"Das letzte Jahr war echt Horror": Carolin Simon über die Zeit nach ihrem Kreuzbandriss und mentalen Druck
Es läuft die 95. Minute des Testspiels der deutschen Frauennationalmannschaft gegen Sambia in Fürth. Nur fünf Minuten trennen Carolin Simon vom Abflug zur Weltmeisterschaft 2023 nach Australien und Neuseeland. Doch dann geschieht es: Die 31-Jährige kommt nach einem Zweikampf ungünstig auf und reißt sich das Kreuzband. Der langersehnte und hart umkämpfte Traum der Weltmeisterschaft von jetzt auf gleich zunichte gemacht. Augenblicke, die viele Fans in schmerzlicher Erinnerung haben.
In der ZDF-Dokumentation "Druck im Fußball: Wenn die Psyche versagt" spricht die Außenverteidigerin über die Zeit nach ihrer schweren Verletzung und die mentalen Folgen.
"Das letzte Jahr war echt Horror"
Vor der Partie gegen Sambia hat Carolin Simon von Martina Voss-Tecklenburg erfahren, dass sie es in den Kader für die WM geschafft hat. Eine Nominierung, die so nicht unbedingt erwartbar war, da die 31-Jährige in den Jahren zuvor nicht für die Nationalelf berücksichtigt wurde. "Für mich stand über allem, dass ich da dabei sein will. Dann schaffst du das und eine Stunde später ist irgendwie alles weg", erinnert sich Carolin Simon.
Ein Rückblick auf die Saison und das Jahr 2023 fällt der Spielerin des FC Bayern München schwer. Die erste Hälfte der Saison sei für sie das beste halbe Jahr der ganzen Karriere gewesen. "Dann schnippst du mit dem Finger und Sommer bis Winter war wirklich das schlimmste Jahr, was ich je hatte. Es war echt Horror." Carolin Simon sei froh, dass diese Leidenszeit sich einem Ende neigt. Im DFB-Pokalfinale feiert die 31-Jährige ihr lang ersehntes Comeback. Beim letzten Saisonspiel der Bayern-Frauen in Hoffenheim folgte dann das Startelfdebüt - und das nach Maß: Nach nur zehn gespielten Minuten verwandelte die Außenverteidigern einen Freistoß in gewohnter Manier direkt.
Carolin Simon habe nach Gründen für den Kreuzbandriss gesucht, "aber es ist Teil des Jobs und ein unfassbarer Druck, der auf einen als Spielerin lastet". Die Außenverteidigerin sei sich aber sicher, dass sie zu 100 Prozent physisch und psychisch da war. Dennoch wusste Simon, dass die Zeit nach der Verletzung auch mental schwer werden würde. "Ich habe direkt wieder den Austausch mit meiner damaligen Psychologin gesucht, um erst gar nicht diese Abwärtsspirale in Gang kommen zu lassen", erklärt Simon.
Psychologin als "Gamechanger"
Die Fußballerin spricht offen über depressive Perioden in ihrem Leben. Carolin Simon habe nicht verständen, wieso Fußball sie so runterzieht und sie "so krasse Komplexe" habe, wenn sie nicht zum Einsatz kommen darf. Der FC Bayern hat ihr eine "normale" Psychologin vermittelt, mit der Caro Simon auch allgemeine Dinge aufarbeiten konnte. "Das war so ein bisschen mein Gamechanger", erinnert sie sich. "Es war viel Arbeit, aber ich habe das Gefühl, dass ich ganz viel auch für mein zukünftiges Leben daraus mitgenommen habe."
Trotz der negativen Seiten und Down-Phasen würde die Bayern-Spielerin ihren Job niemals eintauschen wollen. Sie merkt allerdings an, dass vielen nicht bewusst sei, welche Schattenseiten der Beruf mit sich bringt: "Es ist ein 24/7 Job. Es geht nicht nur darum, deinen Körper zu jeder Zeit bereit zu halten, sondern auch mental da zu sein. Du hast jeden Tag, jede Minute Competition. Jeden Tag wirst du mit anderen verglichen und musst dich beweisen." Es würde wenig Momente geben, wo Zeit zum Entspannen bleibt. Im Profi-Geschäft würde man auf vieles verzichten müssen. "Es sind vielleicht Kleinigkeiten, aber du ordnest alles unter, um am Wochenende spielen zu können", stellt die 31-Jährige fest.
Carolin Simon gilt als eine der besten Außenverteidigerinnen Deutschlands. Seit 2019 steht sie beim amtierenden Meister unter Vertrag. Zuvor führte ihr Weg die 31-Jährige von Wolfsburg nach Leverkusen und Freiburg, bevor sie anschließend für eine Saison bei Olympique Lyon spielte. In Frankreich gewann Caro Simon 2019 das Triple, bestehend aus der Meisterschaft, dem Pokalsieg und nicht zuletzt dem Gewinn der Women's Champions League. Für die deutsche Nationalmannschaft kommt Simon insgesamt auf 22 A-Länderspiele.