4:1 gegen Chelsea: Der FC Bayern gibt eine überzeugende Bewerbung auf den Champions-League-Titel ab
Von Florian Bajus

Das erste Pflichtspiel des FC Bayern nach einem Monat Pause ließ vor dem Anpfiff einige Fragen offen: Ist die Spannung da? Wie sieht es mit den Automatismen aus? Hinken die Spieler individuell hinterher, weil die Spielpraxis gefehlt hat? Die Mannschaft von Hansi Flick lieferte während den 90 Minuten gegen den FC Chelsea (4:1) klare Antworten - und untermauerte ihren Anspruch auf den Titel. In dieser Form ist definitiv mit den Bayern zu rechnen.
Die Champions League ist kein Selbstläufer. Das war schon die Meisterschaft nicht - auch wenn der FC Bayern diese zum achten Mal in Folge gewann -, und auch im DFB-Pokal war längst nicht alles so einfach, wie es der 4:2-Finalsieg über Bayer Leverkusen vermuten lässt. Allerdings sind diese Bayern zu allem fähig - auch wenn mit dem FC Barcelona, Manchester City, Atlético Madrid und Paris St. Germain noch vier Gegner auf Augenhöhe im Turnier verbleiben.
Die Bayern nahmen einen 3:0-Sieg aus dem Achtelfinal-Hinspiel mit in jenes Rückspiel gegen den FC Chelsea, das am Samstagabend in der Allianz Arena bestritten wurde. Nach dem Pokalfinale am 4. Juli gewährte Hansi Flick seinen Stars zwei Wochen Pause, als Vorbereitung auf die Königsklasse sollten zwei Wochen Training und zwei Testspiele dienen. Erst traten die Münchner gegen Olympique Marseille (1:0) an, dann durften die Bankdrücker aus diesem Test gegen eine Mischung aus der U23 und U19-Mannschaft spielen. Mehr war nicht drin, mehr war aber auch nicht nötig.
Ob Pause oder nicht: Der FC Bayern ist unheimlich souverän
Unter Flick wirken die Auftritte des Rekordmeisters wie eine Selbstverständlichkeit. Trotz einem Monat Pause waren die Automatismen klar ersichtlich. Wackelig wurde es nur kurz vor und kurz nach der Halbzeitpause, ansonsten aber wurde wie gewohnt hoch angelaufen, der Ball erobert, schnell umgeschaltet und vorne kombiniert, als hätte es diese Unterbrechung nie gegeben.
Chelsea war dagegen voll im Wettkampfmodus, erst am Wochenende zuvor spielte die von Frank Lampard trainierte Mannschaft im FA-Cup-Finale gegen den FC Arsenal (1:2). Gegen konzentrierte Bayern musste sie sich jedoch mit 1:4 geschlagen geben. Über 180 Minuten war der Champions-League-Sieger von 2012 chancenlos.
Schritt für Schritt in die richtige Richtung
Die Bayern sind ihrer Pflicht nachgekommen. Das Viertelfinal-Ticket ist gebucht, kein Spieler ist ernsthaft verletzt - lediglich bei Jerome Boateng ist Vorsicht geboten - und die gefährdeten Joshua Kimmich und Thiago Alcantara verließen gemeinsam in Minute 71 ohne Verwarnung das Spielfeld.
Dass Verletzungen und Sperren ausgeblieben sind, spiegelt die Souveränität wider, die Flick den Bayern geschenkt hat. Auch hat der 55-Jährige seinen Spielern die richtige Einstellung vermittelt. Jeder, egal ob in der Startelf oder auf der Bank, war fast die gesamten 90 Minuten über konzentriert, wach und hungrig. Jeder wollte dieses Spiel gewinnen und dem Gegner nicht zu einer Sekunde das Gefühl geben, dass etwas zu holen wäre.
Die Mannschaft zieht an einem Strang, wird geführt von einem bodenständigen und ehrgeizigen Trainerstab, der von Spiel zu Spiel denkt. In der Champions League mag das fehlende Rückspiel ein Novum sein, Flick kennt den Turniermodus allerdings wie seine Westentasche. Der Coach weiß nach fünf Welt- und Europameisterschaften als Co-Trainer der deutschen Nationalmannschaft genau, worauf es ankommt. Das vermittelt er nicht nur in unzähligen Pressekonferenzen und Interviews, sondern auch im Mannschaftskreis. An der richtigen Einstellung dürfte es daher auch im weiteren Turnierverlauf nicht mangeln.
Lewandowski in Top-Form
Entscheidend für den Erfolg ist nichtsdestotrotz ein Robert Lewandowski in Top-Form. Wie zu Saisonbeginn ist der Stürmer die Lebensversicherung der Bayern, gegen Chelsea erzielte er drei Tore selbst, die restlichen vier Treffer bereitete er allesamt vor.
13 Tore hat er in der laufenden Spielzeit erzielt, der von Cristiano Ronaldo aufgestellte Rekord (17) ist in Reichweite. Von diesem Extraschub könnte die Mannschaft profitieren; satt dürfte Lewandowski jedenfalls nicht sein. In dieser Saison hat er all seine Qualitäten mit Bravour unter Beweis gestellt, der 31-Jährige ist ein Phänomen, das nicht nur am Elfmeterpunkt, sondern auch auf dem Flügel und außerhalb des Strafraums auftaucht. Solch ein Stürmer ist für jede Mannschaft der Welt goldwert.
Erinnerungen an 2015
Zunächst wartet im Viertelfinale aber erst einmal der FC Barcelona. Erinnerungen werden wach an das Halbfinale 2015, in dessen Hinspiel Lionel Messi Jerome Boateng mit einer ungeheuerlichen Leichtigkeit und Eleganz austanzte und den Ball anschließend über Manuel Neuer ins Tor lupfte. 3:0 siegten die Katalanen, die im Endspiel von Berlin auch den Titel gewannen. Diesmal könnte jedoch alles anders werden. Das Halbfinale ist für den FC Bayern im Bereich des Möglichen - so, wie die Trophäe, die es diesmal in Lissabon zu gewinnen gibt.