BVB-Transfercheck: Ist die enorme Kritik berechtigt?

Niclas Füllkrug soll die Dortmunder Sturmsorgen beenden
Niclas Füllkrug soll die Dortmunder Sturmsorgen beenden / ANP/GettyImages
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Borussia Dortmund hat eine sehr umstrittene Sommer-Transferphase hingelegt. Die Schwarz-Gelben haben Jude Bellingham und Raphael Guerreiro verloren und auf den ersten Blick keinen neuen Star verpflichtet. Dies mündete in einem enttäuschenden Saisonstart, von dem man sich aber rasch erholt hat. Der BVB steht sportlich wieder ganz gut da, wenngleich die Auftritte noch immer nicht allen Fans gefallen. Umso schwerer ist zu bewerten, wohin die Reise mit dem aktuellen Dortmund-Kader hingeht. Wir sehen uns in unserem Transfer-Check an, ob sich die Entscheidungen des BVB-Managements im Sommer bislang bezahlt gemacht haben.

Wie schlagen sich die Neuzugänge bislang?

1. Ramy Bensebaini

Ramy Bensebaini bringt bislang - inklusive seiner gelb-roten Karte - genau das, was man sich erwarten konnte. Der Algerier ist defensiv recht stabil und überzeugt mit einer Zweikampfquote von über 60 Prozent. Bensebaini ist ein unbequemer Gegenspieler, genau das zeigt er auch in Dortmund. In der Offensivbewegung agiert er jedoch wenig effizient, weshalb er aktuell auch noch bei null Scorer-Punkten steht.

Wenn man einen Mittelstürmer wie Füllkrug in der Box hat, würde man sich natürlich auch von Bensebaini vernünftige Flanken wünschen. Diese liefert er aber nicht - was sicher auch am weiter holprigen Offensivspiel der gesamten Mannschaft liegt. Was beim Außenverteidiger hingegen immer einkalkuliert werden muss, ist der ein oder andere Platzverweis. Demnach dürfte die unnötige Ampel-Karte wegen Ballwegschießens am fünften Spieltag auch niemanden überrascht haben.

2. Felix Nmecha

Während man bei Bensebaini angesichts der fehlenden Ablöse wenig falsch machen konnte, ist man bei Felix Nmecha mit 30 Millionen Euro mehr ins Risiko gegangen. Positiv bleibt bislang anzumerken, dass der Mittelfeldspieler nicht mit kritischen Social-Media-Handlungen aufgefallen ist, sondern nur sportliche Schlagzeilen macht. Diese waren aber insbesondere zu Saisonbeginn selten positiv.

Nmecha hatte nach einer Verletzung in der Vorbereitung Fitness-Defizite, die sich enorm ausgewirkt haben. Der Ex-Wolfsburger wirkte träge, müde und lief meist weder richtig nach vorne, noch nach hinten mit. So langsam scheint die Fitness inzwischen aber zurückgekehrt zu sein. Gegen Union Berlin überzeugte er mit den meisten Kilometern und Sprints aller Borussen. Noch ist Nmecha weit davon entfernt, seinen Einkaufspreis zu rechtfertigen, jedoch ist angesichts der jüngsten Entwicklungen Licht am Ende des Tunnels auszumachen.

3. Marcel Sabitzer

Der Transfer von Bayern-Reservisten Marcel Sabitzer wurde von den meisten Anhängern nicht gerade positiv aufgenommen. Der Österreicher begann dann auch nicht wirklich überzeugend, wenngleich er sich einen Stammplatz sichern konnte. Ehe der Österreicher ein wenig besser ins Rollen kommen konnte, verletzte er sich und fehlte einige Wochen. Demnach kann man sich auch noch kein wirkliches Urteil erlauben. Sabitzer steht nun aber unter Zugzwang.

4. Niclas Füllkrug

Die Verpflichtung von Füllkrug kurz vor Thekenschluss verwunderte so einige. Der BVB schien schließlich auf anderen Positionen größere Probleme zu haben. Angesichts des Formtiefs von Haller scheint der Deal aber doch recht wichtig gewesen zu sein. Zwar zündete auch der deutsche Nationalspieler zu Beginn nicht so richtig, jedoch konnte er an den Spieltagen sechs und sieben wichtige Treffer erzielen. Ein Problem des Transfers ist aber gewiss, dass Youngster Moukoko völlig auf der Bank verstaubt.


Wie wirken sich die Abgänge bislang aus?

