BVB mit Nullnummer der besseren Art gegen Milan: Sechs schwarz-gelbe Erkenntnisse zum Spiel
Von Oscar Nolte
Borussia Dortmund hat ein sehr gutes Champions League-Heimspiel gegen die AC Mailand abgeliefert. Für drei Punkte reichte es allerdings aus schwarz-gelber Sicht nicht: das Spiel endete 0:0. Es war eine Nullnummer der besseren Art. Der BVB bestätigt die positive Entwicklung der letzten Woche - ist aber noch zu weit entfernt, diese Spiele auch verdient zu gewinnen. Die Erkenntnise zur Partie.
Ein 0:0 der kurioseren Sorte: Die Analyse zur Nullnummer zwischen dem BVB und Milan:
1. Der kulturelle Umbruch wird greifbar
Der BVB möchte zunehmend über Physis und Mentalität kommen. Das ist verbrieft, nicht zuletzt in der Kaderplanung. Was oftmals aber wie kopfloses Malochen wirkte, nimmt langsam Form an.
Es ist ein kultureller Umbruch, den der BVB vollzieht. Weg von atemberaubenden Offensivspiel und dem Mantra, ein Tor mehr als der Gegner zu schießen. Hin zu einer disziplinierten Mannschaft, die es Gegnern schwer macht, überhaupt ein Tor zu schießen.
Das Disziplin beim BVB aktuell groß geschrieben wird - und im Geiste des Umbruchs der vielleicht treffendere Begriff ist als Mentalität -, ist spürbar, ist an vielen Sprints, an intensiver Kommunikation und auch an einer gewissen organisierten Zurückhaltung zu spüren. Perfekt funktioniert das noch nicht, der kulturelle Umbruch trägt aber langsam sichtbare Knospen.
2. Der eigene Ballbesitz bleibt ein Problem
So diszipliniert der BVB aktuell auch verteidigt: wenn du keine Tore schießt, gewinnst du keine Spiele. Und auch gegen Milan wurde wieder deutlich, dass der eigene Ballbesitz bei der Borussia derzeit ein Problem ist.
Die Gäste aus Mailand überließen dem BVB fast über die gesamte Spieldauer den Ball und das Geschehen. Daraus resultierte nicht eine einzige hundertprozentige Dortmunder Torchance - das ist ein Armutszeugnis.
Das Problem: Edin Terzic setzt momentan auf zwei eher defensive Sechser, die im Spiel nach vorne limitiert sind. Das Dortmunder Mittelfeld muss entweder überspielt oder über die Außen umgangen werden; das ist zu ausrechenbar für gute Gegner. Es wirkt angestrengt beim BVB, den Ball überhaupt einmal bis zu den Außenspielern zu kriegen, die dann mit Einzelaktionen initiieren sollen.
3. Niclas Füllkrug beißt sich in der Startelf fest
Die Torchancen blieben aus und so konnte sich auch Niclas Füllkrug, der erneut in der Startelf stand, kaum in den Vordergrund spielen. Zwischen den Zeilen machte der Neuzugang aber ganz viel richtig und glänzte als Wandspieler.
Füllkrug beißt sich mit seiner Spielweise mehr und mehr in der Startformation fest. Gegen Milan überzeugte Füllkrug bei hohen Bällen, als Wand-, aber auch als potenzieller Kombinationsspieler. Füllkrug scheut kaum einen Lauf und öffnet so viel Raum für die Mitspieler.
Dass Füllkrug gegen Milan so gut wie keine Torgefahr aussgestrahlt hat, ist dem deutschen Nationalstürmer nicht vorzuhalten; der BVB schafft es momentan einfach nicht, den Zielspieler im Strafraum zu finden. Füllkrug konzentriert sich daher auf das, was er beeinflussen kann, was wichtig ist - und das macht er richtig gut.
4. Julian Ryerson ist ein riskantes Phänomen
Julian Ryerson hat nur einen Gang: Vollgas. Der Norweger ist permanent auf Achse und macht die Wege, die andere selten gehen.
Ryerson bindet sich trotz dessen, dass er nicht der allerbeste Fußballer ist, durch seine Sprints sehr ordentlich in das Dortmunder Offensivspiel ein und erarbeitet sich viele Aktionen.
Ryerson ist zudem fleißig in der Rückwärtsbewegung und lief gegen Milan ein ums andere Mal auch einen Konter zu. Aber: der Norweger ist auch ein Risikofaktor. Mitunter taucht Ryerson sogar im gegnerischen Sechzehner auf Mittelstürmer-Position auf; das macht ihn zu einem Phänomen, aber auch oft absent bei gegnerischen Kontern. Gerade mit Rafael Leao als Gegenspieler muss Ryerson eigentlich risikoarmer agieren und die Position halten. Gut für den Norweger, dass insbesondere Mats Hummels am heutigen Abend auf der Höhe war und die rechte Seite mitverteidigte.
5. Julian Brandts Tiefenläufe sind eine Augenweide
Julian Brandt ist als Taktgeber, als feiner Fußballer und als Spielmacher bekannt. Aktuell zeichnet sich der deutsche Nationalspieler aber auch durch eine ganz andere Qualität aus: seine Tiefenläufe ohne Ball.
Wie viele Räume Brandt mit unglaublich cleveren Läufen hinter die gegnerische Kette öffnet, ist bemerkenswert.
Und die Räume, die Brandt beläuft, werden vom BVB oft bespielt und führen zu aussichtsreichen Angriffsmöglichkeiten. Das Spiel ohne Ball wird mehr und mehr zur Waffe bei Brandt.
6. Es fehlt noch an Bestformen
Der BVB hat gegen Milan ein sehr gutes Spiel abgeliefert. Das ist das eigentlich entscheidende Fazit an diesem Abend. Klar, das Unentschieden im eigenen Stadion kann in dieser Todesgruppe als zwei verlorene Zähler interpretiert werden. Aber nichtsdestotrotz kann der BVB außerordentlich zufrieden mit dem heutigen Spiel sein.
Um diese Spiele auch zu gewinnen, das klappte zuletzt in der Bundesliga mit viel Spielglück, braucht es mehr Bestformen in der Mannschaft. Manche Spieler (allen voran Felix Nmecha und Karim Adeyemi) wirken überhaupt nicht fit und/oder ganz weit entfernt von der eigenen Normalform. Manche Spieler erledigen ihre Aufgaben souverän und diszipliniert, das ist in Ordnung. Aber es fehlt noch an zwei, drei Spielern, die für den Unterschied sorgen, die die ganze Mannschaft durch ihre Bestform besser machen. Das muss sich die Borussia erarbeiten; ein Spiel wie heute gegen Milan kann dabei helfen.
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