Spiele nach sich. Die beiden Finalisten kämen auf jeweils mindestens 17 Spiele (10 in der ersten Phase, sechs in den K.o.-Runden und eines im Endspiel). Das sind vier mehr als bisher.
Und da setzt auch einer der Hauptkritikpunkte derjenigen an, die mit dieser Reform (Revolution) nichts anfangen können. Angesichts des heutzutage schon erheblich aufgeblasenen Terminkalenders durchaus nachvollziehbar.
Weitere massive Kritik zieht die Idee auf sich, manche Starter mit sogenannten Wild-Cards zu bedenken. Das soll jene Teams betreffen, die in der vorherigen heimischen Liga nicht in die europäischen Plätze gekommen sind, aufgrund guter Ergebnisse in Europa in den vorangegangenen Jahren aber - in Augen der UEFA - unbedingt dabei sein sollten.
Dies widerspricht natürlich den fundamentalsten Prinzipien einer Wettkampf-Kultur - und sollte von den Planern schleunigst aufgegeben werden. Ansonsten käme es über die Hintertür nämlich doch noch zu einer Art geschlossenen Gesellschaft.
Alternativen wären: Bewahrung des status quo - oder Schaffung einer Superliga
Doch man muss auch Realist bleiben. Angesichts des Eifers, den viele Top-Klubs in Europa an den Tag legen, um eine Art europäischer Superliga zu kreieren, pendelt das Damoklesschwert einer noch geschlosseneren Gesellschaft (um nicht zu sagen: einer Versteinerung der Strukturen) weiterhin über dem europäischen Panorama.
Die nun von der UEFA angedachte Reform (Revolution) könnte da einen Kompromiss zwischen den Ansprüchen der europäischen Top-Flights und den ebenfalls zu respektierenden Wünschen der kleineren Vereine (nach mehr Partizipation, mehr Durchlässigkeit für schwächere Ligen) darstellen.
Gebt dem Format doch eine Chance!
Wenngleich mir auch noch nicht klar ist, wie die vier Töpfe genau zusammengestellt werden (im Gespräch ist der sogenannte UEFA-Koeffizient, der die Ergebnisse der einzelnen Klubs in Europa berücksichtigt) und wie dann die Auslosung der zehn Spiele pro Klub bewerkstelligt werden soll, halte ich es trotzdem für angesagt, diesem Format zumindest eine Chance zu geben.
Wenn man nach der Spielzeit 2024/25 dann merkt, dass es einfach zu viele Spiele gewesen sind und die erhoffte höhere Attraktivität pro Spiel nicht im gewünschten Maße eingetreten ist, kann man ja immer noch zurück rudern und zum vorherigen status quo zurückkehren.
Oder - welch ein Graus - direkt zur Schaffung der Superliga schreiten. Doch das wäre dann wohl das endgültige Aus für die Europapokale, so wie wir sie bisher kannten.
Und noch ist ja auch nicht gesagt, dass die geplanten Änderungen am Montag tatsächlich ihre Ratifizierung finden. Aus mehreren Ländern ist bereits lautstarker Protest zu vernehmen. Hierzulande wandte sich St. Paulis Präsident Oke Göttlich vor einigen Tagen mit einem dringenden Appell an die deutschen UEFA-Vertreter, den Plänen am kommenden Montag in Montreux nicht zuzustimmen.