Das Fehlen von Jude Bellingham merkt man natürlich an allen Ecken und Enden. Mit dem Engländer hat der letzte wirkliche Star den Abflug gemacht. Die Dynamik, Energie und Torgefahr, die Bellingham eingebracht hat, konnte bislang noch nicht wirklich kompensiert werden. Man kann auch nicht erwarten, dass Nmecha und Sabitzer einen solchen Weltklasse-Spieler überhaupt im Ansatz ersetzen können. Guerreiro fehlt ebenfalls als fußballerisch starker Spieler, wenngleich man dessen Verletzungsanfälligkeit nicht vermisst. Auf dem Spielfeld merkt man aber schon ganz klar, dass mit Bellingham und Guerreiro zwei spielstarke Fußballer fehlen. Das Offensivspiel der Dortmunder ist teilweise nicht wirklich schön anzusehen, selbst wenn die Ergebnisse inzwischen passen. Tatsächlich hätte auch ein Mo Dahoud die spielerische Stärke mitgebracht, um das Dortmunder Spiel zu verschönern, jedoch hat dieser bereits in der Vorsaison keine Rolle gespielt und wurde im Sommer vom Hof gejagt.

Bislang hatte es der BVB mit eher leichten Gegnern zu tun. Wie gut die neue Truppe ist und wie sehr sich das Fehlen von Bellingham und Guerreiro bemerkbar macht, wird sich herausstellen, wenn es gegen Bayern, Leverkusen und Leipzig geht. Der doch erschreckend feige und destruktive Auftritt gegen PSG hat diesbezüglich die Erwartungshaltung gedämpft.

Was hat der BVB in der Sommerpause versäumt?

Der Bellingham-Verkauf war zwar früher oder später unvermeidbar, jedoch hat Dortmund den Spieler zu leicht, zu billig und zu früh ziehen lassen. Wären die BVB-Verantwortlichen mal bei Spurs-Boss Daniel Levy in die Lehre gegangen, wären womöglich 50 Millionen Euro mehr herauszuholen gewesen. Wäre Real dazu nicht bereit gewesen, hätte man einfach noch ein Jahr gewartet. Die 103 Millionen Euro plus Bonus-Zahlungen sind einfach in Relation zu anderen Transfers viel zu wenig. Bellingham zeigt bei den Königlichen, warum er trotz seines jungen Alters schon zur absoluten Weltklasse zählt.

Zwar geben die Guerreiro-Verletzungen dem Klub gewissermaßen zum Teil Recht, jedoch ist es trotzdem komisch, dass man mit einem solch starken Spieler nicht verlängern wollte. Der Portugiese hat selbst in einem Interview angemerkt, dass ein Verbleib eigentlich in seinem Interesse gewesen sei.

Ein klares Versäumnis in Sachen Spielerkäufe war wohl der Rückzieher bei Edson Alvarez. Der BVB hat sich entschlossen, Emre Can als Mittelfeld-Leader und Kapitän das Vertrauen auszusprechen. Dieses konnte er bislang nicht zurückzahlen. Der Mexikaner wäre demnach wohl schon ein klares Upgrade gewesen.

Der Verein hat es auch nicht geschafft, die Außenverteidiger-Positionen klar zu stärken. Ryerson und Bensebaini sind keine schlechten Spieler, gehören jetzt aber auch nicht der gehobenen Klasse an. Wolf ist hiervon noch weiter weg.

Viele hätten sich auch noch einen offensiven Außen gewünscht. Sancho war ein Thema und könnte im Winter erneut eines werden, jedoch weiß niemand so genau, wohin die Reise bei einem Transfer gehen würde. Kritisch ist anzumerken, dass der BVB eine Leihe von Xavi Simons ausgeschlagen hat. Der junge Niederländer zeigt jetzt bei RB Leipzig, was er drauf hat.

Was sowohl der BVB als auch die Moukoko-Seite versäumt haben, ist eine Leihe. Die Situation des Youngsters ist für beide Seiten aktuell ein Fiasko. Wie soll sich der 18-Jährige bei bislang 64 Pflichtspiel-Minuten entwickeln?


Fazit:

Tatsächlich ist es schwierig, ein Fazit zu ziehen, weil die Ergebnisse deutlich besser waren, als es die Leistungen auf dem Platz vermuten ließen. Es ist aber durchaus möglich, dass das böse Erwachen noch im November folgt. Man hat viel auf Mentalität und wenig auf spielerische Klasse gelegt, was im Titelkampf dann doch zu wenig sein könnte. Weder Bensebaini, noch Nmecha, Sabitzer oder Füllkrug sind schlechte Spieler, jedoch haut einen auch kein Transfer wirklich vom Hocker. Der BVB hat früher Top-Talente aus ganz Europa geholt, die die Angänger anschließend verzücken konnten. Demnach sind die getätigten Transfers schon ein wenig bieder, aber auch risikoarm.

In Sachen Verkäufe bleibt es dabei, dass man bei Guerreiro und Bellingham nicht klug agiert hat. Wie teuer die Quittung daraus wird, bleibt jedoch abzuwarten. Die Wochen der Wahrheit werden ein wenig mehr Licht ins Dunkle bringen. Ein wirklich positives Kader-Management kann man dem BVB in Summe nicht bescheinigen, jedoch macht die leicht positive sportliche Entwicklung zumindest Hoffnung.


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