Champions-League-Achtelfinale kontra Auswärtstorregel
Von Stefan Janssen
Sieben der acht Hinspiele im Achtelfinale der Champions League endeten mit einem Auswärtssieg und sind dank der Auswärtstorregel damit schon fast entschieden. Gerade in der aktuellen Zeit, in der keine Zuschauer erlaubt sind, ergibt die Regel einfach keinen Sinn.
Seit die Stadien aufgrund der Corona-Pandemie leer sind - es ist jetzt bald ein Jahr der Fall -, ist es um dem Heimvorteil längst nicht mehr so bestellt wie früher. Aber was da im Champions-League-Achtelfinale passiert ist, toppt das ganze nochmal: Sieben der acht Hinspiele endeten mit einem Auswärtssieg. Für nicht wenige Mannschaften ist die K.o.-Phase damit schon so gut wie gelaufen - und das liegt auch an der Auswärtstorregel, die trotz allem Bestand hat.
Sie stammt noch aus einer Zeit, in der die Vereine nicht genau wussten, was sie auf einer Reise quer durch Europa erwartet. Selbst die Reise an sich war da schon strapaziös und dann kannte man eben nicht das gegnerische Stadion oder die gegnerische Mannschaft und man wusste nicht, in welchem Zustand der Platz war. Auswärtsspiele hatten da noch einen ganz anderen Schwierigkeitsgrad als heute - dass Auswärtstore dort bei Gleichstand doppelt zählten, war vertretbar.
Aber heute? Heute hat jedes Team seinen Gegner stundenlang mithilfe von Videos analysiert, reist einen Tag vor dem Spiel bequem im Flugzeug an und kann immer einen sehr gut gepflegten Rasenplatz erwarten. Kurzum: Die Reisestrapazen sind dahin, die Spielumstände vereinheitlicht - und die Grundlage der Regel damit eigentlich dahin. Gerade jetzt, wo keine Zuschauer zugelassen sind und Teams ihre Heimspiele auf internationaler Ebene teilweise nicht mal im eigenen Stadion austragen, wird die Regel geradezu zur Farce.
Natürlich könnte man jetzt argumentieren, dass das ja für alle Teams der Fall sei. Aber das ist nicht so, denn der Ausgang des Hinspiels verändert natürlich den Verlauf des Rückspiels, weil es nicht mehr bei Null los geht. Schon 2018 forderten einige Spitzentrainer wie Jose Mourinho, Thomas Tuchel oder Arsene Wenger auf einer Tagung die UEFA dazu auf, "die Auswärtstorregel in europäischen Wettbewerben zu überdenken", wie der Verband in einer Mitteilung bekannt gab.
Rückspiele verlieren deutlich an Attraktivität
"Sie denken, dass das Erzielen von Auswärtstoren nicht mehr so schwierig ist wie in der Vergangenheit", sagte der stellvertretende Generalsekretär Giorgio Marchetti damals (via sportschau). Die UEFA beriet auch darüber, kam letztlich aber zu dem Schluss, die Regel beizubehalten.
Es ist wirklich ein Jammer, dass es möglich ist, mit zwei Unentschieden nach 180 Minuten auszuscheiden, selbst wenn beide Spiele im selben Stadion ausgetragen werden wie das Champions-League-Halbfinale 2002/03 zwischen den beiden Mailänder Klubs AC und Inter.
Das Modell eines Finalturniers mit nur einem K.o.-Spiel auf neutralem Grund, wie es im vergangenen Jahr der Fall war, wird es natürlich nicht geben, so ansehnlich es auch war und mit Fans noch viel mehr wäre. Der Faktor Geld spielt hier eine Rolle. Bei der Auswärtstorregel tut er es aber eigentlich nicht, weshalb es fraglich ist, wieso die UEFA so krampfhaft an dieser veralteten Regel festhält. In diesem Jahr nimmt sie dem Achtelfinale der Champions League deutlich ihre Attraktivität - die meisten Duelle sind bereits nach dem Hinspiel so gut wie entschieden.